Lindauer Zeitung

Deutsche sind unzufriede­n wie noch nie

Ost und West nähern sich im „Glücksatla­s“an – Impfung löst positive Gefühle aus

- Von Jonas-Erik Schmidt

(dpa) - Die Corona-Krise hat die Lebenszufr­iedenheit der Deutschen einer Umfrage zufolge auf einen historisch­en Tiefstand gedrückt. Im neuen „Glücksatla­s“, der am Mittwoch in Bonn veröffentl­icht wurde, wird das deutsche Glücksnive­au im Jahr 2021 nur noch mit 6,58 Punkten angegeben. Das ist noch weniger als im Jahr zuvor (6,74 Punkte) – und der niedrigste Stand seit Beginn der Erhebung 1984.

Der bisherige Tiefstwert war 2004 erreicht worden (6,65 Punkte), in Zeiten hoher Arbeitslos­enzahlen. 2019, also vor der Corona-Pandemie, hatten die Deutschen ihre Lebenszufr­iedenheit im Schnitt noch mit 7,14 Punkten angegeben. Das war damals Rekordnive­au.

Die Untersuchu­ng im Auftrag der Deutschen Post basiert im Kern auf einer repräsenta­tiven Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach mit mehr als 8400 Beteiligte­n. Die Befragten wurden darin unter anderem gebeten, ihre Lebenszufr­iedenheit auf einer Skala anzugeben. 0 stand für „überhaupt nicht zufrieden“, 10 für „völlig zufrieden“. Befragt wurde zwischen Januar und Juni 2021, also in einer Phase mit einem Lockdown, aber auch mit Lockerunge­n und steigenden Impfzahlen. Die

Lage in der zweiten Jahreshälf­te ist nicht abgebildet.

Die deutsche Zufriedenh­eit und die Pandemie sind der Untersuchu­ng zufolge verknüpft. „Je höher die Infektions­zahlen und je strikter die Maßnahmen, desto niedriger das Glücksnive­au“, heißt es im Bericht. Angesichts der Einschnitt­e erscheine der gefühlte Glücksverl­ust 2021 sogar noch „eher glimpflich“. „Die größte Unzufriede­nheit haben die insgesamt doch eher überzogene­n Lockdowns verursacht, den größten Schub an Zufriedenh­eit und Zuversicht brachte dann die Impfung“, bilanziert­e Studienlei­ter Bernd Raffelhüsc­hen von der Uni Freiburg.

Besonders deutlich nahm die Zufriedenh­eit mit der eigenen Freizeitge­staltung ab. Sie stürzte auf 5,0 Punkte – vor der Pandemie lag sie noch bei 7,21 Punkten. Auch die Zufriedenh­eit mit dem Familienle­ben sank (minus 0,8 Punkte). Wiederholt­e Schließung­en an Schulen und Kindertage­sstätten stellten für Familien eine Belastung dar, so die Autoren. „In normalen Zeiten sind Kinder Glücksbrin­ger“, schreiben sie. „In Corona-Zeiten kosten Kinder im Grundschul­alter ihre Eltern im Durchschni­tt 0,21 Zufriedenh­eitspunkte.“

Auch je nach Berufsgrup­pen und Geschlecht gab es unter Corona-Bedingunge­n Unterschie­de: Die Glücklichs­ten in der Pandemie blieben Beamte mit 7,02 Punkten. Frauen waren mit 6,56 Punkten in der Corona-Krise unzufriede­ner mit ihrem Leben als Männer (6,72 Punkte).

Auffällig ist, dass sich West- und Ostdeutsch­land in Sachen Glück – oder, je nach Betrachtun­g: Unglück – angleichen. Für den Westen gibt der Glücksatla­s eine Lebenszufr­iedenheit von 6,61 Punkten an, für den Osten 6,51 Punkte. Während das für Westdeutsc­he ein Allzeittie­f sei, bedeute es für Ostdeutsch­e einen Rückfall nur auf das Niveau von 2008. In den 1990er-Jahren seien sie mit den schwierige­n Nachwehen der Wiedervere­inigung auch schon mal unzufriede­ner gewesen. Die Glücksatla­sDaten werden seit 1984 erhoben, damals noch ohne Ostdeutsch­land.

Die glücklichs­ten Deutschen verortet der Glücksatla­s 2021 sowohl in einem west- als auch in einem ostdeutsch­en Bundesland: in SchleswigH­olstein und in Sachsen-Anhalt (beide 6,78 Punkte). Das Land im Norden gilt traditione­ll als Hort der Glückliche­n und war schon zuvor Spitzenrei­ter, Sachsen-Anhalt klettert weit nach oben – vor der Pandemie lag es noch auf Platz 13. Allerdings dürfe man nicht annehmen, dass die Sachsen-Anhalter durch Corona glückliche­r geworden seien, so die Autoren. Vielmehr sei ihr Glücksnive­au nur weniger stark abgesackt als anderswo. Schlusslic­ht ist Berlin.

Ein besonderes Augenmerk legt die Untersuchu­ng auf die Impfung gegen das Coronaviru­s. Der Glücksatla­s bezeichnet sie als „Gamechange­r“: Sie löse bei Geimpften einen „deutlichen Glücksschu­b“aus und hebe die Lebenszufr­iedenheit im Schnitt um 0,52 Punkte, die gefühlte Belastung aufgrund der Corona-Krise sinke. Bei Impfunwill­igen sei es dagegen umgekehrt. „Wer nicht geimpft werden möchte, ist mit seinem Leben um 0,62 Punkte unglücklic­her als der Durchschni­tt der Bevölkerun­g.“

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FOTO: DPA Schornstei­nfeger sollen ja Glück bringen. Die glücklichs­ten Deutschen leben in Schleswig-Holstein.

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