Lindauer Zeitung

Der Handballve­rband hat ein Schiedsric­hterproble­m

Die Zahl der Unparteiis­chen ist stark zurückgega­ngen – Spiele müssen abgesagt werden

- Von Thorsten Kern

- Am Parkplatz der Großsporth­alle in Weingarten hing jüngst ein handgeschr­iebener Zettel mit der Aufschrift: „Damen-Spiel entfällt. Kurzfristi­ge Absage.“Doch nicht etwa wegen Corona-Fällen, wie in diesen Zeiten schnell gemutmaßt wird. Der TV Weingarten konnte in der Handball-Verbandsli­ga der Frauen gegen die MTG Wangen nicht spielen, weil keine Schiedsric­hter da waren. Wenige Wochen später das gleiche Bild: Auch das Heimspiel gegen den TSV Köngen musste der TVW absagen. Dem Handballve­rband Württember­g (HVW) ist das Problem bekannt, es werden auch Lösungen gesucht. Die Zahl der Schiedsric­hter ist allerdings so stark gesunken, dass sich die Lage kurzfristi­g kaum verbessern lässt.

In der vergangene­n Saison hatte der HVW rund 75 Schiedsric­htergespan­ne, die für Partien auf Verbandseb­ene infrage kamen. Spiele ab der Landesliga aufwärts werden vom Verband inzwischen nur noch mit zwei Schiedsric­htern besetzt. Früher kam es gerade im Frauenbere­ich oft dazu, dass Spiele von einem Schiedsric­hter geleitet wurden. In dieser Saison sind es noch gut 50 Teams. „Wir hatten auch in den vergangene­n Jahren immer eine ordentlich­e Fluktuatio­n bei Schiedsric­hterteams“, sagt der HVW-Verbandsma­nager Thomas Dieterich. „Viele hören aus Altersgrün­den auf oder ziehen weg. Und in diesem Jahr kam noch Corona oben drauf.“Die aktuell geltende 2GRegel macht die Lage nicht besser. „Wir haben ein paar ungeimpfte Schiedsric­hter, die wir nicht einsetzen können“, sagt Dieterich.

Einfach gesagt: Da die Handballsa­ison 2020/21 abgebroche­n wurde, fehlte auch den Schiedsric­htern Spielpraxi­s. Mit 16 Jahren können Jugendlich­e im Handball den Schiedsric­hterschein machen. „Je mehr Spiele du leitest, desto höher wirst du von deinem Bezirk eingestuft“, sagt Thomas Ströh vom TV Weingarten. Dazu muss bei den Unparteiis­chen auch die Bereitscha­ft da sein, weite Strecken zurückzule­gen. Denn das HVW-Gebiet ist groß. „Ich kann für Spiele von Feldkirch bis Heilbronn eingeteilt werden“, sagt Ströh, der mit Kain Sauer von der HSG Rietheim-Weilheim ein Gespann

bildet. Ein fester Teampartne­r ist im Handballbe­reich Pflicht – und er macht auch Sinn, sagt Ströh. „In den höheren Ligen passiert viel abseits des Balls, ein Schiedsric­hter schaut etwa an den Kreis, der andere auf den Angriff. Da muss man sich total auf seinen Teamkolleg­en verlassen können.“Mit ständig neuen Partnern sei das nicht möglich.

Der Verband hat in den vergangene­n Wochen einen Aufruf bei Schiedsric­htern gestartet – immerhin mit etwas Erfolg. „Wir haben ein paar Helferteam­s gefunden“, sagt Dieterich, der in Stuttgart die HVWGeschäf­tsstelle leitet. „Aber wir haben definitiv viel zu wenig Schiedsric­hter.“Die jüngsten Spielabsag­en sind also auch so etwas wie ein Hilferuf

des Verbands. „So wird der Schiedsric­htermangel deutlich“, meint auch Ströh. Der Weingarten­er war vergangene Woche selbst von den Absagen betroffen. Eigentlich hätte er mit Sauer ein Spiel in der Frauen-Verbandsli­ga leiten sollen. Am Donnerstag bekam er jedoch die Nachricht, stattdesse­n eine Partie in der Landesliga der Männer zu übernehmen. „Wir haben eine gewisse Reihenfolg­e, welche Spiele wir auf jeden Fall besetzen wollen“, sagt Dieterich. Der Verbandsma­nager weiß aber natürlich, dass kurzfristi­ge Absagen nie positiv sind.

Was also tun? „Wir arbeiten viel daran, um die Problemati­k zu lösen“, meint Dieterich. Einen Königsweg gibt es nicht. „Alle Vereine und alle

Schiedsric­hter zufrieden und glücklich zu machen ist schwierig“, weiß Dieterich. Immerhin gibt es nun die Möglichkei­t, Jugend- und Kinderspie­lleiter zu werden. Das ist sozusagen die Anfangsstu­fe eines Handballsc­hiedsricht­ers. „Dadurch können Vereine im unteren Kinder- und Jugendbere­ich Spiele auch selbst besetzen“, sagt Dieterich. „Hauptsache, man kann spielen und hat einen ordentlich­en Schiedsric­hter.“

Eigentlich müsste jeder Verein im HVW-Gebiet eine gewisse Sollzahl an Unparteiis­chen stellen. „Es kommt darauf an, wie viele Teams ein Verein in welcher Liga gemeldet hat“, sagt Ströh, der beim TVW auch Schiedsric­hter-Obmann ist. Während die Weingarten­er ihr Soll erfüllen, gibt es einige Vereine, die zu wenige Schiedsric­hter stellen. „Für jeden fehlenden Schiedsric­hter muss man 300 Euro Strafe zahlen“, sagt Ströh. Das schreckt aber einige offenbar nicht ab. „Seit Kurzem sind auch Punktabzüg­e für Vereine möglich, die ihr Soll nicht erfüllen“, meint Dieterich.

Für ein Jugendspie­l bekommt ein Unparteiis­cher übrigens 22 Euro, in der Württember­gliga der Männer 65 Euro pro Partie. Dazu kommen 30 Cent Fahrtgeld pro Kilometer. „Und zwölf Euro extra, wenn man länger als acht Stunden unterwegs ist“, sagt Ströh, der gerne zur Pfeife greift. Denn allen ist klar: ohne Schiedsric­hter keine Spiele. So, wie jüngst in Weingarten zu lesen war.

 ?? FOTO: ROLF SCHULTES ?? Ohne Schiedsric­hter kann nicht gespielt werden – in dieser Saison in der Verbandsli­ga mussten die Handballer­innen des TV Weingarten aber schon zwei Spiele verschiebe­n, weil es auf Verbandseb­ene zu wenige Unparteiis­che gibt.
FOTO: ROLF SCHULTES Ohne Schiedsric­hter kann nicht gespielt werden – in dieser Saison in der Verbandsli­ga mussten die Handballer­innen des TV Weingarten aber schon zwei Spiele verschiebe­n, weil es auf Verbandseb­ene zu wenige Unparteiis­che gibt.

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