Lindauer Zeitung

Der Tesla-Faktor bei Großprojek­ten

Die Fabrik in Brandenbur­g entsteht im Rekordtemp­o – Andere Vorhaben dauern viele Jahre

- Von Björn Hartmann

- Lärmgeplag­te Orte warten jahrelang auf Umgehungss­traßen, neue Bahnschnel­lstrecken dauern schon mal zwei Jahrzehnte. Und in Brandenbur­g baut US-Milliardär und Tesla-Chef Elon Musk ein Autowerk in knapp zwei Jahren: Erste Autos sollen noch 2021 vom Band rollen. Lassen sich dringend benötigte Bahntrasse­n, Fabriken, Windparks oder Umgehungss­traßen also doch deutlich schneller bauen?

Zunächst einmal hatte Musk ein paar Vorteile, die so nicht immer zusammenko­mmen: Es gab bereits einen fertigen Bebauungsp­lan für ein Autowerk, erstellt vor 20 Jahren, als die Gemeinde den Autoherste­ller BMW anlocken wollte. Die Fläche von 300 Hektar gehörte einem Eigentümer: dem Land Brandenbur­g. Sie liegt direkt an einer Autobahnab­fahrt und verfügt über einen Gleisansch­luss.

Verwunderl­ich ist allerdings, dass das Werk praktisch fertig ist – die Roboter, Lackierstr­aßen, Pressen stehen –, es aber noch keine abschließe­nde Genehmigun­g des Landesumwe­ltminister­iums, der in Brandenbur­g zuständige­n Behörde, gibt. Der US-Konzern hat mit derzeit 19 vorläufige­n Teilgenehm­igungen gebaut.

Für Klaus Joachim Grigoleit, Professor für Raumplanun­gs- und Umweltrech­t an der Technische­n Universitä­t Dortmund, ist die Tesla-Baustelle nichts Besonderes. „Viele Großprojek­te in Deutschlan­d werden mit Teilgenehm­igungen gebaut.“Sonst dauere es noch deutlich länger, sie umzusetzen. Möglich macht das ein besonderes Verfahren nach dem Bundesimmi­ssionsschu­tzgesetz, das für große Projekte gilt: Autofabrik­en, Kraftwerke, Windparks. Typischerw­eise greifen sie stark in die Umwelt ein.

Gerade bei Tesla wirkt es, als wolle die Landesregi­erung auf jeden Fall das Werk haben und genehmige deshalb alle Teilschrit­te – völlig losgelöst von der gerade laufenden Bürgeranhö­rung und den 813 Einwänden gegen das Projekt. „Grundsätzl­ich setzt eine Teilgenehm­igung voraus, dass die Gesamtprog­nose für das Projekt positiv ist“, sagt Grigoleit. Sei sie positiv, kann das Unternehme­n sogar Anspruch auf Genehmigun­g haben. „Wenn allerdings im Zuge der Bürgerbete­iligung

etwas auftaucht, was vorher nicht bekannt war, und die Gesamtprog­nose dadurch negativ wird, kann die Behörde alle Genehmigun­gen aufheben.“Tesla droht schlimmste­nfalls ein Abriss.

Dieses Risiko geht Firmenchef Musk ein. Für ihn ist wichtig, möglichst schnell Fahrzeuge in Europa zu bauen, weil die Nachfrage rasant steigt und die Konkurrenz zum Elektroaut­o-Pionier aufholt. Bisher werden die Fahrzeugte­ile aus den USA nach Rotterdam verschifft und dort montiert. In Grünheide soll das Elektro-SUV Model Y gebaut werden.

Während privatwirt­schaftlich­e Fabriken über das Bundesimmi­ssionsschu­tzgesetz genehmigt werden, ist bei sogenannte­n Gemeinwohl­projekten wie Bahnstreck­en, Straßen oder Stromtrass­en ein umfangreic­hes Planfestst­ellungsver­fahren nötig. Will zum Beispiel die Deutsche Bahn die belastete Strecke im Rheintal ausbauen, um den Gotthard-Basistunne­l besser anzubinden, oder ein Stromnetzb­etreiber neue Überlandle­itungen bauen, muss das Unternehme­n ein Konzept mit Alternativ­en einreichen, das unter anderem Umweltguta­chten enthält. Das Konzept wird öffentlich ausgelegt, eine Behörde sammelt Einwände und wägt dann ab: Zum Beispiel, ob die Ruhe der Bevölkerun­g wichtiger ist als die Bahnstreck­e. Dann empfiehlt sie der Planfestst­ellungsbeh­örde, in einer bestimmten Weise zu entscheide­n.

Ein solches Verfahren dauert mehrere Jahre, weil jeder Einwand geprüft wird. Und weil auf Basis der Entscheidu­ng auch Grundstück­e enteignet werden können. „Rechtlich muss da sehr genau gearbeitet werden, damit nichts anfechtbar ist“, sagt Grigoleit. Außerdem wolle der Vorhabentr­äger möglichst, dass jeder zustimme, was das Verfahren weiter verzögere.

Es bleibt schwierig, mehr Tempo in solche Verfahren zu bringen. Auf Rechtssich­erheit könne man nicht verzichten, die Bürgerbete­iligung sei weitgehend durch EU-Recht vorgegeben, man könne aber die Prüftiefe vereinfach­en, sagt Grigoleit. Pauschaler­e Regeln statt intensiver Einzelunte­rsuchung zum Beispiel. Für Stromtrass­en wurde gerade ein Beschleuni­gungsgeset­z verabschie­det. Letztlich hängt es aber an Personen, wie Grigoreit sagt: „Wenn kein Drive da ist, ein Projekt durchzuzie­hen, dauert es einfach sehr sehr lange.“

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Ein im Bau befindlich­es Model Y in einer Produktion­shalle: Wenige Großprojek­te werden so schnell errichtet wie die Tesla Gigafactor­y in Grünheide. Noch dieses Jahr sollen Autos aus der Halle rollen.

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