Zink, Vitamin C und ein Wurmmittel
Aaron Rodgers, Football-Star der Green Bay Packers, hat die USA über seinen Impfstatus getäuscht
- Eigentlich lohnt es sich nicht, den ganzen Unsinn wiederzugeben, den Aaron Rodgers zur Rechtfertigung seines Verhaltens von sich gegeben hat. Fakt ist, dass der Star-Quarterback der Green Bay Packers aus Wisconsin in der Öffentlichkeit und gegenüber seinen Mitspielern so getan hat, als sei er gegen Covid-19 geimpft worden. Auf die Frage nach seinem Impfstatus hatte Rodgers erst im August in einem Interview erklärt, er sei „immunisiert“. Durch einen positiven Corona-Test kam dann die Wahrheit heraus.
Während sich 94 Prozent aller 2000 Spieler der National Football League (NFL) impfen ließen, ignorierte Rodgers die NFL-Regeln. Und schwieg. Anders als Cole Beasley von den Buffalo Bills oder die Quarterbacks Kirk Cousins der Minnesota Vikings und Carson Wentz von den Indianapolis Colts, die ihre Haltung nicht hinter dem Berg hielten und dafür Nachteile in Kauf nahmen. Dazu gehören Ausgehsperren bei Auswärtsspielen, regelmäßige Covid-19-Tests und die Pflicht, bei Pressekonferenzen Maske zu tragen.
Auf frischer Tat ertappt, ging Rodgers Ende vergangener Woche in einem Interview für den Podcast des ehemaligen NFL-Profis Pat McAfee in die Offensive. In dem Gespräch setzte er nach Ansicht seiner zahlreichen Kritiker das fort, was Amerikaner „Bullshitting“nennen. Damit ist ein Verhalten gemeint, bei dem jemand etwas anderes vorgibt, als er tatsächlich verfolgt. „Ich bin kein Impfgegner, keiner, der glaubt, dass die Erde flach ist“, postulierte Rodgers. „Ich bin ein kritischer Denker.“
Nach dieser Vorrede spulte er dann einen Kanon an längst widerlegten Behauptungen und pseudowissenschaftlichem Unsinn der Impfgegner-Szene ab. Von der angeblichen Unwirksamkeit der Impfstoffe über die (nicht vorhandene) Gefährdung der Fruchtbarkeit bis hin zu (extremen) Allergien und Nebenwirkungen. Für nichts von alldem gibt es Beweise, während die Gefährlichkeit des Erregers außer Frage steht. Mit 755 000 Covid-19-Toten haben die USA mehr Menschen verloren, als in ihrer Hauptstadt Washington leben.
„Diese Behauptungen sind immer wieder aufgestellt worden und viele, viele Male widerlegt worden“, sagt der angesehene Virologe William Schaffner von der Vanderbilt University in Tennessee. „Vakzine sind sicher und erstaunlich effektiv.“Dafür
sprechen auch die harten Zahlen der Gesundheitsbehörde CDC, die klar nachweisen, dass Nichtgeimpfte zehnmal häufiger einen schweren Krankheitsverlauf mit Hospitalaufenthalt haben als immunisierte Personen. Dasselbe gilt für die Übertragung des Erregers, der vorwiegend von Nichtgeimpften an Nichtgeimpfte weitergegeben wird.
Weil Rodgers ein Megastar im populärsten Sport der USA ist, der unter anderem Werbeverträge für Kranken- und Lebensversicherer hat, sind Gesundheitsexperten besorgt, dass der aus ihrer Sicht nachweisbare Unsinn aus dem Mund des Football-Idols den Impfwillen seiner Fans schwächt. Der Virologe an der University of Wisconsin-Madison (und Packers-Fan) David O’Connor, sagte der „New York Times“, angesichts der ohnehin zu geringen Impfquote in den USA (67 Prozent) sei er „zusammengezuckt“.
Noch beunruhigender ist die Quacksalberei, die Rodgers in dem Interview verbreitet hat. Darin gab er zum Besten, den potenziell tödlichen Erreger mit Zink, Vitamin C und einem in der Tiermedizin eingesetzten Mittel gegen Wurmbefall zu bekämpfen. Eine „Therapie“, die nach Ansicht von Medizinern bestenfalls wirkungslos bleibt und schlimmstenfalls bedenkliche Nebenwirkungen hat. Der für seine Polemik bekannte ESPN-Kommentator Stephen A. Smith bezeichnete den dreimal zum wertvollsten Profi der NFL gewählten Packers-Spielmacher deshalb sogar als „nationale Peinlichkeit“.
Rodgers fügte seinen Aussagen mit der Behauptung eine Volte hinzu, er habe die NFL über seine Haltung informiert. Das wirft die Frage auf, ob die Liga dem Star stillschweigend Dinge durchgehen ließ, die sie bei anderen nicht toleriert hätte. Kein Wunder, dass die Debatte über die „Causa Rodgers“in den USA so leidenschaftlich geführt wird wie die um den Fußballer Joshua Kimmich in Deutschland. Die Kommentare in Richtung des Super-Bowl-Champions von 2011 sind dabei um einiges schärfer als all die Appelle an Kimmich.
Das liegt wohl auch daran, dass sich viele Menschen in den USA von Rodgers bewusst getäuscht fühlen – oder sogar angelogen.
Seit Dienstagabend (Ortszeit) steht die Strafe fest: 300 000 US-Dollar für die Packers und je 14 650 Dollar für Rodgers und seinen Mitspieler Allen Lazard, weil sie als ungeimpfte Footballer an der Halloween-Party des Teams teilgenommen hatten.
Als Rodgers, gekleidet in einen Star-Wars-Pullover und mit einer schwarzen Mütze auf dem Kopf, am selben Abend wieder per Video in die Show von McAfee zugeschaltet war, gab er sich zumindest in Teilen einsichtig. Er übernehme „die volle Verantwortung für meine irreführenden Kommentare“, sagte er da bezogen auf die „immunisiert“-Aussage aus dem Sommer. Inhaltlich rückte er aber keinen Zentimeter ab von seiner Position. „Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe, und den Gründen, aus denen ich die Entscheidung getroffen habe“, bekundete er. Die Debatte geht weiter.