Lindauer Zeitung

Ein Manager, der auf die Menschen zugehen konnte

Der ehemalige Voith-Chef und Verbandspr­äsident Michael Rogowski ist im Alter von 82 Jahren gestorben

- Von Rolf Dieterich

- Zuletzt hatte die Öffentlich­keit von Michael Rogowski vor allem wegen seines kulturelle­n Engagement­s Kenntnis genommen. Unter anderem förderte er großzügig das Heidenheim­er Kunstmuseu­m und den urgeschich­tlichen Archäopark Vogelherd im Lonetal. Aber es ist nie in Vergessenh­eit geraten, dass ihm der Wirtschaft­sstandort Heidenheim außerorden­tlich viel zu verdanken hat. Am vergangene­n Freitag ist der ehemalige Chef des Technologi­ekonzerns Voith und Ehrenbürge­r der Stadt Heidenheim im Alter von 82 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit gestorben. Als Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie (BDI) war Rogowski in den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren auch einer der prominente­sten Manager der Bundesrepu­blik.

Nach dem Studium des Wirtschaft­singenieur­wesens und der Promotion begann der gebürtige Stuttgarte­r und Absolvent der Waldorfsch­ule seine berufliche Laufbahn bei der Karlsruher Tochter des amerikanis­chen Nähmaschin­enkonzerns Singer. Nur fünf Jahre war Michael Rogowski dort beschäftig­t, aber diese Zeit hatte ihn offensicht­lich geprägt, zumindest in Äußerlichk­eiten. Sein Erscheinun­gsbild und sein legerer Umgangssti­l hatten immer ein bisschen etwas Amerikanis­ches an sich.

1974 wechselte Rogowski zum Maschinenb­auer Voith nach Heidenheim und übernahm dort, mit gerade mal 35 Jahren, die Leitung des Personalun­d Sozialwese­ns. Man kann nicht sagen, dass er von allen Mitarbeite­rn mit offenen Armen aufgenomme­n wurde. In dem konservati­ven Familienun­ternehmen auf der Ostalb war man es damals nicht gewohnt, dass ein so junger Mann, und zudem kein Eigengewäc­hs, eine solche Spitzenpos­ition innehatte. Doch da kam Rogowski eine seiner großen Begabungen zu Hilfe: sein kommunikat­ives Naturtalen­t. Er konnte sofort und unkomplizi­ert auf die Menschen zugehen, ihnen das Gefühl geben, dass er, wenn er mit ihnen sprach, auch ganz für sie da war. Respekt brachte es dem jungen Manager auch ein, wenn er sich in hitzigen Betriebsve­rsammlunge­n unerschroc­ken den Debatten mit aufgebrach­ten Arbeitern stellte.

Mit seiner erfolgreic­hen Tätigkeit als Personalch­ef empfahl sich Rogowski bald für noch Höheres. Die Berufung in die Voith-Geschäftsf­ührung erfolgte 1978, zu deren Sprecher wurde er 1986 und zum Vorsitzend­en 1992 ernannt. Vor allem die ersten Jahre an der Spitze von Voith waren für Rogowski und das Unternehme­n nicht einfach. Die beiden Stämme der Inhaberfam­ilie waren sich uneinig in der strategisc­hen Frage, ob Voith im Papiermasc­hinenbau mit seinem Ravensburg­er Konkurrent­en Sulzer-Escher Wyss kooperiere­n solle oder nicht. Dieser Streit spitzte sich so zu, dass auch Rogowskis Vermittlun­gsbemühung­en die Situation nicht mehr entschärfe­n konnten. So blieb letztlich nur noch die Realteilun­g des Unternehme­ns in einen industriel­len Bereich, der unter Rogowskis Leitung die Partnersch­aft mit Sulzer-Escher Wyss einging, und einen zweiten, der im Wesentlich­en aus den umfangreic­hen Finanzbete­iligungen von Voith bestand.

Der heftige Aderlass, der mit der Realteilun­g für die Kapitalaus­stattung des Industrieb­ereichs verbunden war, stellte Rogowski und seine Führungsma­nnschaft vor eine erhebliche Herausford­erung. Aber sie wurde bravourös bestanden. In den

Jahren 1986 bis 2000, in denen Rogowski den Heidenheim­er Konzern führte, hatte sich der Umsatz um gut 300 Prozent auf mehr als 4,5 Milliarden DM (2,25 Milliarden Euro) erhöht, der Ertrag war sogar um nahezu 400 Prozent gestiegen. Auch nach seinem Ausscheide­n aus der Geschäftsf­ührung blieb Rogowski dem Unternehme­n Voith als einflussre­icher Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ats und des Gesellscha­fteraussch­usses noch lange eng verbunden. Bis zuletzt leitete er den Stiftungsr­at der Hanns-Voith-Stiftung.

Neben und nach seiner aktiven Tätigkeit bei Voith hatte sich Rogowski auch für wichtige ehrenamtli­che Aufgaben zur Verfügung gestellt. Im Arbeitgebe­rverband der baden-württember­gischen Metallindu­strie

machte er sich einen Namen als Spezialist für besonders komplizier­te Tariffrage­n, ehe er von 1996 bis 1998 als Präsident dem Branchenve­rband VDMA vorstand. Zu einem absoluten Spitzenver­treter der Wirtschaft wurde er jedoch von Januar 2001 bis Ende 2004 in seiner Funktion als Präsident des BDI. Hier – es war die Zeit der rot-grünen Koalition – entwickelt­e Rogowski auch robuste Kämpferqua­litäten, die man so bei ihm kaum vermutet hatte, und die wohl auch nicht seinem wahren Naturell entsprache­n. Aber, so erinnerte er sich am Ende seiner BDI-Präsidents­chaft in einem Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, mit klarer Kante, gelegentli­ch auch mit Humor, sei es ihm doch gelungen, „manches Schlimmere zu verhindern“.

 ?? FOTO: ANJA KÖHLER ?? Michael Rogowski in seiner Funktion als BDI-Präsident im Gespräch mit dem früheren Wirtschaft­schef der „Schwäbisch­en Zeitung“, Rolf Dieterich: Menschenfä­nger und „Spezialist für besonders komplizier­te Tariffrage­n“.
FOTO: ANJA KÖHLER Michael Rogowski in seiner Funktion als BDI-Präsident im Gespräch mit dem früheren Wirtschaft­schef der „Schwäbisch­en Zeitung“, Rolf Dieterich: Menschenfä­nger und „Spezialist für besonders komplizier­te Tariffrage­n“.

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