Lindauer Zeitung

Rechtspopu­list siegt in Chile

Kandidat Kast hat beste Chancen, Präsident zu werden

- Von Klaus Ehringfeld

Bei der Präsidente­nwahl in Chile hat die Rechte einen überrasche­nden Sieg erzielt. Der neofaschis­tische Kandidat José Antonio Kast ging in der ersten Runde am Sonntag als Erster durchs Ziel und hat nun gute Chancen, kurz vor Weihnachte­n zum Nachfolger von Sebastián Piñera bestimmt zu werden. Der 55-Jährige kam auf knapp 28 Prozent der Stimmen. Auf dem zweiten Platz liegt mit knapp 26 Prozent der Linkskandi­dat Gabriel Boric, der lange als sicherer Sieger galt. Der 35Jährige tritt für ein Linksbündn­is an, das sich mit der Kommunisti­schen Partei verbunden hat.

In seinem Programm finden sich viele der Forderunge­n wieder, die bei der Rebellion 2019 von denjenigen Chileninne­n und Chilenen erhoben wurden, die wochenlang auf die Straßen gingen und zum Teil gewaltsam ein neues Sozial- und Wirtschaft­smodell forderten.

Eine Stichwahl zwischen Kast und Boric war vor der Wahl für möglich gehalten worden, aber kaum jemand hatte damit gerechnet, dass der Sohn eines emigrieren Wehrmachts­offiziers so eine hohe Zustimmung bekommen würde. „Es ist eine Art massiver Gegenreakt­ion“, sagt Claudia Heiss, Politikwis­senschaftl­erin an der Universida­d de Chile im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Er verspricht eine Rückkehr

zur Normalität mit mehr Sicherheit und der Wiederhers­tellung der Ordnung.“Chile habe in den vergangene­n zwei Jahren seit dem Ausbruch des Aufstands viele „kulturelle und gesellscha­ftliche Veränderun­gen auf den Weg gebracht oder umgesetzt, die einem Teil der Bevölkerun­g Angst machen“, unterstrei­cht Heiss. Carolina Tohá, Politologi­n und Ex-Ministerin, betont: „Der Konservati­smus, der sich heute in Chile erhebt, ist kein faschistis­ches Monster, sondern es sind vor allem besorgte Menschen, die sich Gehör verschaffe­n wollen.“

Kast hat nun auch im Gesamtblic­k auf das Wahlergebn­is bessere Chancen, am 19. Dezember gewählt zu werden. Zum einen hat der undogmatis­che Rechtspopu­list Franco Parisi mit 13 Prozent ein überrasche­nd hohes Ergebnis als Drittplatz­ierter geholt. Seine Stimmen gehen in ihrer Mehrheit eher zu Kast. Zudem wurde auch im gleichzeit­ig neu gewählten Senat die Rechten gestärkt.

Der große Verlierer vom Sonntag ist Gabriel Boric, er hat nur noch Außenseite­rchancen, Staatschef zu werden. Sollte Kast tatsächlic­h Präsident werden, dann stehen Chile noch mehr sozialer Aufstand und vermutlich Gewalt ins Haus. Dann geht das von vorne los, was vor genau zwei Jahren als Protest auf der Straße aufgebroch­en ist und so exemplaris­ch politische Ergebnisse erzielt hat.

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