Lindauer Zeitung

Die Grafs hören mit dem Römus-Kiosk auf

Über die Gründe dieser Entscheidu­ng und was die Fans des Römus-Kiosk erwartet

- Von Isabel de Placido

- Sonne bis zum Sonnenunte­rgang und das an einem der schönsten Plätze auf der Insel. Kein Wunder, dass der Römerbad-Kiosk vom Insidertip­p zu einem beliebten Treffpunkt für Lindauer und Touristen aufgestieg­en ist. Doch die, die das geschaffen haben, sagen bald Adieu. Warum der Kiosk bleibt, aber die Grafs gehen.

Der Sommer ist zu Ende und mit ihm auch die Römerbad-Kiosk-Saison. Es war die vorletzte für Thomas Graf, seine Frau Angelique und deren Noch-Mitarbeite­r Dennis Zippert. „Eigentlich würden wir am liebsten schon 2022 raus gehen, aber wir müssen noch bis 2023“, sagt Thomas Graf und meint zugleich den Kiosk wie auch den Pachtvertr­ag mit dem Fördervere­in Römerbad.

Seit 2009 betreiben die Grafs den Kiosk am Hafen, der zur einen Seite hin die Vereinsmit­glieder des Römerbades mit Pommes, Cola und Co versorgt und zur anderen Seite den Gästen unter schattensp­endenden Kastanien ein lauschiges Plätzchen in erstklassi­ger Lage zum Hafen bietet. Sonne bis zum Sonnenunte­rgang, leckeres Essen, Kaffee, Kuchen und Getränke zu moderaten Preisen, einfach, aber gut – das ist es, was die Gäste aus Nah und Fern am Kiosk schätzen.

Warum die Grafs diese florierend­e Gastronomi­e aufgeben wollen, hat „viele Gründe“. Angefangen damit, dass der Platz, also die zwölf Quadratmet­er Innenraum, nicht ausreicht. „Das wird uns zu viel“, sagt Thomas Graf und erklärt auch warum. „Der Hafen boomt“, das heißt, dass immer mehr Menschen hier auch einkehren wollen. Zugleich habe der Römerbadve­rein beschlosse­n, im kommenden Jahr die zulässige Mitglieder­zahl von bislang 1700 auf 1825 zu erhöhen. Für die Grafs bedeutet das, dass künftig wohl mehr Gäste von der Hafenseite her drängen – und, so ihre Befürchtun­g, zugleich auch der Andrang durch die Mitglieder von der Badseite her zunimmt. Diese Sorge weist jedoch Birgit Russ auf Nachfrage der Lindauer Zeitung als unbegründe­t zurück. Die Vorsitzend­e des Römerbadve­reins verweist darauf, dass die räumlichen Kapazitäte­n begrenzt seien und mehr Mitglieder nicht gleichbede­utend mit mehr Badegästen seien.

Um die Arbeit einzudämme­n, haben die Grafs in diesem Sommer die Tische auf dem Vorplatz reduziert, ebenso die Gerichte auf der Speisekart­e. „Weil wir es gar nicht mehr wuppen konnten. Vorher waren wir zu sechst, heuer waren wir nur noch zu viert.“

„Und seit Corona boomt auch das Essen-To-Go-Geschäft“, ergänzt seine Frau Angelique und erklärt, dass in diesem Jahr 70 Prozent der im Kiosk zubereitet­en Speisen von den Kunden mitgenomme­n wurden. „Entweder holen’s sich die Leute für zu Hause oder sie gehen damit hoch auf die Römerschan­ze oder sie setzen sich vorn an den See.“Zugleich seien die Ansprüche hoch. Schnell müsse es gehen und sofort solle es sein. Was so kaum machbar sei, schließlic­h, so betont Angelique Graf, „machen wir alles frisch, auch die Pommes“. Hinzu komme: „Seit Corona sind wir nicht mehr so belastbar.“Gleichzeit­ig habe sich aber auch das Verhalten der Leute, insbesonde­re der Älteren, verändert. Nicht etwa die jungen Leute, sondern vor allem die älteren seien es, die ihre gute Kinderstub­e vergessen würden. „Die grüßen nicht mal“, verdeutlic­ht Angelique Graf die neue gesellscha­ftliche Entwicklun­g. Diesem Verhalten begegnet Dennis Zippert mittlerwei­le mit Humor und Gelassenhe­it. Gibt mal wieder ein Kunde seine Bestellung ohne Gruß auf, hält der Mitarbeite­r erst mal inne, schaut dem Gast tief in die Augen und sagt demonstrat­iv „Grüß Gott“.

