Das gilt bei der Booster-Impfung
Welche Bedeutung der Antikörpertest hat und wer sich wann impfen lassen kann
- Ein bisschen mulmig ist es mir schon. Ich lasse mir beim Arzt Blut abnehmen, um nach meiner zweiten Impfung bestimmen zu lassen, wie viele Antikörper ich noch habe. Was ist, wenn ich kaum noch geschützt bin? Werde ich mich dann draußen wieder unsicherer fühlen? Ist das vielleicht sogar etwas Gutes, angesichts der steigenden Infektionszahlen? Immer mehr Menschen stecken sich mit Corona an, obwohl sie bereits zweimal geimpft sind. Das weckt bei vielen das Interesse an einer dritten Impfung. Mancher möchte aber vorher wissen, wie viel Schutz die Grundimmunisierung noch bietet und lässt deshalb eine Antikörperbestimmung machen. Wie viel bringt das und wer kann sich wann impfen lassen?
Für ein Selbstexperiment habe ich mich einmal in den Arm piksen lassen. Allerdings nicht wie bei der Impfung in den Oberarm, sondern eine ganz normale Blutentnahme. Ich möchte wissen, wie hoch mein Impfschutz vier Monate nach der zweiten Impfung noch ist. Das kann ich einfach beim Hausarzt machen lassen, aber auch Apotheken bieten einen Test an. Von Tests für zu Hause, die es zu kaufen gibt, raten Experten dagegen ab. Mir wird Blut abgenommen, das wird ins Labor geschickt und auf Antikörper gegen das Coronavirus untersucht. Das ist nicht ganz umsonst, zwischen 20 und 30 Euro kosten die Untersuchung im Labor und die Blutabnahme beim Arzt.
Ich lasse die Antikörperbestimmung bei dem Lindauer Arzt Dr. Rainer Wölfle machen. Er erklärt mir, dass inzwischen schon einige Patienten zu ihm kommen, um ihre Antikörperzahl bestimmen zu lassen. Auch wenn es etwas kostet. „Viele nehmen das gerne in Kauf, einfach um dann Bescheid zu wissen“, erzählt Rainer Wölfle. Er sagt aber auch, dass er aus den Ergebnissen bei seinen Patienten noch kein Muster herauslesen kann. Es ist also noch nicht geklärt, ob vor allem Ältere oder Jüngere höhere Werte haben oder ob es Unterschiede zwischen Geimpften und Genesenen gibt.
„Wenn die Antikörperzahl nach der zweiten Impfung sehr hoch ist, muss man sich vielleicht nicht so schnell Gedanken über eine dritte Impfung machen“, sagt er zwar, will aber keine konkrete Handlungsempfehlung geben. Damit ist er auf einer Linie mit der Wissenschaft. Manche Mediziner raten sogar grundsätzlich von einer Antikörperbestimmung ab. Das liegt vor allem daran, dass es noch zu wenige Informationen darüber gibt, was die Werte tatsächlich aussagen. „Wir wissen noch nicht, wie wir die Werte interpretieren sollen“, sagt Dr. Fabian Heuser, der ärztliche Direktor des Asklepios Klinikums in Lindau. „Wir haben noch keinen Cut-off-Wert.“Keinen Wert also, ab dem eine Drittimpfung unbedingt notwendig wäre, oder eben auch nicht. Damit bremsen sie den vorpreschenden Ministerpräsidenten Markus Söder aus, der schon vergangene Woche alle dazu aufgefordert hatte, sich auf die Antikörper testen zu lassen.
Trotzdem kann ich mir eine ungefähre Einschätzung geben lassen, wie der Stand gerade bei mir ist. Vorgabe ist aber auch, dass eine Booster-Impfung erst sechs Monate nach der zweiten Impfung gemacht werden soll. Vorrangig sollen Ältere, medizinisches Personal und Vorerkrankte die Drittimpfung bekommen. Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Auffrischungsimpfung vor allem für Menschen über 70, die Gesundheitsministerkonferenz hat bei ihrer Tagung in Lindau vergangene Woche aber entschieden, dass die Impfung allen offenstehen soll.
Für mich bedeutet das, egal wie mein Ergebnis beim Antikörpertest ausfällt – frühestens in zwei Monaten kann ich mich wieder impfen lassen. Denn meine zweite Impfung ist erst vier Monate her. Das bestätigt mir auch das Landratsamt auf Anfrage: „Wenn jemand zum Beispiel eine Woche vor Ablauf der Sechsmonatsfrist kommt, würden wir ihn nicht zurückweisen, insbesondere nicht, wenn es sich um eine ältere Person handelt. Ansonsten halten wir uns an die Vorgabe des Mindestabstandes von sechs Monaten nach der zweiten
Impfung.“Ausgenommen davon sind Personen, die mit dem Impfstoff von Johnson und Johnson geimpft wurden. Sie dürfen schon nach vier Wochen die Auffrischungsimpfung bekommen. „Es gibt bisher keine
ANZEIGE wissenschaftlichen Daten, ab wann ein Antikörper-Titer keinen Schutz mehr bietet. Insofern kann dies auch nicht als Kriterium für eine vorgezogene Auffrischimpfung gelten.“In Pflegeheimen und unter älteren Menschen laufen die Booster laut dem Leiter des Impfzentrums, Klaus Adams, schon gut an. Etwa 2500 Menschen im Landkreis haben die dritte Impfung schon bekommen.
Die Ergebnisse des Antikörpertests kommen in der Regel nach 24 bis 48 Stunden aus dem Labor zurück. Mein Ergebnis ist da: Ich habe einen Wert von 332 Einheiten pro Milliliter Blut. Das bedeutet, dass ich ganz ordentlich geschützt sein dürfte. Eine Infektion ist also unwahrscheinlicher und möglicherweise hätte ich einen milderen Verlauf. Trotzdem kann ich mich noch infizieren. „Man geht davon aus, dass man ab einem Wert von 50 und höher gut geschützt ist. Aber genau weiß es noch niemand“, erklärt mir Dr. Rainer Wölfle. Man gehe aber davon aus, dass ein Mensch bei einem Wert von unter 25 nicht mehr verlässlich geschützt sei.
Boostern lassen kann sich aber jeder, ob mit oder ohne Antikörpertest. Auch einen Überschuss an Antikörpern gibt es nicht. Mit der Zeit wird die Antikörperzahl allerdings weniger werden. Aber auch durch die zelluläre Abwehr mithilfe von T-Zellen kann der Körper sich gegen Corona wehren – die werden beim Antikörpertest gar nicht angezeigt.
Die Drittimpfungen laufen gut – was dagegen nicht so gut läuft, sind laut Klaus Adams die Erstimpfungen. Denn noch immer sind viele Menschen überhaupt nicht geimpft. „Wir müssen zuerst noch die Erstimpfungen verstärken“, sagt er. Ob Erstimpfung, Zweitimpfung oder Booster, wo bekommt man die Impfung in Lindau jetzt noch? Das Landratsamt fährt ab kommender Woche die Kapazitäten des Impfzentrums in Lindau wieder nach oben. Ab dann werden wieder Termine für Impfungen im Landkreis vergeben, Impfungen ohne Anmeldung sind dann aber nicht mehr möglich. Auch niedergelassene Ärzten impfen nach wie vor.
Auch die Booster-Impfung ist wie die Erst- und Zweitimpfung kostenlos. Sie kann frühestens sechs Monate nach der Zweitimpfung vorgenommen werden. Ausgenommen sind Menschen mit Immundefizienz oder nach einer Impfung mit Johnson & Johnson.