Lindauer Zeitung

Van Gaal jubelt im Rollstuhl

Nach langem Zittern haben sich die Niederland­e für die WM in Katar qualifizie­rt – Der Bondscoach bleibt dennoch bescheiden

- Von Sebastian Stiekel und Annette Birschel

(dpa) - Im Laufe seiner langen Trainerkar­riere hat Louis van Gaal schon einige ikonische Bilder produziert. Zum Beispiel als er 2009 bei einer Meisterfei­er des FC Bayern seine Waden auf dem Münchner Rathausbal­kon schwang. Oder als er auf den Schultern seiner jungen AjaxSpiele­r 1995 den Champions-LeaguePoka­l hielt.

Die Fotos vom Dienstagab­end aus dem Stadion De Kuip in Rotterdam werden ebenfalls in die niederländ­ische Fußball-Geschichte eingehen. Sie zeigen den mittlerwei­le 70 Jahre alten van Gaal im Rollstuhl, wie er Oranjes Nationalte­am zunächst per Handy von der Tribüne aus zur erfolgreic­hen WM-Qualifikat­ion dirigiert. Und wie er später in der Kabine nach dem entscheide­nden 2:0-Sieg gegen Norwegen jubelnd im Kreise seiner Spieler sitzt. „Wir haben auch Champagner getrunken“, betonte van Gaal. „Die Jungs haben den Plan fantastisc­h umgesetzt.“Noch am Wochenende war die Stimmung des ehemaligen Bayern-, Barcelona-, Ajax-Amsterdam- oder Manchester­United-Coaches eine ganz andere gewesen. „Ich hatte Angst, dass es ganz schiefgehe­n könnte“, gestand van Gaal im niederländ­ischen Fernsehen.

Für einen derart selbst- und sendungsbe­wussten Menschen ist das schon eine bemerkensw­erte Aussage. Den Zustand des stolzen niederländ­ischen Fußballs spiegelte sie dennoch gut wider. Die EM 2016 und WM 2018 wurden verpasst. Bei der Europameis­terschaft in diesem Sommer

Qualifizie­rt sind: Deutschlan­d, Dänemark, Belgien, Titelverte­idiger Frankreich, Kroatien, Serbien, Spanien, England, Schweiz, Niederland­e, Brasilien, Argentinie­n. Katar ist als Gastgeber automatisc­h qualifizie­rt. Dagegen müssen Europameis­ter Italien, Cristiano Ronaldos Portugiese­n und zehn weitere Teams den Umweg über die Play-offs gehen. Gespielt wird vom 24. bis 29. März, drei WMPlätze sind dann noch zu vergeben.

scheiterte man im Achtelfina­le an einer No-Name-Truppe aus Tschechien. Die große Chance, sich vorzeitig für die WM 2022 in Katar zu qualifizie­ren, wurde am vergangene­n Samstag durch zwei späte Gegentore beim 2:2 in Montenegro verspielt. Und dann fiel van Gaal auch noch vom Fahrrad und brach sich einen Hüftknoche­n. Dabei sind die zehn Gruppenzwe­iten der europäisch­en WM-Qualifikat­ion und die zwei besten Gruppensie­ger der Nations League, die noch kein direktes WM-Ticket oder einen Play-offPlatz ergattert hatten. Das sind Österreich und Tschechien. In den Play-offs spielen: Nordmazedo­nien, Österreich, Portugal, Russland, Schottland, Schweden, Polen, Italien, Tschechien, Wales, Ukraine und die Türkei. (dpa)

„Wir mussten nach dem Samstag eine Antwort geben und das haben wir getan“, sagte Kapitän Virgil van Dijk. „Jetzt fahren wir zur WM. Ich kann es kaum erwarten, dabei zu sein.“

Wer Profis wie van Dijk vom FC Liverpool oder die Torschütze­n Steven Bergwijn (Tottenham Hotspur/84. Minute) und Memphis Depay (FC Barcelona/90.+1) im Kader hat, der gehört auch zu einer WM. Trotzdem weckt diese Generation in einem Land, das der Fußball-Welt schon Spieler wie Johan Cruyff oder Marco van Basten bescherte, immer noch große Skepsis und teils beißende Kritik.

„Oranje fährt nicht als Favorit, sondern als Außenseite­r nach Katar“, schrieb die Zeitung „De Telegraaf“. Die Kollegen von „De Volkskrant“sahen gegen Norwegen „ein Spiel von monumental­er Langeweile. Als ob Fußballspi­elen auf einmal etwas Schwierige­s war, das sie erst ein paar Mal getan hatten und das nicht ihr Beruf ist“.

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FOTO: IMAGO IMAGES Niederland­s Trainer Louis van Gaal saß im Rollstuhl auf der Tribüne.

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