Gelungene Zeitenwende
Zwischenzeugnis von Bundestrainer Flick fällt positiv aus – Nun muss sich DFB-Elf gegen größere Gegner beweisen
- Das letzte Länderspiel des Jahres geriet zur Bankrotterklärung, zum Fiasko. Die internationale Presse übertraf sich in der Rhetorik der Verwunderung. Die spanische „Marca“schrieb von einer „historischen Vorführung“. Für die französische „L'Équipe“war es „eine Abreibung“, laut der italienischen „Gazzetta dello Sport“wurde „ein kaltes und desinteressiertes Deutschland versenkt“, die Mannschaft sei „nicht zu erkennen“. Und der britische „Guardian“wiederholte schlicht: „Ja, sechs. Gegen Deutschland.“
Mit dem 0:6 in Sevilla gegen Spanien fing sich die deutsche Nationalelf eine Tracht Prügel ein, seit mehr als 89 Jahren hatte eine DFB-Auswahl nicht mehr so verheerend verloren. Bundestrainer Joachim Löw saß fassungsund regungslos auf der Bank. Der 17. November 2020 geht als einer der schwärzesten Tage in die Länderspielhistorie ein. Hansi Flick hat zu diesem Zeitpunkt bereits fünf seiner später insgesamt sieben Titel als Cheftrainer des FC Bayern gewonnen.
Ein knappes Jahr später reiht die deutsche Nationalelf nicht nur Sieg an Sieg, sondern sammelt auch wieder Sympathiepunkte sowie Lob und Anerkennung – hierzulande und in der internationalen Fußballwelt. Obwohl dieses souveräne und standesgemäße 4:1 am Sonntag in Armenien reine Pflichterfüllung war zum Abschluss des Länderspieljahres 2021. Nach dem siebten Erfolg im siebten Spiel (nebenbei ein Startrekord) zeigte sich Bundestrainer Flick „zufrieden“, weil man das „Ziel von 27 Punkten erreicht“habe. Neun von zehn WMQualifikationsspielen hat die DFBAuswahl gewonnen – die 1:2-Niederlage Ende März gegen Nordmazedonien ging auf die Kappe von Flick-Vorgänger Löw. Das Ticket für die WinterWM 2022 in Katar machte man bereits Mitte Oktober perfekt, bei dieser Gruppe von Gegnern der Kategorie 1C bis 1D (neben Armenien noch Nordmazedonien, Rumänien, Island und Liechtenstein) keine große Kunst.
0:6 und 4:1 – was für einen Unterschied ein Jahr machen kann. Ein Jahr, in dem Löw nach dem Spanien-Debakel weitermachen wollte – und durfte. Am 9. März jedoch kündigte der 61Jährge seinen Rückzug nach der um ein Jahr verschobenen EM an, trotz eines Vertrages bis zur WM in Katar. Einen Motivationsschub sollte der unerwartete Schritt bewirken, daraus ein großes Turnier aus großer Dankbarkeit seiner Spieler resultieren. Doch Löw blieb sich und seiner Idee vom Fußball treu, auch wenn er Thomas Müller und Mats Hummels reaktivierte. Bei der EM gelang lediglich ein Sieg, mit Ach und Krach, mit Gosens und Goretzka überstand man soeben