Die Welt entsteht erst im Kopf
Thom Barth zeigt in der Galerie Lutze in Friedrichshafen Werke aus den letzten 30 Jahren
- Das All dehnt sich immer weiter aus. Das Internet auch. Warum sollte Thom Barth es mit seiner Kunst anders machen? Zuletzt spannte sie sich an zwei Orten gleichzeitig auf. Zum einen im Kunstraum Kreuzlingen, wo der in Tettnang lebende Künstler bis 14. November unter anderem eine geschlossene Kabine zeigte. Ihre Innenseiten waren vollständig mit mäandernden Linien überzogen, die einer Landkarte glichen. Allerdings bildeten sie in Wahrheit den endlosen Arbeits- und Bewusstseinsstrom des Künstlers ab, denn auf die Topografie der realen Welt verwiesen sie nur zum Schein.
Ähnlich ist es in seiner zweiten Ausstellung „In Foil“(Auf Folie), zu sehen bis 8. Januar in der Galerie Lutze in Friedrichshafen. Sie umfasst Barths Arbeiten aus den letzten 30 Jahren. Und sie versetzen das Gegenüber in ein ausuferndes System, das sich mit der Wahrnehmung der Welt durch den Menschen beschäftigt. Die Bedeutung der Medien hat Barth schon vor der Entstehung des Internets begriffen, und so verschränken sich in seiner Kunst mediale Weltvermittlung und Bewusstseinsprozesse zu eigentümlichen „Weltbildern“: Ihre Ursprünge liegen in der Begegnung mit der Realität, aber es bilden sich daraus eigene Kunstwelten – weil das Gehirn ebenso wie Schrift oder Fotografie kein eigenschaftsloses Trägermedium ist.
Dass diese Medien die Inhalte, von denen sie sprechen, nicht nur neutral transportieren, zeigt Barths Kunst aus dem Kopiergerät. Er kopiert mit offener Luke in den leeren Raum hinein – und die Kopie zeigt einen Fleck, wo ursprünglich nichts war. Dieser Fleck wird seinerseits kopiert, und so fort. Es entsteht ein Zyklus aus Flecken und Schlieren, der wächst, zusammenfällt, sich neu aufbaut.
Wo aus dem Nichts ganze Welten entstehen, hat in der Kunst das gemalte Tafelbild ausgedient. Tom Barth zerfetzt die leere Leinwand auf bespannten Keilrahmen und wickelt das Ganze in weggeworfene Plastikfolien aus der Druckindustrie ein, auf denen Werbefotos prangen. Er ist jedoch kein medienkritischer Künstler. Thom Barth zeigt nur wertfrei, dass unsere Welterfahrung medial vermittelt ist. In ihrem Zentrum bleibt diese Realität deshalb leer, was besonders Barths Kuben aus Folie zeigen, die mit Fotos der Weltkulturerbestätten bedruckt sind. Sie sind rundum Oberfläche, und in der Mitte der Kuben herrscht Leere.
Aber ist hier letztlich nicht doch eine Portion Zeitkritik zu erkennen, zumal diese Kuben in der Ausstellung auf- und nebeneinandergestapelt sind? Dadurch sind von den Weltkulturerbestätten nicht einmal mehr die Fotos zu erkennen. Was bleibt, ist kompakte, potenzierte Leere. Das so zu sehen liegt aber, wie alles bei Thom Barth, im Auge des Betrachters.
Bis 8. Januar in der in Friedrichshafen,