Söders „Wellenbrecher“soll es richten
Im Kampf gegen die dramatisch ansteigende Zahl der Corona-Infektionen ist auch eine Impfpflicht kein Tabu mehr
(dpa) - Die Corona-Lage in Bayern wird immer dramatischer. Man brauche nun einen „echten Wellenbrecher“, hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt. Am Dienstag will das Kabinett die angekündigten neuen Gegenmaßnahmen beschließen, die den dramatischen Anstieg der Neuinfektionen bremsen sollen. Direkt danach geht es in den Landtag, am Mittwoch sollen die Regeln in Kraft sein.
Doch schon jetzt stellt sich die Frage: Wird das von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vorgestellte Paket reichen, um die vierte Corona-Welle zu brechen und die Kliniken im Freistaat vor dem Kollaps zu bewahren? Söder steht unter Druck: Immer häufiger muss er sich inzwischen gegen Kritik wehren, wissenschaftliche Warnungen vor der Wucht der vierten Welle ignoriert zu haben – was er zurückweist: Diesen enormen Anstieg hätten auch viele Wissenschaftler nicht vorhergesehen. Tatsächlich ergriff der Freistaat, seit die Zahlen im Oktober wieder zu steigen begannen, immer neue Gegenmaßnahmen – aber immer nur schrittweise, Kritiker sagen: zu spät und zu inkonsequent. Manch einer vermutet in Freie-Wähler-Chef
Hubert Aiwanger den Hauptgrund für das Zögern. Doch auch in der CSU gab es Vorbehalte.
Tatsächlich hätte Bayern rein rechtlich gesehen früher durchgreifen können – was Söder auch mit dem Argument ablehnte, die Maßnahmen hätten dann nur eine kurze Geltungsdauer gehabt. Hintergrund ist das Auslaufen der sogenannten epidemischen Lage von nationaler Tragweite, das die Ampel-Parteien in
Berlin durchgesetzt haben. Umfassende Schul- oder Geschäftsschließungen etwa sind damit nicht mehr möglich. Neu hinzugekommen ist aber nun eine Übergangsfrist bis zum 15. Dezember.
Und das nutzt Bayern nun aus: Am Freitag verständigten sich CSU und Freie Wähler auf ein breites Paket an Gegenmaßnahmen. Die zentralen Punkte: Von diesem Mittwoch an sollen für Ungeimpfte strikte Kontaktbeschränkungen gelten. Clubs, Diskotheken und Bars müssen bayernweit für drei Wochen schließen, Weihnachtsmärkte fallen aus.
Tatsächlich nutzt Söder die Chance, einige Dinge noch rasch nach alter Rechtslage zu beschließen – für diese Maßnahmen gilt dann die Frist bis 15. Dezember. Nach den Buchstaben des Gesetzes hätte er sogar noch einen gut dreiwöchigen bayernweiten Lockdown durchsetzen können – was er aber nicht macht. Vor allem das Offenhalten von Schulen und Kitas gilt auch als klare politische Entscheidung: Nicht dass am Ende die Jüngsten für die mangelnde Impfbereitschaft zu vieler Erwachsener quasi büßen müssen.
Es ist auch eine durchaus schwierige juristische Gratwanderung: Angesichts der großen Zahl an vollständig Geimpften droht die Gefahr, dass zu einschneidende Maßnahmen für alle von den Gerichten umgehend wieder kassiert werden. Allerdings: Wie Richter im Falle eines Falles entscheiden würden, ist offen. Denn es ist ja inzwischen auch allgemein bekannt, dass Geimpfte zwar vor schweren Verläufen und dem Tod zigfach besser geschützt sind, dass sie sich aber sehr wohl infizieren und andere anstecken können. Ein völliger Freifahrtschein ist die Impfung deshalb wohl nicht mehr. Auch das müssten Gerichte bei möglichen anstehenden Entscheidungen berücksichtigen – es sind ja schon wieder neue Klagen angekündigt.
Noch gibt es keinerlei Anzeichen, dass der dramatische Anstieg der Corona-Zahlen rasch gebremst werden könnte. „Wenn das so weiterläuft, dann ist unser Gesundheitssystem vor dem Kollaps, definitiv“, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Freitag. Und der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, warnt schon vor der fünften Welle, falls Gegenmaßnahmen nicht rasch umgesetzt werden.
Wohl auch deshalb ist Söder in einem zentralen Punkt inzwischen umgeschwenkt – und spricht sich nun für eine allgemeine Impfpflicht aus. Für den Kampf gegen die heftige vierte Welle käme das aber zu spät.