Voith-Chef zweifelt an Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland
Vorstandsvorsitzender des Heidenheimer Unternehmens fordert gezielte Investitionsstrategie – Maschinenbauer erreicht Jahresziele
- Im Ton hat sich Voith-Chef Toralf Haag betont zurückgehalten, die Botschaft ist dafür umso dramatischer gewesen. „Ich mache mir Sorgen, ob wir in Zukunft im Vergleich mit den USA und China noch wettbewerbsfähig sind“, sagte der Vorstandvorsitzende des Heidenheimer Maschinenbauers am Dienstagabend im Wirtschaftspresseclub Stuttgart. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch die Volksrepublik machen aus Sicht Haags eine Sache klar besser als die Bundesrepublik – „die Länder investieren sehr gezielt und haben Kerntechnologien benannt“, erklärte Haag mit Blick auf Themen wie Künstliche Intelligenz, Plattform-Ökonomie, Biotechnologie und Pharmazie.
Deutschland fehlt nach Meinung des Voith-Chefs dagegen solche eine Gesamt-Strategie. „Wir scheuen uns die Technologien zu definieren, in die wir investieren“, erläuterte Haag. „Wir sollten aber die Weltmarktführerschaft
in den Bereichen versuchen auszubauen, in denen wir vorne liegen“, sagte Haag im Hinblick auf Branchen wie Laser- und Automobiltechnik, Energiewirtschaft und Papiertechnologie. Die Politik müsse aus Sicht des Voith-Chefs anfangen, gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden einen Masterplan für die kommenden Jahre zu entwickeln. Als Mitglied des Präsidiums des Bundes der Deutschen Industrie (BDI) sieht er seinen Verband als Gesprächspartner der künftigen Bundesregierung – und blickt zuversichtlich auf eine Ampel-Koalition, die die Bundesrepublik aller Voraussicht nach in der nächsten Legislatur regieren wird. „Wir sind da hoffnungsvoll und versprechen uns viel von dem neuen Bündnis“, sagte Haag. Notwendig sei ein Abbau der Bürokratie und schnellere Genehmigungsverfahren.
Eine aktuelle Analyse des Wirtschaftsstandortes Deutschland, die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG am Mittwoch vorgestellt hat, kommt zu einer ähnlich pessimistischen Einschätzung der Ausgangslage. Die Wirtschaftsprüfer haben dafür 360 Finanzchefs von deutschen Tochtergesellschaften internationaler Konzerne aus den USA, China, Japan und Europa befragt. Demnach planen nur noch 19 Prozent, in den kommenden fünf Jahren mindestens zehn Millionen Euro pro Jahr in Deutschland zu investieren. Vor vier Jahren wollten dies noch 34 Prozent.
Hohe Steuern und teurer Strom, lahmes Internet und eine stagnierende Arbeitsqualität sind die Hauptkritikpunkte. Zwar erhielt Deutschland die vergleichsweise besten Bewertungen für Lebensstandard, öffentliche Sicherheit und politische Stabilität, die Bewertung von Punkten wie innovationsförderndes Umfeld, Prozessautomatisierung und Arbeitsproduktivität verschlechterte sich dagegen klar. Sehr kritisch äußerten sich die Manager über den Zustand der digitalen Infrastruktur und des Steuersystems. „Diverse Industrien befinden sich aufgrund der Megatrends Digitalisierung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit sowie der geopolitischen Entwicklungen und dem demografischen Wandel in einem grundlegenden Transformationsprozess“, sagt KPMG-Bereichsvorstand Andreas Glunz. „Dem Veränderungsdruck begegnet die Politik nach Auffassung internationaler Investoren bislang zu wenig agil.“
Sein eigenes Unternehmen sieht Voith-Chef Haag im Hinblick auf den Megatrend Nachhaltigkeit gut positioniert. „Bei der Wasserkraft, die eine immer noch unterschätzte erneuerbare Energie ist, und bei den Papiermaschinen sind wir Weltmarktführer“, sagt Haag. „Und der Trend, dass die Plastikverpackungen immer mehr von Papierverpackungen ersetzt werden, ist für uns ein sehr schöner.“Aufgrund dieser Entwicklungen habe Voith in diesem Jahr einen Rekordauftragseingang zu verzeichnen. Die Ziele, die sich Voith für das im September zu Ende gegangene Geschäftsjahr gesetzt hat, werde man erreichen. „Wir sind von leichten Steigerungen ausgegangen, das schaffen wir “, sagte Haag. Voith erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2019/ 20 bei einem Umsatz von 4,036 Milliarden Euro einen operativen Gewinn von 139 Millionen Euro. Die genauen Zahlen für 2020/21 stellt das Unternehmen im Dezember vor.