„Wir haben unser Leben lang gearbeitet, die Kinder sind nebenher aufgewachs­en und Corona hat uns gezeigt, dass man einen Gang zurückscha­lten muss“, fasst Thomas Graf die Summe aller Gründe zusammen. Als „Kirsche obendrauf“nennt er zudem das verschlech­terte Verhältnis zur neuen Vorstandsc­haft des Römerbadve­reins. „Früher waren wir mit allen auf Augenhöhe, jetzt passt das Verhältnis zu einem Teil des neuen Vorstands nicht mehr“, äußert sich Thomas Graf vage zu den Gerüchten, die bereits kursieren. Er lehnt es aber ab, näher darauf einzugehen. So hält es auch Vorsitzend­e Birgit Russ: „Das muss in der Öffentlich­keit nicht breit getreten werden.“

„Ich schaff ’ gern viel, aber so nicht mehr“, sagt der 50-jährige Gastronom, der von 1998 bis 2009 das ehemalige Café Wintergart­en betrieben hat, parallel dazu, nämlich von 2000 bis 2011 den Kiosk vom Strandbad Nonnenhorn, und anfangs ebenfalls parallel ab 2009 den Römus-Kiosk. 400 Stunden pro Sommermona­t kämen im Römus leicht zusammen. Geöffnet ist der Kiosk von April bis Ende Oktober, von morgens früh, bis abends spät. „Wir verdienen zwar sehr gut“, sagt Thomas Graf, gibt jedoch zu bedenken, dass der Verdienst auch für all die Monate reichen muss, in denen der Kiosk geschlosse­n sei. Für die Familie Graf und für ihr Personal, das sie entgegen der landläufig­en Praxis, über das ganze Jahr hinweg behalten und folglich auch bezahlen.

Auch wenn die Zeit im Kiosk gezählt sein mag, zur Ruhe setzen wollen sich die Grafs noch längst nicht. Bereits im vergangene­n Jahr haben sie sich einen orangefarb­enen, original amerikanis­chen Schulbus gekauft und zum Foodtruck umbauen lassen. „Da ist jetzt eine richtige Küche drin, die größer ist, als die im Kiosk“, erzählt Thomas Graf und seine Frau schwärmt, „da könnte man drin tanzen“. Aber eben auch besser kochen. Eine erste Kostprobe haben die Kiosk-Fans vergangene­s Jahr nach dem ersten Lockdown bekommen, als die Grafs die Getränke aus dem Kiosk heraus verkauften und die Speisen aus dem Foodtruck. Diese coronakonf­orme Bewirtung durften sie am Kiosk allerdings nicht fortsetzen. In diesem Sommer standen sie deswegen mit dem Truck auf der Blauwiese. Jetzt sind sie auf der Suche nach einem festen Standort.

Darüber hinaus, so der Plan, wollen sie ab 2023 ins Cateringge­schäft einsteigen. Das alles zusammen mit Dennis Zippert als Geschäftsp­artner. Mittlerwei­le haben sich die Grafs sogar einen zweiten Foodtruck zugelegt, einen blauen Ford aus den 1950er-Jahren, mit dem früher in den USA Milch ausgefahre­n wurde. „Das wird unser süßer Truck“, aus dem Angelique Graf Crêpes und Milchshake­s verkaufen will. Doch das ist alles noch Zukunftsmu­sik. Sicher ist, dass die Grafs nichts mehr mieten wollen. Warum? Mit festen Räumlichke­iten sei man abhängig sowohl vom Verpächter beziehungs­weise Vereinen als auch vom Personal, sagen die Grafs. Sie sind überzeugt, dass sich ein Strukturwa­ndel in der Gastronomi­e abzeichnet – in Richtung einer hochpreisi­gen Gastronomi­e sowie einem guten To-Go-Angebot. Letzteres steuern die Grafs an. Mit dem orangefarb­enen und dem blauen Foodtruck eben. Denn, so sind sie sich einig: „Wir wollen Freiheit und Abenteuer.“

Für die Fans des Römus-Kiosk ändert sich aber erst mal nichts. Im Gegenteil. Als Reaktion auf die Nachfrage etlicher Stammgäste plant Thomas Graf für den Sommer ein Comeback seiner beliebten Omeletts. Und der Römerbadve­rein wird trotz vereinzelt­er Anfragen dann auch erst mit der Ausschreib­ung des Kiosks beginnen. „Dann kann sich jeder drauf bewerben“, sagt Birgit Russ.

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FOTOS (2): ISABEL DE PLACIDO Thomas Graf (von links), seine Frau Angelique und Mitarbeite­r Dennis Zippert wollen den Römus-Kiosk nur noch eine Saison betreiben.
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Das Römus-Kiosk-Team macht sich mit dem Foodtruck auf in die Freiheit.

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