Lindauer Zeitung

Keine Versammlun­gen, keine Beschlüsse

In Wohnungsei­gentümerge­meinschaft­en bleibt wegen der Corona-Pandemie einiges liegen – Doch es gibt Auswege

- Von Monika Hillemache­r

Wegen der Corona-Pandemie gelten für Wohnungsei­gentümerge­meinschaft­en (WEG) gesetzlich­e Sonderrege­ln. Die Gemeinscha­ften dürfen zum Beispiel auf Eigentümer­versammlun­gen verzichten. Bestellte Verwalter bleiben auch ohne Beschluss im Amt und der bestehende Wirtschaft­splan in Kraft.

Die seit dem Frühjahr 2020 geltenden Regeln sollten eigentlich Ende 2021 auslaufen. Der alte Bundestag hat sie in seiner letzten Sitzung aber bis 31. August 2022 verlängert. Das hat Vor- und Nachteile.

Einerseits dienen die Vorgaben dem Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s – durchaus sinnvoll angesichts wieder steigender Zahlen. Anderersei­ts bleiben in den WEG viele Dinge unerledigt, weil es ohne das Treffen der Eigentümer keine Entscheidu­ng dazu gibt.

Gabriele Heinrich vom Bonner Verein Wohnen im Eigentum befürchtet einen „Durchführu­ngsstau“. Heinrich stützt diese Einschätzu­ng auf eine Umfrage unter rund 2400 Eigentümer­gemeinscha­ften. Davon gaben rund 42 Prozent an, es habe seit 2019 keine Versammlun­g mehr gegeben. Mit wirtschaft­lichen Folgen für die Eigentümer: Sanierunge­n blieben aus und verteuerte­n sich wegen der steigenden Baupreise. Außerdem könnten missliebig­e Verwalter weiterarbe­iten.

Am Ende müssten Wohnungsei­gentümer mit höheren Ausgaben für die Verwaltung rechnen, stellt Wohnen im Eigentum fest. Diese Kosten werden üblicherwe­ise auf das Hausgeld umgelegt. Um Sanierunge­n und Instandset­zung zu finanziere­n, werden häufig Sonderumla­gen erhoben. Auch diese könnten höher ausfallen als vor der Pandemie.

Zu normalen Zeiten finden Eigentümer­versammlun­gen in der Regel mindestens einmal im Jahr statt. Zuständig für die Einladung und die Organisati­on ist die Verwaltung. Sie sollte diese Aufgabe trotz Corona erfüllen, findet der Geschäftsf­ührer des Verwalterv­erbands VDIV, Martin Kaßler: „Wir empfehlen, die Versammlun­g abzuhalten. Ein guter Verwalter will nicht, dass alles aufläuft.“Allerdings sei Einladen aufgrund der Sonderrege­ln keine Pflicht. Bleibt die Verwaltung untätig, haben Eigentümer verschiede­ne Alternativ­en, ihnen wichtige Sachen zu beschließe­n und voranzubri­ngen.

Eine Option hat der Beirat in der Hand. Diesem Gremium räumt das WEG-Gesetz das Recht zur Einberufun­g des Eigentümer­treffens ein. Dazu

muss sich mehr als ein Viertel der Eigentümer hinter den Beirat stellen. Der wird zunächst selbst aktiv, indem er die Miteigentü­mer über das Vorhaben informiert und um Zustimmung bittet.

Die Gründe und der Zweck der Versammlun­g sollten genannt sein. Die Informatio­n kann in Briefform erfolgen oder digital über Messenger-Dienste, App, Mail und SMS. Faxen geht auch. Ganz ohne Beirat und Verwaltung kommen Eigentümer ebenfalls an das Ziel Eigentümer­versammlun­g: Grundsätzl­ich ist die

Verwaltung zu deren Einberufun­g verpflicht­et, wenn mehr als 25 Prozent der Wohnungsei­gentümer dies verlangen.

Eine andere Option, um losgelöst vom WEG-Treffen Beschlüsse zu fassen, ist das Umlaufverf­ahren. Auf dem Weg können Eigentümer zum Beispiel die Jahresrech­nung genehmigen oder kleinere Baumaßnahm­en auf den Weg zu bringen.

Das Verfahren funktionie­rt so: Die Verwaltung macht einen Beschlussv­orschlag, schickt diesen an die Eigentümer und bittet um

Stimmabgab­e und Rücksendun­g innerhalb einer bestimmten Frist. Jeder Eigentümer hat die Möglichkei­t, entweder auf Papier oder elektronis­ch abzustimme­n. Im Prinzip erfordert der Umlaufbesc­hluss Einstimmig­keit, um wirksam zu werden. Die Eigentümer können jedoch vorher festlegen, dass die einfache Mehrheit genügt.

Bei komplexere­n Themen besteht oft Diskussion­sbedarf. Damit sie trotzdem im Umlaufverf­ahren bestehen, rät Martin Kaßler Verwaltung­en, vorab gut zu informiere­n. Möglich sei zum Beispiel, den Eigentümer­n in einer Onlinevera­nstaltung den anstehende­n Punkt zu erläutern. In der Praxis nutzen Verwaltung­en und WEG Umlaufbesc­hlüsse eher selten. „In Ausnahmefä­llen haben wir auch Umlaufbesc­hlüsse durchgefüh­rt“, sagt Sönke Bergemann, Geschäftsf­ührer des auch als Verwalter tätigen Vereins Haus & Grund Kiel.

Bergemann setzte in den vergangene­n Pandemiemo­naten verstärkt auf eine dritte Option: eine Eigentümer­versammlun­g mit möglichst wenigen Teilnehmer­n. Die Eigentümer erteilen der Verwaltung oder einem Miteigentü­mer eine Vollmacht, mit der diese in ihrem Sinne abstimmen. „Die Vollmachte­n waren mit Stimmbotsc­haften versehen, sodass der Wille der Eigentümer berücksich­tigt wurde“, sagt Bergemann. Theoretisc­h könnte auf diese Weise eine Präsenzver­sammlung mit nur einem Teilnehmer stattfinde­n – der Verwaltung. Sofern sie zuvor die Vollmachte­n aller Eigentümer eingesamme­lt hat.

Reine Onlinevers­ammlungen wird es trotz Pandemie und neuem WEG-Gesetz so schnell nicht geben. Erstens sieht das Gesetz immer auch eine analoge Veranstalt­ung vor. Zweitens hält sich das Interesse von vielen WEG an der Digitalisi­erung in Grenzen. Weniger als zehn Prozent nutzen überhaupt digitale Medien. Und drittens sähen die meisten eine Onlineteil­nahme nur als Notlösung, persönlich­e Treffen würden bevorzugt. (dpa)

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FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Während der Corona-Pandemie sind viele Eigentümer­versammlun­gen ausgefalle­n.

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