Es darf nicht um Parteitaktik gehen
Bis zu 400 Corona-Tote pro Tag prophezeit Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts, für die kommenden Wochen. Diese Zahl sei unvermeidbar, weil 0,8 Prozent der heute als infiziert Gemeldeten todgeweiht sind. Das wären fast 50 000 Tote bis zum Frühlingsanfang – zusätzlich zu den fast 100 000, die in Deutschland seit Beginn der Pandemie bereits an oder mit Corona gestorben sind. Wenn nicht massiv gegengesteuert wird.
Nach quälend langen Wochen zeigt die Politik nun, dass sie bereit ist zu handeln. Endlich. Aber spät. Denn statt die noch geltende epidemische Notlage von nationaler Tragweite zu nutzen, um die vierte Welle bereits am Anfang mit einem harten Schnitt zu brechen, haben sowohl die künftige Koalition als auch die geschäftsführende Regierung versagt.
Die Ampel-Parteien SPD und Grüne haben sich dem FDP-Versprechen ergeben, die epidemische Lage mit ihren Durchgriffsrechten zu beenden und künftig die Parlamente über Corona-Einschränkungen entscheiden zu lassen. Wie sich herausgestellt hat, brauchte der Bundestag aber Wochen, um das neue Gesetz zustande zu bringen, während die Inzidenzen in die Höhe schossen.
Und die geschäftsführende Bundesregierung? Sie legte mehr oder weniger die Hände in den Schoß. Obwohl sie es ist, die bis zur Bildung einer Nachfolgeregierung für das Funktionieren des Staates zuständig ist. Erst beendete sie die kostenlosen Bürgertests, dann sinnierte Gesundheitsminister Jens Spahn darüber, die epidemische Lage könne nun beendet werden – genau das, was seine Union danach so vehement bekämpfte. Angesichts der außer Kontrolle geratenden Corona-Lage hinterlässt die Regierung Merkel ihren Nachfolgern eine enorme Hypothek.
Aber diese Pandemie ist kein parteitaktisches Spiel. Hier geht es um Menschenleben, um die Würde jedes Bürgers, dem Parlament und Regierung verpflichtet sind. Daran sollten alle denken, wenn die nächsten Entscheidungen anstehen.