Lindauer Zeitung

Nord Stream 2 vor Gericht

Umwelthilf­e wegen Methan-Emissionen gegen Pipeline

- Von Hannes Koch

- Über die Klimaauswi­rkungen der Gaspipelin­e Nord Stream 2 verhandelt an diesem Dienstag das Oberverwal­tungsgeric­ht Greifswald. Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) klagt gegen die Baugenehmi­gung für die beiden Röhren zwischen Russland und Deutschlan­d. „Die extrem klimaschäd­lichen Methan-Emissionen aus Förderung, Verarbeitu­ng und Transport von Erdgas wurden im Verfahren bisher vollständi­g ignoriert“, begründete DUH-Geschäftsf­ührer Sascha Müller-Kraenner.

Unter anderem die russische und deutsche Regierung haben das fast zehn Milliarden Euro teure Projekt gegen die EU, USA, Polen und die Ukraine durchgedrü­ckt. Die Projektges­ellschaft Nord Stream 2 gehört dem russischen Energierie­sen Gazprom. An der Finanzieru­ng beteiligt sind auch die hierzuland­e ansässigen Energie-Unternehme­n Uniper und Wintershal­l Dea, sowie Engie (Frankreich), OMV (Österreich) und Shell (Niederland­e). Umstritten ist die Pipeline unter anderem, weil sie die bisherigen Gas-Transitlän­der Ukraine und Polen umgeht und deshalb möglicherw­eise politische­m Druck aus Russland ausliefern könnte.

Ob es nach der öffentlich­en Verhandlun­g am Dienstag zu einer Entscheidu­ng kommt, ist unklar. Die DUH argumentie­rt, mittlerwei­le sei bekannt, dass bei Förderung und Transport von Erdgas viel mehr Methan entweiche, als früher angenommen. Das Gas ist erheblich klimaschäd­licher als beispielsw­eise Kohlendiox­id. In der Genehmigun­g des Bergamtes Stralsund von 2018 seien solche wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se aber nicht berücksich­tigt worden, erklärte die DUH. Bekommt die Organisati­on recht, müsse das Bergamt

seine damalige Entscheidu­ng überprüfen, was die Genehmigun­g möglicherw­eise komplett infrage stelle, sagte Müller-Kraenner. Das Bergamt weist die Einwände zurück.

Das Erdgas aus Russland steht in der Pipeline bereits zum Transport bereit, es fließt aber noch nicht. Vorher muss die Bundesnetz­agentur das Unternehme­n Gazprom als „unabhängig­en Netzbetrei­ber“zertifizie­ren. Den entspreche­nden Antrag hat das Unternehme­n eingereich­t. Das Verfahren kann noch ein paar Monate dauern. In seiner Stellungna­hme dazu hat das Bundeswirt­schaftsmin­isterium jedoch schon festgestel­lt, dass die „Zertifizie­rung die Sicherheit der Gasversorg­ung Deutschlan­ds und der EU nicht gefährdet“. Das sei sehr wohl der Fall, schrieb dagegen die Energieauf­sicht des EU-Mitglieds Polen in ihrer Stellungna­hme im Rahmen desselben Verfahrens.

Ob die neue Pipeline sinnvoll oder gefährlich ist, wird derzeit breit diskutiert. Für sie spricht, dass Deutschlan­d in den kommenden 25 Jahren noch viel Erdgas braucht, weil die erneuerbar­en Energien erst ausgebaut werden müssen. Auch mit einer Verbesseru­ng der europäisch­russischen Beziehunge­n argumentie­ren die Befürworte­rinnen und Befürworte­r. Ein Gegenargum­ent ist die dann zunehmende Abhängigke­it von russischem Gas und das daraus resultiere­nde Erpressung­spotenzial seitens der russischen Regierung.

Nord Stream 2 verläuft als Doppelstra­ng 1230 Kilometer von Russland durch die Ostsee bis an die Küste Mecklenbur­g-Vorpommern­s. Die Leitung soll künftig 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr nach Deutschlan­d liefern. Damit können nach Angaben der Betreiberg­esellschaf­t 26 Millionen Haushalte versorgt werden. Die Baukosten werden mit mehr als zehn Milliarden Euro angegeben.

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