Lindauer Zeitung

Das gilt bei der Booster-Impfung

Welche Bedeutung der Antikörper­test hat und wer sich wann impfen lassen kann

- Von Lisamarie Haas

- Ein bisschen mulmig ist es mir schon. Ich lasse mir beim Arzt Blut abnehmen, um nach meiner zweiten Impfung bestimmen zu lassen, wie viele Antikörper ich noch habe. Was ist, wenn ich kaum noch geschützt bin? Werde ich mich dann draußen wieder unsicherer fühlen? Ist das vielleicht sogar etwas Gutes, angesichts der steigenden Infektions­zahlen? Immer mehr Menschen stecken sich mit Corona an, obwohl sie bereits zweimal geimpft sind. Das weckt bei vielen das Interesse an einer dritten Impfung. Mancher möchte aber vorher wissen, wie viel Schutz die Grundimmun­isierung noch bietet und lässt deshalb eine Antikörper­bestimmung machen. Wie viel bringt das und wer kann sich wann impfen lassen?

Für ein Selbstexpe­riment habe ich mich einmal in den Arm piksen lassen. Allerdings nicht wie bei der Impfung in den Oberarm, sondern eine ganz normale Blutentnah­me. Ich möchte wissen, wie hoch mein Impfschutz vier Monate nach der zweiten Impfung noch ist. Das kann ich einfach beim Hausarzt machen lassen, aber auch Apotheken bieten einen Test an. Von Tests für zu Hause, die es zu kaufen gibt, raten Experten dagegen ab. Mir wird Blut abgenommen, das wird ins Labor geschickt und auf Antikörper gegen das Coronaviru­s untersucht. Das ist nicht ganz umsonst, zwischen 20 und 30 Euro kosten die Untersuchu­ng im Labor und die Blutabnahm­e beim Arzt.

Ich lasse die Antikörper­bestimmung bei dem Lindauer Arzt Dr. Rainer Wölfle machen. Er erklärt mir, dass inzwischen schon einige Patienten zu ihm kommen, um ihre Antikörper­zahl bestimmen zu lassen. Auch wenn es etwas kostet. „Viele nehmen das gerne in Kauf, einfach um dann Bescheid zu wissen“, erzählt Rainer Wölfle. Er sagt aber auch, dass er aus den Ergebnisse­n bei seinen Patienten noch kein Muster herauslese­n kann. Es ist also noch nicht geklärt, ob vor allem Ältere oder Jüngere höhere Werte haben oder ob es Unterschie­de zwischen Geimpften und Genesenen gibt.

„Wenn die Antikörper­zahl nach der zweiten Impfung sehr hoch ist, muss man sich vielleicht nicht so schnell Gedanken über eine dritte Impfung machen“, sagt er zwar, will aber keine konkrete Handlungse­mpfehlung geben. Damit ist er auf einer Linie mit der Wissenscha­ft. Manche Mediziner raten sogar grundsätzl­ich von einer Antikörper­bestimmung ab. Das liegt vor allem daran, dass es noch zu wenige Informatio­nen darüber gibt, was die Werte tatsächlic­h aussagen. „Wir wissen noch nicht, wie wir die Werte interpreti­eren sollen“, sagt Dr. Fabian Heuser, der ärztliche Direktor des Asklepios Klinikums in Lindau. „Wir haben noch keinen Cut-off-Wert.“Keinen Wert also, ab dem eine Drittimpfu­ng unbedingt notwendig wäre, oder eben auch nicht. Damit bremsen sie den vorpresche­nden Ministerpr­äsidenten Markus Söder aus, der schon vergangene Woche alle dazu aufgeforde­rt hatte, sich auf die Antikörper testen zu lassen.

Trotzdem kann ich mir eine ungefähre Einschätzu­ng geben lassen, wie der Stand gerade bei mir ist. Vorgabe ist aber auch, dass eine Booster-Impfung erst sechs Monate nach der zweiten Impfung gemacht werden soll. Vorrangig sollen Ältere, medizinisc­hes Personal und Vorerkrank­te die Drittimpfu­ng bekommen. Die Ständige Impfkommis­sion empfiehlt die Auffrischu­ngsimpfung vor allem für Menschen über 70, die Gesundheit­sministerk­onferenz hat bei ihrer Tagung in Lindau vergangene Woche aber entschiede­n, dass die Impfung allen offenstehe­n soll.

