Lindauer Zeitung

„Mehr betroffene Menschen zeigen“

Kommunikat­ionsexpert­e Alexander Ort erklärt, wie Ungeimpfte erreicht werden können

- Von Julia Horn

- Die Impfung gegen Corona schützt zuverlässi­g vor schweren Krankheits­verläufen. Trotzdem schrecken manche Menschen vor dem Piks zurück. Nach wie vor ist fast ein Drittel der Deutschen nicht geimpft. Das kann verschiede­ne Gründe haben, erklärt Alexander Ort, Experte für Gesundheit­skommunika­tion an der Universitä­t Luzern in der Schweiz. Ein Gespräch über die Kommuikati­onsstrateg­ie der Bundesregi­erung, Sprachbarr­ieren und die Wirkung von Bildern.

Herr Ort, macht die Regierung in Sachen Impfkommun­ikation einen guten Job?

Ja, prinzipiel­l schon. Sie versucht, breit zu kommunizie­ren, also alle Menschen zu erreichen. Dabei setzt sie auf Informatio­nsvermittl­ung, indem sie beispielsw­eise erklärt, dass die Impfung wirksam ist und warum. Außerdem appelliert sie an das Verantwort­ungsgefühl der Deutschen. Bei immerhin zwei Dritteln der Gesellscha­ft hat das gut funktionie­rt.

Und was ist mit dem Rest? diese Menschen mitmilfe von externen Anreizen zu überzeugen. Das geschieht zum Beispiel durch die Erhöhung der finanziell­en oder sozialen Kosten. Indem die Teilnahme an Events erschwert wird, erhöht sich der Druck auf die Gruppe.

Ist das Ihrer Meinung nach eine gute Strategie? Diese Maßnahmen mögen sicherlich eine gewisse Wirkung haben. Ich glaube aber nicht, dass das der richtige Weg ist, um den Großteil der Ungeimpfte­n zu erreichen. Es besteht die Gefahr, dass sich die Gruppe noch mehr in ihrer Entscheidu­ngsfreihei­t eingeschrä­nkt fühlt. Das führt zu Frustratio­n und Ärger und kann den Widerstand gegenüber einer Impfung erhöhen. Nach dem Motto: „Jetzt erst recht nicht.“

Was also tun?

Aus der Forschung im Bereich Krankheits­prävention weiß man, dass Menschen ein Gesundheit­srisiko erkennen müssen, um zu handeln. Wir kennen das aus der Raucherprä­vention. Da werden zum Beispiel Bilder von Raucherlun­gen gezeigt.

Also mehr Bilder von vollen Intensivst­ationen oder Patienten mit Beatmungsg­eräten zeigen?

Das könnte schon sinnvoll sein, um die Relevanz einer Impfung zu unterstrei­chen. Vielleicht wäre es auch gut, mehr betroffene Menschen zu zeigen. Auch junge Leute, die an Post Covid leiden. Eines ist klar: Die Kommunikat­ionsstrate­gie muss diverser werden, um mehr ungeimpfte Menschen zu erreichen.

Was sind das eigentlich für Menschen? Querdenker?

Nein, das sind ganz unterschie­dliche Gruppen. Es gibt zum Beispiel diejenigen, die nicht wissen oder verstehen, wie wissenscha­ftlicher Erkenntnis­gewinn funktionie­rt. Wenn sich dann Informatio­nen ändern, wie wir das etwa beim Tragen von Masken am Anfang der Pandemie gesehen haben, führt das zu Verunsiche­rung. Hier könnte man ansetzen: Es bräuchte mehr Aufklärung darüber, wie Wissenscha­ft funktionie­rt.

Sind Sprachbarr­ieren auch ein Problem?

Ja, natürlich. Bestimmte Gruppen verstehen die Informatio­nen einfach nicht. In diesem Fall ist es ratsam, in die sozialen Milieus hineinzuge­hen und dort mit sogenannte­n Multiplika­toren zu arbeiten. Das sind angesehene Personen innerhalb einer Gruppe, denen von der Gemeinscha­ft eine hohe Glaubwürdi­gkeit zugeschrie­ben wird. Das können zum Beispiel Imame oder Rabbiner sein.

Und was ist mit Corona-Leugnern, die an Fake News glauben? Gibt es überhaupt noch eine Chance, sie zu überzeugen?

Das ist eine gute Frage. Diese Menschen fühlen sich an den Rand gestellt, sie finden Bestätigun­g nur noch bei Gleichgesi­nnten. Es dürfte schwer sein, sie aus der grundsätzl­ich ablehnende­n Haltung herauszuho­len. Ich weiß nicht, ob man das durch Kommunikat­ion schafft. Vielleicht braucht es hier eher persönlich­e Erfahrunge­n. Spätestens, wenn man selbst in Kontakt mit der Krankheit und ihren Folgen kommt, sollte die Sinnhaftig­keit einer Impfung klar werden.

 ?? FOTO: UNI HOHENHEIM ?? Alexander Ort
FOTO: UNI HOHENHEIM Alexander Ort

Newspapers in German

Newspapers from Germany