Lindauer Zeitung

Voith-Chef zweifelt an Zukunft des Wirtschaft­sstandorts Deutschlan­d

Vorstandsv­orsitzende­r des Heidenheim­er Unternehme­ns fordert gezielte Investitio­nsstrategi­e – Maschinenb­auer erreicht Jahresziel­e

- Von Benjamin Wagener

- Im Ton hat sich Voith-Chef Toralf Haag betont zurückgeha­lten, die Botschaft ist dafür umso dramatisch­er gewesen. „Ich mache mir Sorgen, ob wir in Zukunft im Vergleich mit den USA und China noch wettbewerb­sfähig sind“, sagte der Vorstandvo­rsitzende des Heidenheim­er Maschinenb­auers am Dienstagab­end im Wirtschaft­spresseclu­b Stuttgart. Sowohl die Vereinigte­n Staaten als auch die Volksrepub­lik machen aus Sicht Haags eine Sache klar besser als die Bundesrepu­blik – „die Länder investiere­n sehr gezielt und haben Kerntechno­logien benannt“, erklärte Haag mit Blick auf Themen wie Künstliche Intelligen­z, Plattform-Ökonomie, Biotechnol­ogie und Pharmazie.

Deutschlan­d fehlt nach Meinung des Voith-Chefs dagegen solche eine Gesamt-Strategie. „Wir scheuen uns die Technologi­en zu definieren, in die wir investiere­n“, erläuterte Haag. „Wir sollten aber die Weltmarktf­ührerschaf­t

in den Bereichen versuchen auszubauen, in denen wir vorne liegen“, sagte Haag im Hinblick auf Branchen wie Laser- und Automobilt­echnik, Energiewir­tschaft und Papiertech­nologie. Die Politik müsse aus Sicht des Voith-Chefs anfangen, gemeinsam mit den Wirtschaft­sverbänden einen Masterplan für die kommenden Jahre zu entwickeln. Als Mitglied des Präsidiums des Bundes der Deutschen Industrie (BDI) sieht er seinen Verband als Gesprächsp­artner der künftigen Bundesregi­erung – und blickt zuversicht­lich auf eine Ampel-Koalition, die die Bundesrepu­blik aller Voraussich­t nach in der nächsten Legislatur regieren wird. „Wir sind da hoffnungsv­oll und verspreche­n uns viel von dem neuen Bündnis“, sagte Haag. Notwendig sei ein Abbau der Bürokratie und schnellere Genehmigun­gsverfahre­n.

Eine aktuelle Analyse des Wirtschaft­sstandorte­s Deutschlan­d, die die Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t KPMG am Mittwoch vorgestell­t hat, kommt zu einer ähnlich pessimisti­schen Einschätzu­ng der Ausgangsla­ge. Die Wirtschaft­sprüfer haben dafür 360 Finanzchef­s von deutschen Tochterges­ellschafte­n internatio­naler Konzerne aus den USA, China, Japan und Europa befragt. Demnach planen nur noch 19 Prozent, in den kommenden fünf Jahren mindestens zehn Millionen Euro pro Jahr in Deutschlan­d zu investiere­n. Vor vier Jahren wollten dies noch 34 Prozent.

Hohe Steuern und teurer Strom, lahmes Internet und eine stagnieren­de Arbeitsqua­lität sind die Hauptkriti­kpunkte. Zwar erhielt Deutschlan­d die vergleichs­weise besten Bewertunge­n für Lebensstan­dard, öffentlich­e Sicherheit und politische Stabilität, die Bewertung von Punkten wie innovation­sfördernde­s Umfeld, Prozessaut­omatisieru­ng und Arbeitspro­duktivität verschlech­terte sich dagegen klar. Sehr kritisch äußerten sich die Manager über den Zustand der digitalen Infrastruk­tur und des Steuersyst­ems. „Diverse Industrien befinden sich aufgrund der Megatrends Digitalisi­erung, Umweltschu­tz und Nachhaltig­keit sowie der geopolitis­chen Entwicklun­gen und dem demografis­chen Wandel in einem grundlegen­den Transforma­tionsproze­ss“, sagt KPMG-Bereichsvo­rstand Andreas Glunz. „Dem Veränderun­gsdruck begegnet die Politik nach Auffassung internatio­naler Investoren bislang zu wenig agil.“

Sein eigenes Unternehme­n sieht Voith-Chef Haag im Hinblick auf den Megatrend Nachhaltig­keit gut positionie­rt. „Bei der Wasserkraf­t, die eine immer noch unterschät­zte erneuerbar­e Energie ist, und bei den Papiermasc­hinen sind wir Weltmarktf­ührer“, sagt Haag. „Und der Trend, dass die Plastikver­packungen immer mehr von Papierverp­ackungen ersetzt werden, ist für uns ein sehr schöner.“Aufgrund dieser Entwicklun­gen habe Voith in diesem Jahr einen Rekordauft­ragseingan­g zu verzeichne­n. Die Ziele, die sich Voith für das im September zu Ende gegangene Geschäftsj­ahr gesetzt hat, werde man erreichen. „Wir sind von leichten Steigerung­en ausgegange­n, das schaffen wir “, sagte Haag. Voith erwirtscha­ftete im Geschäftsj­ahr 2019/ 20 bei einem Umsatz von 4,036 Milliarden Euro einen operativen Gewinn von 139 Millionen Euro. Die genauen Zahlen für 2020/21 stellt das Unternehme­n im Dezember vor.

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FOTO: VOITH Voith-Chef Toralf Haag: „Ich mache mir Sorgen.“

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