Keiner feiert mehr
Veranstaltungsbranche spürt die erneut hohen Corona-Inzidenzen mit voller Wucht – Der Frust ist groß
- Parallel zum Anstieg der Inzidenzen, prasseln auf Björn Schindler in diesen Tagen die Absagen ein. Schindler ist Geschäftsführer des Eventausstatters Party Rent in Stuttgart. Sein Unternehmen vermietet Dekorationen, Lampen, Bühnen, Barhocker, -stühle und Geschirr – beispielsweise für Hochzeiten, Messen oder betriebliche Weihnachtsfeiern.
Doch derzeit würden viele Kunden „aus Vorsicht absagen“, sagt Schindler. Vor allem Weihnachtsfeiern werden gecancelt. „Kein Unternehmen will, dass seine Veranstaltung am Ende als SuperspreaderEvent dasteht“, sagt der Geschäftsführer, der sich auch bei dem im Lockdown gegründeten und die Veranstaltungswirtschaft repräsentierenden Bündnis Alarmstufe Rot engagiert.
Ein offizielles Veranstaltungsverbot gibt es hierzulande zwar nicht, aber das Robert-Koch-Institut und die Bundesregierung empfehlen auf die Durchführung von Großveranstaltungen zu verzichten. Die in Baden-Württemberg neu geltende 2GRegelung würde zusätzlich die Veranstalter abschrecken, sagt Schindler.
Die sogenannte Alarmstufe gilt seit Mittwoch: Sowohl bei öffentlichen oder betrieblichen Events, aber auch bei Privatfeiern sind nur Geimpfte und Genesene zugelassen. „Und da schrecken die Unternehmen dann eher zurück, beispielsweise eine Weihnachtsfeier zu veranstalten, weil sie eine Spaltung zwischen Geimpften und Ungeimpften fürchten“, sagt Schindler.
Für die Veranstaltungsbranche bedeuten die derzeitigen Absagen erneut hohe Umsatzeinbußen. Allein in dieser Woche habe sein Unternehmen Stornierungen für Veranstaltungen kassiert, die – hätten sie stattgefunden – Umsätze von 50 000 Euro eingebracht hätten, berichtet Schindler. „Im Vergleich zum November 2019 verzeichnen wir in diesem Monat ein Umsatzminus von fast 60 Prozent.“Für Dezember rechne er mit einem Minus von mindestens 80 Prozent.
„In den zwanzig Monaten faktischem Lockdown beträgt der Umsatzverlust allein für die Konzert-, Tournee- und Festival-Veranstalter bis Ende des vergangenen Jahres bereits rund 3,5 Millarden Euro“, sagt der geschäftsführende Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, Jens Michow.
Bis Ende 2021 werde sich dieser Umsatzverlust auf 8,5 Milliarden Euro addieren, prognostiziert er. Der Verband warnt vor einem „Todesstoß“für die Branche.
Der Veranstalter und Tickethändler CTS Eventim stellte am Donnerstag aktuelle Geschäftszahlen vor. Die Umsätze des Unternehmens waren von fast 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2019 auf nur noch eine viertel Milliarde Euro im vergangenen Jahr geschrumpft, da Konzerte und Veranstaltungen stark eingeschränkt wurden. Die Geschäfte des Unternehmens hatten sich zuletzt zwar erholt, werden aber nun mit der grassierenden vierten Welle wieder deutlich eingetrübt.
„Es droht ein enormer wirtschaftlicher Schaden für die Veranstaltungswirtschaft“, sagt Timo Feuerbach, Geschäftsführer des Europäischen Verbands der VeranstaltungsCentren. „Mehr als eine Million Erwerbstätige verlieren jegliche Perspektive.“Der Branche würden mehr und mehr gut ausgebildete Arbeitskräfte verloren gehen.
Björn Schindler von Party Rent Stuttgart berichtet, dass von seinen 60 Mitarbeitern, die er zu Beginn der Pandemie beschäftigt hatte, jetzt nur noch 45 übrig seien. Für die müsse die Kurzarbeit nun wieder aufgestockt werden. Viele Kollegen und auch Unternehmer – vor allem Soloselbstständige – hätten der Branche den Rücken gekehrt. Ob sie jemals wieder zurückgewonnen werden könnten, sei fraglich.
Schindlers Unternehmen leide durchgängig seit Beginn der Pandemie und habe zu keinem Zeitpunkt an die Vor-Corona-Umsätze anknüpfen können. Selbst im vergangenen Sommer, als die Inzidenzen niedrig waren, seien größere Veranstaltungen nur schleppend angelaufen.
Mit Einführung der 2G-Regelung sind Besuche von Fitnessstudios, Veranstaltungen sowie Restaurant- und Theaterbesuche für Nichtgeimpfte vorerst nicht mehr möglich. Sie haben nach Angaben der Verbraucherzentrale Bremen auch nicht das Recht, ihr Geld zurückzuverlangen, wenn der Besuch unter Berücksichtigung der 2GRegelung stattfinden kann. (dpa) Dann hätten zusätzlich noch die hohen Diesel- und Benzinpreise den betriebeseigenen Fuhrpark belastet. „Es fällt mir als Unternehmer schwer, immer wieder aufzustehen“, sagt Schindler.
Viele Unternehmen der Branche tragen sich seit Langem allein durch Rücklagen, die staatlichen Überbrückungshilfen und das Instrument der Kurzarbeit. Digitale Veranstaltungen seien zumindest für Party Rent Stuttgart keine Möglichkeit, die Umsatzverluste aufzufangen.
Deswegen sei es sehr wichtig und richtig, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), die Länder und nach einem aktuellen Bericht des „Handelsblatts“auch die Ampel um Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ihre Bereitschaft erklärt haben, dass die Beantragung der Corona-Überbrückungshilfe III Plus bis Ende März 2022 möglich sein soll. Von der Politik wünscht sich Björn Schindler aber zusätzlich auch eine andere Kommunikation. „Veranstaltungen wurden oft pauschal von der Politik als Superspreader-Events verurteilt“. Mit Blick auf die laut Schindler sehr gut durchdachten Hygienekonzepte, die seine Kollegen in der Branche ausgearbeitet hätten, sei das „total schlimm“.