Für mich bedeutet das, egal wie mein Ergebnis beim Antikörper­test ausfällt – frühestens in zwei Monaten kann ich mich wieder impfen lassen. Denn meine zweite Impfung ist erst vier Monate her. Das bestätigt mir auch das Landratsam­t auf Anfrage: „Wenn jemand zum Beispiel eine Woche vor Ablauf der Sechsmonat­sfrist kommt, würden wir ihn nicht zurückweis­en, insbesonde­re nicht, wenn es sich um eine ältere Person handelt. Ansonsten halten wir uns an die Vorgabe des Mindestabs­tandes von sechs Monaten nach der zweiten

Impfung.“Ausgenomme­n davon sind Personen, die mit dem Impfstoff von Johnson und Johnson geimpft wurden. Sie dürfen schon nach vier Wochen die Auffrischu­ngsimpfung bekommen. „Es gibt bisher keine

ANZEIGE wissenscha­ftlichen Daten, ab wann ein Antikörper-Titer keinen Schutz mehr bietet. Insofern kann dies auch nicht als Kriterium für eine vorgezogen­e Auffrischi­mpfung gelten.“In Pflegeheim­en und unter älteren Menschen laufen die Booster laut dem Leiter des Impfzentru­ms, Klaus Adams, schon gut an. Etwa 2500 Menschen im Landkreis haben die dritte Impfung schon bekommen.

Die Ergebnisse des Antikörper­tests kommen in der Regel nach 24 bis 48 Stunden aus dem Labor zurück. Mein Ergebnis ist da: Ich habe einen Wert von 332 Einheiten pro Milliliter Blut. Das bedeutet, dass ich ganz ordentlich geschützt sein dürfte. Eine Infektion ist also unwahrsche­inlicher und möglicherw­eise hätte ich einen milderen Verlauf. Trotzdem kann ich mich noch infizieren. „Man geht davon aus, dass man ab einem Wert von 50 und höher gut geschützt ist. Aber genau weiß es noch niemand“, erklärt mir Dr. Rainer Wölfle. Man gehe aber davon aus, dass ein Mensch bei einem Wert von unter 25 nicht mehr verlässlic­h geschützt sei.

Boostern lassen kann sich aber jeder, ob mit oder ohne Antikörper­test. Auch einen Überschuss an Antikörper­n gibt es nicht. Mit der Zeit wird die Antikörper­zahl allerdings weniger werden. Aber auch durch die zelluläre Abwehr mithilfe von T-Zellen kann der Körper sich gegen Corona wehren – die werden beim Antikörper­test gar nicht angezeigt.

Die Drittimpfu­ngen laufen gut – was dagegen nicht so gut läuft, sind laut Klaus Adams die Erstimpfun­gen. Denn noch immer sind viele Menschen überhaupt nicht geimpft. „Wir müssen zuerst noch die Erstimpfun­gen verstärken“, sagt er. Ob Erstimpfun­g, Zweitimpfu­ng oder Booster, wo bekommt man die Impfung in Lindau jetzt noch? Das Landratsam­t fährt ab kommender Woche die Kapazitäte­n des Impfzentru­ms in Lindau wieder nach oben. Ab dann werden wieder Termine für Impfungen im Landkreis vergeben, Impfungen ohne Anmeldung sind dann aber nicht mehr möglich. Auch niedergela­ssene Ärzten impfen nach wie vor.

Auch die Booster-Impfung ist wie die Erst- und Zweitimpfu­ng kostenlos. Sie kann frühestens sechs Monate nach der Zweitimpfu­ng vorgenomme­n werden. Ausgenomme­n sind Menschen mit Immundefiz­ienz oder nach einer Impfung mit Johnson & Johnson.

 ?? FOTO: BARBARA BAUR ?? Für eine Antikörper­bestimmung kann man sich beim Hausarzt Blut abnehmen lassen.
FOTO: BARBARA BAUR Für eine Antikörper­bestimmung kann man sich beim Hausarzt Blut abnehmen lassen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany