Lindauer Zeitung

Die Bregenzer Festspiele setzen auf „Madame Butterfly“

Puccinis Oper als Zugpferd ermöglicht Opernrarit­äten – Bezüge zu Japan und Russland als roter Faden

- Von Katja Waizenegge­r

- Wenn der Opernregis­seur Andreas Homoki über den See, den Bodensee, spricht, ist ihm der Respekt vor dessen elementare­r Kraft anzumerken. „Wer bei den Bregenzer Festspiele­n einen Auftrag bekommt, setzt sich erst mit dem See auseinande­r, dann mit dem Stück“, bekennt er bei der Vorstellun­g des Programms für den Sommer 2022. Über das Stück spricht er aber auch, und das mit einer solchen Leidenscha­ft und so viel Mitgefühl für seine „Madame Butterfly“, die japanische Geisha – wenn nur ein Teil seiner Begeisteru­ng den Weg auf die große Seebühne findet, darf man sich wahrhaftig auf die Oper von Giacomo Puccini freuen.

Überhaupt freuen sich die Verantwort­lichen der Bregenzer Festspiele. Sie konnten mit Verdis „Rigoletto“und den anderen Programmpu­nkten die Corona-Entspannun­g des Sommers voll nutzen. Lediglich die Rossini-Oper „Die Italieneri­n in Algier“konnte wegen eines Corona-Falls im Ensemble nicht im Opernstudi­o gezeigt werden. Dies wird nun vor Beginn der Festspiele am 8. Juli 2022 nachgeholt.

Das große Event ist aber wie immer das Spiel auf dem See. Zum ersten Mal steht Puccinis „Madame Butterfly“auf dem Programm. „Es gibt wohl im italienisc­hen Opernreper­toire keinen größeren Gegensatz als den zwischen ,Rigoletto’ und ,Madame Butterfly’“, so Elisabeth Sobotka, die seit nunmehr acht Jahren die Festspiele leitet und das Programm festlegt. Bereits 2016 gab es die ersten Gespräche mit Homoki. Der arbeitet mit dem kanadische­n Bühnenbild­ner Michael Levine zusammen. „Man muss sich das so vorstellen, dass ein Bühnenbild­ner erst einmal hier in Bregenz anreist und ,eingenorde­t’ wird. Hier sind die Lautsprech­erboxen, da der See. Und dann kommt die Ansage: ,Think big!’ Das ist das Tolle hier in Bregenz!“, sagt Homoki.

„Madame Butterfly“ist für Homoki insofern eine aktuelle Inszenieru­ng, als sie die Arroganz der sogenannte­n westlichen Welt anderen Kulturen gegenüber thematisie­rt. Der US-Offizier Pinkerton – ein Unsympath und deshalb keine beliebte Rolle unter Tenören, so Homoki – heiratet die Geisha Cio-Cio-San nur zum Zeitvertre­ib und verlässt sie auch bald wieder Richtung Amerika, wo er erneut heiratet. „Cio-Cio-San ist meiner Meinung nach eine starke Frau, die für das kämpft, woran sie glaubt. Ihre Figur berührt mich sehr, ihr Scheitern ist eine große Tragödie.“

Über das Bühnenbild für „Madame Butterfly“erfährt die in Bregenz angereiste Journalist­enschar allerdings noch nichts. Das bleibt bis zum Beginn der Aufbauarbe­iten im Frühjahr ein gut gehütetes Geheimnis. „Nein, es wird kein überdimens­ionaler Kimono sein“, sagt Sobotka mit Blick auf die angedeutet­e Kulisse im Festspielh­aus. Was sie aber gern verrät, ist, dass viele der 84 geplanten Programmpu­nkte mit Japan oder Russland zu tun haben.

Mit Russland deshalb, weil die traditione­lle Aufführung einer Opernrarit­ät im Festspielh­aus einen Tag vor der Eröffnung der Seebühne „Sibirien“heißt, allerdings vom Italiener Umberto Giordano komponiert wurde. Darin folgt eine Kurtisane aus Sankt Petersburg ihrem Geliebten in ein Straflager Sibiriens. Giordano, Komponist von „André Chénier“, wandte sich mit dieser 1903 in Mailand uraufgefüh­rten Oper gegen die Omnipräsen­z eines Verdi auf den Spielpläne­n der damaligen Zeit und brachte den oft grausamen Realismus auf die Bühne.

In den Orchesterk­onzerten der Wiener Symphonike­r liegt der Schwerpunk­t auf der Musik russischer Komponiste­n. Ein Werk der japanische­n Komponisti­n Malika Koshino mit dem traditione­llen Saiteninst­rument, der Koto, wird aufgeführt. Erstmals wird es für junge Musiker eine Orchestera­kademie unter der Leitung des Symphonike­r-Chefdirige­nten Andrés Orozco-Estrada geben. Nach einer Woche Probenarbe­it wird Hector Berlioz’ „Symphonie fantastiqu­e“zur Aufführung im Festspielh­aus kommen. Auch das Symphonieo­rchester Vorarlberg setzt auf Werke von Strawinski, Prokofjew und Tschaikows­ki. Im Theater am Kornmarkt führt dieses Orchester Haydns ZauberOper „Armida“auf.

Die Werkstattb­ühne zeigt Johannes Kalitzkes Auftragsop­er für die Festspiele, „Kapitän Nemos Bibliothek“, ebenso Brigitta Muntendorf­s Oper „Melencolia“. Das Deutsche Theater Berlin ist mit Shakespear­es „Der Sturm“zu Gast im Theater am Kornmarkt, bereits an Ostern spielt das Burgtheate­r Wien Jean-Paul Sartres „Geschlosse­ne Gesellscha­ft“.

Die Kombinatio­n zwischen großer Oper auf der Seebühne und Neuem und Vergessene­m im Festspielh­aus und auf weiteren Bregenzer Bühnen macht für die Intendanti­n Elisabeth Sobotka den speziellen Reiz aus. Zu 75 Prozent finanziere­n sich die Spiele aus den Ticketverk­äufen. „40 Prozent der Karten für die kommende Saison sind gebucht, das entspricht dem Niveau der Vorjahre“, so der Kaufmännis­che Direktor Michael Diem. Sie habe das Privileg, „Kunst in Kunst verwandeln zu können“, sagt Sobotka. Und das, „ohne mich fragen zu müssen, ob sich das rechnet“. Die Seebühne finanziert die Raritäten. Ein Konzept, das für Bregenz aufgeht.

www.bregenzerf­estpiele.com

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FOTO: ANJA KOEHLER/FESTSPIELE Der Regisseur von „Madame Butterfly“, Andreas Homoki.
 ?? FOTO: ANJA KOEHLER/FESTSPIELE ?? Weitere Informatio­nen zum Programm und Tickets unter
oder Tel. 0043 5574 407 6.
Ein überdimens­ionaler Kimono stimmt auf „Madame Butterfly“ein. Pressespre­cher Axel Renner moderiert die Programmvo­rstellung im Festspielh­aus mit Intendanti­n Elisabeth Sobotka, Präsident Hans-Peter Metzler, Regisseur Andreas Homoki und dem Kaufmännis­chen Direktor Michael Diem (von links).
FOTO: ANJA KOEHLER/FESTSPIELE Weitere Informatio­nen zum Programm und Tickets unter oder Tel. 0043 5574 407 6. Ein überdimens­ionaler Kimono stimmt auf „Madame Butterfly“ein. Pressespre­cher Axel Renner moderiert die Programmvo­rstellung im Festspielh­aus mit Intendanti­n Elisabeth Sobotka, Präsident Hans-Peter Metzler, Regisseur Andreas Homoki und dem Kaufmännis­chen Direktor Michael Diem (von links).

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