Lindauer Zeitung

Zink, Vitamin C und ein Wurmmittel

Aaron Rodgers, Football-Star der Green Bay Packers, hat die USA über seinen Impfstatus getäuscht

- Von Thomas J. Spang und dpa

- Eigentlich lohnt es sich nicht, den ganzen Unsinn wiederzuge­ben, den Aaron Rodgers zur Rechtferti­gung seines Verhaltens von sich gegeben hat. Fakt ist, dass der Star-Quarterbac­k der Green Bay Packers aus Wisconsin in der Öffentlich­keit und gegenüber seinen Mitspieler­n so getan hat, als sei er gegen Covid-19 geimpft worden. Auf die Frage nach seinem Impfstatus hatte Rodgers erst im August in einem Interview erklärt, er sei „immunisier­t“. Durch einen positiven Corona-Test kam dann die Wahrheit heraus.

Während sich 94 Prozent aller 2000 Spieler der National Football League (NFL) impfen ließen, ignorierte Rodgers die NFL-Regeln. Und schwieg. Anders als Cole Beasley von den Buffalo Bills oder die Quarterbac­ks Kirk Cousins der Minnesota Vikings und Carson Wentz von den Indianapol­is Colts, die ihre Haltung nicht hinter dem Berg hielten und dafür Nachteile in Kauf nahmen. Dazu gehören Ausgehsper­ren bei Auswärtssp­ielen, regelmäßig­e Covid-19-Tests und die Pflicht, bei Pressekonf­erenzen Maske zu tragen.

Auf frischer Tat ertappt, ging Rodgers Ende vergangene­r Woche in einem Interview für den Podcast des ehemaligen NFL-Profis Pat McAfee in die Offensive. In dem Gespräch setzte er nach Ansicht seiner zahlreiche­n Kritiker das fort, was Amerikaner „Bullshitti­ng“nennen. Damit ist ein Verhalten gemeint, bei dem jemand etwas anderes vorgibt, als er tatsächlic­h verfolgt. „Ich bin kein Impfgegner, keiner, der glaubt, dass die Erde flach ist“, postuliert­e Rodgers. „Ich bin ein kritischer Denker.“

Nach dieser Vorrede spulte er dann einen Kanon an längst widerlegte­n Behauptung­en und pseudowiss­enschaftli­chem Unsinn der Impfgegner-Szene ab. Von der angebliche­n Unwirksamk­eit der Impfstoffe über die (nicht vorhandene) Gefährdung der Fruchtbark­eit bis hin zu (extremen) Allergien und Nebenwirku­ngen. Für nichts von alldem gibt es Beweise, während die Gefährlich­keit des Erregers außer Frage steht. Mit 755 000 Covid-19-Toten haben die USA mehr Menschen verloren, als in ihrer Hauptstadt Washington leben.

„Diese Behauptung­en sind immer wieder aufgestell­t worden und viele, viele Male widerlegt worden“, sagt der angesehene Virologe William Schaffner von der Vanderbilt University in Tennessee. „Vakzine sind sicher und erstaunlic­h effektiv.“Dafür

sprechen auch die harten Zahlen der Gesundheit­sbehörde CDC, die klar nachweisen, dass Nichtgeimp­fte zehnmal häufiger einen schweren Krankheits­verlauf mit Hospitalau­fenthalt haben als immunisier­te Personen. Dasselbe gilt für die Übertragun­g des Erregers, der vorwiegend von Nichtgeimp­ften an Nichtgeimp­fte weitergege­ben wird.

Weil Rodgers ein Megastar im populärste­n Sport der USA ist, der unter anderem Werbevertr­äge für Kranken- und Lebensvers­icherer hat, sind Gesundheit­sexperten besorgt, dass der aus ihrer Sicht nachweisba­re Unsinn aus dem Mund des Football-Idols den Impfwillen seiner Fans schwächt. Der Virologe an der University of Wisconsin-Madison (und Packers-Fan) David O’Connor, sagte der „New York Times“, angesichts der ohnehin zu geringen Impfquote in den USA (67 Prozent) sei er „zusammenge­zuckt“.

Noch beunruhige­nder ist die Quacksalbe­rei, die Rodgers in dem Interview verbreitet hat. Darin gab er zum Besten, den potenziell tödlichen Erreger mit Zink, Vitamin C und einem in der Tiermedizi­n eingesetzt­en Mittel gegen Wurmbefall zu bekämpfen. Eine „Therapie“, die nach Ansicht von Medizinern bestenfall­s wirkungslo­s bleibt und schlimmste­nfalls bedenklich­e Nebenwirku­ngen hat. Der für seine Polemik bekannte ESPN-Kommentato­r Stephen A. Smith bezeichnet­e den dreimal zum wertvollst­en Profi der NFL gewählten Packers-Spielmache­r deshalb sogar als „nationale Peinlichke­it“.

Rodgers fügte seinen Aussagen mit der Behauptung eine Volte hinzu, er habe die NFL über seine Haltung informiert. Das wirft die Frage auf, ob die Liga dem Star stillschwe­igend Dinge durchgehen ließ, die sie bei anderen nicht toleriert hätte. Kein Wunder, dass die Debatte über die „Causa Rodgers“in den USA so leidenscha­ftlich geführt wird wie die um den Fußballer Joshua Kimmich in Deutschlan­d. Die Kommentare in Richtung des Super-Bowl-Champions von 2011 sind dabei um einiges schärfer als all die Appelle an Kimmich.

Das liegt wohl auch daran, dass sich viele Menschen in den USA von Rodgers bewusst getäuscht fühlen – oder sogar angelogen.

Seit Dienstagab­end (Ortszeit) steht die Strafe fest: 300 000 US-Dollar für die Packers und je 14 650 Dollar für Rodgers und seinen Mitspieler Allen Lazard, weil sie als ungeimpfte Footballer an der Halloween-Party des Teams teilgenomm­en hatten.

Als Rodgers, gekleidet in einen Star-Wars-Pullover und mit einer schwarzen Mütze auf dem Kopf, am selben Abend wieder per Video in die Show von McAfee zugeschalt­et war, gab er sich zumindest in Teilen einsichtig. Er übernehme „die volle Verantwort­ung für meine irreführen­den Kommentare“, sagte er da bezogen auf die „immunisier­t“-Aussage aus dem Sommer. Inhaltlich rückte er aber keinen Zentimeter ab von seiner Position. „Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe, und den Gründen, aus denen ich die Entscheidu­ng getroffen habe“, bekundete er. Die Debatte geht weiter.

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FOTO: CHRISTIAN PETERSEN/AFP Nennt sich noch immer einen „kritischen Denker“: Aaron Rodgers von den Green Bay Packers.

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