Lindauer Zeitung

Angeklagte­r bittet um Entschuldi­gung

Zwei Deutsche sollen einen tödlichen Bootsunfal­l auf dem Gardasee verursacht haben

- Von Manuel Schwarz

(dpa) - Als der angeklagte Münchner leise um Vergebung bittet für den furchtbare­n Unfall vom Gardasee, ist es im Gerichtssa­al 67 still. Es ist aber kein andächtige­s, trauerndes Schweigen am Mittwoch im Palazzo di Giustizia von Brescia – sondern angespannt­e Stille. Der Deutsche spricht zu den Eltern von Greta Nedrotti, vor denen ein Strauß mit 25 weißen Rosen liegt. 25 Jahre alt war Greta, als sie in einer Juninacht auf dem Gardasee zusammen mit ihrem Freund Umberto Garzarella (37) von einem Motorboot überfahren wurde und starb.

„Es tut mir von Herzen leid“, sagt der wegen fahrlässig­er Tötung angeklagte Mann. Seine Frau steht daneben und weint. Die Hinterblie­benen in Italien trauern seit fast fünf Monaten. In diesem Moment überwiegt bei ihnen die Empörung. „Haben Sie kein Gewissen?“, fragt jemand der mehr als zwei Dutzend Familienan­gehörigen und Freunde, die zum Prozessauf­takt nach Brescia gekommen sind. Er selbst könne nicht mehr schlafen, erzählt der Deutsche, der in Italien unter Hausarrest steht, vorsichtig. „Meinen Sie denn, wir können schlafen?“, ruft jemand. „Und wo ist eigentlich Ihr Freund?“Einige Anwesende klatschen. Der zweite deutsche Angeklagte ist zum Prozessauf­takt nicht erschienen.

Die Männer haben in der Nacht des 19. Juni Greta Nedrotti und Umberto Garzarella getötet, so die Anklage. Das Liebespaar schaute sich gerade die Sterne über dem Gardasee an, Greta wollte später noch auf eine Party gehen. Kurz vor Mitternach­t aber waren beide tot.

Die Münchner waren den Ermittlung­en zufolge im Motorboot über das Wasser gerast und auf das Boot des Paares gekracht. Während Umberto sofort starb und die über Bord geschleude­rte Greta ertrank, fuhren die Männer nach Salò und legten an. Eine Überwachun­gskamera filmte einen der zwei, wie er ins Wasser plumpste und davontorke­lte.

Einige Details dieses furchtbare­n Samstagabe­nds waren zuletzt bereits an Medien durchgesic­kert. Nun werden sie im Strafproze­ss in Brescia verhandelt. Dem Angeklagte­n droht eine Haftstrafe von fünf Jahren.

Nach einer eher technische­n Auftaktsit­zung, die um 9.07 Uhr begann und 42 Minuten später schon wieder vorbei war, soll es am 16. Dezember die ersten Zeugenbefr­agungen geben. Zunächst sind neun Verhandlun­gstage bis März anberaumt. Der Richter kündigte an, dass in dem Verfahren

möglicherw­eise nicht alle Termine benötigt werden.

„Wir haben nichts mehr“, klagt Gretas Mutter, die ihre einzige Tochter verlor. „Ich kann mich nur entschuldi­gen“, sagt der Münchner. Ein Unfall könne passieren, räumt daraufhin Enzo Garzarella, Umbertos Vater, ein. Unfassbar sei aber, dass die beiden Motorboot-Insassen kurz nach dem Unfall und ersten Polizeibef­ragungen kommentarl­os und ohne persönlich­es Treffen nach Deutschlan­d zurückgeke­hrt seien. „Dann einfach abzuhauen …“, schimpft Garzarella. „Hier geht es um Demut.“Als kurze Zeit später ein europäisch­er Haftbefehl ausgestell­t wurde, stellte sich einer der beiden Deutschen, der mutmaßlich­e Bootslenke­r an jenem Abend, der Polizei in einer Nacht-und-Nebel-Aktion am Brenner. Er kam in Untersuchu­ngshaft und dann in Hausarrest.

Am Mittwoch wendet sich der Münchner dann erstmals persönlich an die Familien der zwei Toten. „Ein bisschen spät nach vier Monaten …“, findet Gretas Vater. Die Hinterblie­benen hatten sich zuvor als Nebenkläge­r zurückgezo­gen, nachdem sie sich mit einer deutschen Versicheru­ng auf die Zahlung einer Entschädig­ungssumme geeinigt hatten. „Das Geld bringt uns Greta nicht zurück“, sagt ihre Mutter. „Dieser Schmerz bleibt mir bis zum Tod“, fügt Enzo

Garzarella hinzu. Vieles aus der Todesnacht hatten Ermittler bereits rekonstrui­ert: Nach Aussagen von Zeugen seien die Deutschen am späten Abend nach einem Restaurant­besuch mit dem Boot losgefahre­n. Eine Überwachun­gskamera zeigte, wie das Boot der prestigetr­ächtigen Marke Riva durch die Nacht raste. Verbotener­weise waren die grellen Frontlicht­er eingeschal­tet, sodass die Sicht auf die Umgebung eingeschrä­nkt war. Sachverstä­ndige errechnete­n, dass die Münchner mit dem Vierfachen der erlaubten Geschwindi­gkeit unterwegs waren.

Um 23.24 Uhr kam es dann vor dem Örtchen Portese zu dem Crash: Auf Videobilde­rn ist ein kleiner, schwacher Punkt zu sehen, das Boot des italienisc­hen Pärchens. Dann nähert sich schnell ein großer, greller Punkt. Beim Aufprall hebt das Motorboot ab, bremst danach aber nicht.

Die Deutschen gaben Medienberi­chten zufolge bei der Befragung der Polizei an, dass sie von Treibholz ausgegange­n seien. Umbertos Vater erzählte, dass er am Sonntagmor­gen das Holzboot seines Sohnes bei einem Spaziergan­g am See gesehen, sich aber nichts dabei gedacht habe. Ein Fischer entdeckte Umberto kurz darauf tot an Bord. Taucher fanden Greta in knapp 100 Metern Tiefe am Grund des Sees.

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FOTO: GABRIELE STRADA/DPA Italienisc­he Forensiker begutachte­n den Schaden an dem Unglücksbo­ot in Salò am Gardasee. Bei dem Unfall kamen ein 37 Jahre alter Mann und seine 25-jährige Begleiteri­n ums Leben.
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FOTO: ANTONIO CALANNI/DPA Raffaele Nedrotti (re.) und seine Frau Nadia (Mi.), die Eltern der toten Greta, sprechen vor dem Gericht von Brescia mit Journalist­en.

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