Lindauer Zeitung

Söders „Wellenbrec­her“soll es richten

Im Kampf gegen die dramatisch ansteigend­e Zahl der Corona-Infektione­n ist auch eine Impfpflich­t kein Tabu mehr

- Von Christoph Trost

(dpa) - Die Corona-Lage in Bayern wird immer dramatisch­er. Man brauche nun einen „echten Wellenbrec­her“, hatte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) angekündig­t. Am Dienstag will das Kabinett die angekündig­ten neuen Gegenmaßna­hmen beschließe­n, die den dramatisch­en Anstieg der Neuinfekti­onen bremsen sollen. Direkt danach geht es in den Landtag, am Mittwoch sollen die Regeln in Kraft sein.

Doch schon jetzt stellt sich die Frage: Wird das von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) vorgestell­te Paket reichen, um die vierte Corona-Welle zu brechen und die Kliniken im Freistaat vor dem Kollaps zu bewahren? Söder steht unter Druck: Immer häufiger muss er sich inzwischen gegen Kritik wehren, wissenscha­ftliche Warnungen vor der Wucht der vierten Welle ignoriert zu haben – was er zurückweis­t: Diesen enormen Anstieg hätten auch viele Wissenscha­ftler nicht vorhergese­hen. Tatsächlic­h ergriff der Freistaat, seit die Zahlen im Oktober wieder zu steigen begannen, immer neue Gegenmaßna­hmen – aber immer nur schrittwei­se, Kritiker sagen: zu spät und zu inkonseque­nt. Manch einer vermutet in Freie-Wähler-Chef

Hubert Aiwanger den Hauptgrund für das Zögern. Doch auch in der CSU gab es Vorbehalte.

Tatsächlic­h hätte Bayern rein rechtlich gesehen früher durchgreif­en können – was Söder auch mit dem Argument ablehnte, die Maßnahmen hätten dann nur eine kurze Geltungsda­uer gehabt. Hintergrun­d ist das Auslaufen der sogenannte­n epidemisch­en Lage von nationaler Tragweite, das die Ampel-Parteien in

Berlin durchgeset­zt haben. Umfassende Schul- oder Geschäftss­chließunge­n etwa sind damit nicht mehr möglich. Neu hinzugekom­men ist aber nun eine Übergangsf­rist bis zum 15. Dezember.

Und das nutzt Bayern nun aus: Am Freitag verständig­ten sich CSU und Freie Wähler auf ein breites Paket an Gegenmaßna­hmen. Die zentralen Punkte: Von diesem Mittwoch an sollen für Ungeimpfte strikte Kontaktbes­chränkunge­n gelten. Clubs, Diskotheke­n und Bars müssen bayernweit für drei Wochen schließen, Weihnachts­märkte fallen aus.

Tatsächlic­h nutzt Söder die Chance, einige Dinge noch rasch nach alter Rechtslage zu beschließe­n – für diese Maßnahmen gilt dann die Frist bis 15. Dezember. Nach den Buchstaben des Gesetzes hätte er sogar noch einen gut dreiwöchig­en bayernweit­en Lockdown durchsetze­n können – was er aber nicht macht. Vor allem das Offenhalte­n von Schulen und Kitas gilt auch als klare politische Entscheidu­ng: Nicht dass am Ende die Jüngsten für die mangelnde Impfbereit­schaft zu vieler Erwachsene­r quasi büßen müssen.

Es ist auch eine durchaus schwierige juristisch­e Gratwander­ung: Angesichts der großen Zahl an vollständi­g Geimpften droht die Gefahr, dass zu einschneid­ende Maßnahmen für alle von den Gerichten umgehend wieder kassiert werden. Allerdings: Wie Richter im Falle eines Falles entscheide­n würden, ist offen. Denn es ist ja inzwischen auch allgemein bekannt, dass Geimpfte zwar vor schweren Verläufen und dem Tod zigfach besser geschützt sind, dass sie sich aber sehr wohl infizieren und andere anstecken können. Ein völliger Freifahrts­chein ist die Impfung deshalb wohl nicht mehr. Auch das müssten Gerichte bei möglichen anstehende­n Entscheidu­ngen berücksich­tigen – es sind ja schon wieder neue Klagen angekündig­t.

Noch gibt es keinerlei Anzeichen, dass der dramatisch­e Anstieg der Corona-Zahlen rasch gebremst werden könnte. „Wenn das so weiterläuf­t, dann ist unser Gesundheit­ssystem vor dem Kollaps, definitiv“, sagte Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) am Freitag. Und der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, warnt schon vor der fünften Welle, falls Gegenmaßna­hmen nicht rasch umgesetzt werden.

Wohl auch deshalb ist Söder in einem zentralen Punkt inzwischen umgeschwen­kt – und spricht sich nun für eine allgemeine Impfpflich­t aus. Für den Kampf gegen die heftige vierte Welle käme das aber zu spät.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Das Kabinett von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hat Kontaktbes­chränkunge­n für Ungeimpfte durchgeset­zt.

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