Der freundliche Herr Braun
Noch-Kanzleramtsminister Helge Braun kandidiert für den CDU-Vorsitz
- Norbert Röttgen ging als Erster an die Öffentlichkeit, Friedrich Merz mietete für seine Präsentation gleich einen ganzen Hotelsaal plus deckenhohe Bildschirmwand. Helge Braun dagegen hatte es zunächst bei einem Brief an die „lieben Freundinnen und Freunde“an der CDU-Basis belassen, in dem er unter anderem betonte, wie viel „Spaß“und „Freude“ihm Politik und Parteiarbeit machten. Unerschütterliche Freundlichkeit ist eine Eigenschaft, die dem 49-Jährigen aus Hessen wohl selbst seine ärgsten Gegner zuschreiben würden, sollte er solche überhaupt haben. Dass das allein aber nicht reicht, um es an die Spitze der CDU zu schaffen, ist wiederum auch ihm selbst klar.
Deswegen sitzt Braun zehn Tage nach Röttgen nun vor der blauen Wand in der Bundespressekonferenz. Und das nicht allein: Gleich zwei Frauen hat er mitgebracht, seine Kandidatinnen für das Amt der Generalsekretärin und für die Leitung der Programmarbeit. Und man tut Braun wohl nicht unrecht, wenn man diese beiden CDU-Politikerinnen zu den Top-Gründen dafür zählt, warum die Bewerbung des Trios noch für einigen Gesprächsstoff in der Partei sorgen könnte.
Zunächst aber beginnt der freundliche Herr Braun seine Vorstellung mit einer kleinen Gemeinheit, als er die Anwesenden „hier in Ost-Berlin“begrüßt. Mitbewerber Merz hatte sich nämlich vor einer Woche einen Lapsus geleistet, als er seinen Neuköllner Konferenzsaal irrtümlich im Osten der Stadt verortete. In knappen acht Minuten stellt Braun dann seine Motivation für die Kandidatur vor, die vor allem um die Themen inhaltliche Klärung und parteiinterne Zusammenhalt kreist. „So ein Wort wie Lager müssen wir aus dem Sprachgebrauch streichen“, sagt Braun.
Über seine Konkurrenten mag er sich nicht auslassen, klar ist aber auch so, dass Braun mit einem Alleinstellungsmerkmal antritt: Seiner Nähe zu Angela Merkel. Denn als Kanzleramtsminister war er in den vergangenen vier Jahren einer ihrer allerengsten Mitarbeiter. Und insbesondere in der Corona-Krise hatte der gelernte Intensivmediziner Braun einen wohl nicht unerheblichen Einfluss auf den Kurs Vorsicht der Kanzlerin. Braun jedenfalls sieht in dieser Nähe durchaus ein Plus: „Angela Merkel ist bis heute die beliebteste Politikerin in Deutschland“, sagt er. Während also Röttgen und noch mehr Merz sich zuletzt Mühe gaben, wieder ein bisschen enger an die unbestrittenen Verdienste der Kanzlerin zu rücken, muss Braun in den nächsten Wochen eher verdeutlichen, wie er den versprochenen
Neuanfang schaffen will. Seine Führungserfahrung in der Regierungszentrale verhehlt Braun nicht. Im Interview mit dem „Spiegel“stellte er aber ein ganz anderes Amt in den Vordergrund: „Ich bin seit 18 Jahren Kreisvorsitzender in Hessen. Auf diese Erfahrung wird es jetzt ankommen, um den Bruch zwischen Führung und Basis zu heilen“, sagte er dem Magazin. Kreisvorsitzender statt Kanzleramt, Braun scheint zu wissen, was an der Basis besser ankommt.
Und während Merz und Röttgen eher unbekannte CDU-Kolleginnen als ihre Generalsekretärinnen beziehungsweise stellvertretende Generalsekretärinnen vorstellten, konnte Braun zwei Politikerinnen für sein Team gewinnen, die sogar als mögliche Kandidatinnen für den Parteivorsitz gehandelt worden waren. Die 41-jährige Kölnerin Serap Güler war bis zu ihrem Wechsel in den Bundestag Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen. Auf dem Podium stellt sie sich als „Kind einer Arbeiterfamilie“vor und fordert von ihrer Partei eine Sprache, die „nicht nur von Akademikern, sondern von jedermann“verstanden wird. Braun lobt zudem ihr „Temperament“, was man getrost als gute Ergänzung zu seinem Naturell werten kann. Fürs Inhaltliche soll zudem Nadine Schön zuständig sein. Die 38-jährige Saarländerin hat sich in Sachen Digitalisierung profiliert und die in der Partei beachtete Reforminitiative „Neustaat“mit auf den Weg gebracht. Er sehe, so Braun, mit der Aufstellung „eine richtig neue CDU“.