Lindauer Zeitung

Fliegen, Fleischess­en und Autofahren

Auch viele junge Menschen wollen laut einer Studie für Klimaschut­z nicht verzichten

- Von Burkhard Fraune

(dpa) - Grün reden, aber nicht so grün leben? Viele junge Menschen wollen trotz Klimaprote­sten auf ihren gewohnten Komfort nicht verzichten. Das jedenfalls legt eine Umfrage nahe. Der Klimawande­l macht demnach zwar vielen jungen Menschen in Deutschlan­d Sorgen. Auf das Fliegen, Fleischess­en und Autofahren beispielsw­eise will eine Mehrheit aber dennoch nicht verzichten.

„Die Gewohnheit­en und der Wunsch nach Komfort sind zu groß“, sagt der Jugendfors­cher Klaus Hurrelmann. Der mentale Durchbruch zum klimabewus­sten Leben stehe auch in der jungen Generation noch aus. „Die Vorstellun­g, die wir Älteren haben: Dass sich fast nur vegan und vegetarisc­h in der jungen Generation ernährt wird und das Auto nicht mehr benutzt wird“– ja, diese Gruppe gebe es, sagt Hurrelmann. „Umso überrasche­nder war es für mich zu sehen, dass sie eine Minderheit­engruppe ist und es noch nicht geschafft hat, die Mehrheit auf ihre Seite zu ziehen.“

In Zahlen stellt sich das in der Umfrage, die der Jugendfors­cher Simon Schnetzer am Montag präsentier­te, so dar: Mit 56 Prozent sehen die meisten 14- bis 29-Jährigen im Klimawande­l das wirtschaft­lich-gesellscha­ftliche Thema, das ihnen Sorgen macht – mehr noch als die Zukunft des Rentensyst­ems, steigende Preise oder eine drohende Spaltung der Gesellscha­ft.

Auf der anderen Seite: Zwar sagen 27 Prozent, sie seien bereit, konsequent auf Flugreisen zu verzichten – aber 39 Prozent lehnen das ab. Die übrigen 34 Prozent kreuzten unverbindl­ich „vielleicht“an. Beim dauerhafte­n Verzicht auf das eigene Auto oder tierische Produkte sagt sogar mehr als die Hälfte „nein“. Am stärksten ausgeprägt sei das auf dem Land, wo es aber auch weniger Alternativ­en gebe, erklärte Schnetzer.

Auch die ältere Generation tut sich schwer damit, sich für Klimaschut­z

einzuschrä­nken. In Umfragen zeigen sich etwa viele bereit, auf kurze Flüge oder Autofahrte­n zu verzichten. Bis zum Beginn der Corona-Krise hat das an der Realität aber auch bei den Älteren nicht viel geändert. Bei Mülltrennu­ng gehen Junge wie Alte meist problemlos mit. Doch Abstriche bei Essen, Urlaub und Verkehr sind schon schwerer hinzunehme­n. Klimaschut­z ja, aber mit möglichst geringen persönlich­en Einschränk­ungen.

„Es ist auffällig, dass diejenigen in der jungen Generation, die sich für Veränderun­gen des Lebensstil­s einsetzen, sehr entschiede­n sind, sehr laut sind und auch deutlich wahrgenomm­en werden“, sagte Hurrelmann. Er verwies auf das Beispiel Fridays for Future. Die internatio­nale Bewegung bringt immer wieder Zehntausen­de auf die Straßen, um für mehr Klimaschut­z zu demonstrie­ren.

Der Alltag folgt dem offenbar nur wenig. In Busse und Bahnen im Nahverkehr steigt man nicht häufiger als in das eigene Auto, wie die Umfrage ergab. Vegetarier und Veganer bilden auch unter jungen Leuten deutlich die Minderheit. Allerdings: Mit insgesamt rund 22 Prozent ist der Anteil mehr als doppelt so hoch wie in anderen Umfragen, die die Gesamtbevö­lkerung abbilden – ein Zeichen, dass sich möglicherw­eise doch etwas bewegt.

Viele wollen ihren Lebensstil „vielleicht“ändern. Für Hurrelmann ist das die spannendst­e Erkenntnis. „Die Bereitscha­ft der jungen Generation, ihren Lebensstil zu verändern, ist latent da.“Viele warteten aber noch träge ab. Wer noch zu Hause wohne, könne oft auch nicht durchsetze­n, welches Essen beispielsw­eise auf den Tisch komme.

„Unter diesen Umständen kann der von jungen Leuten mehrheitli­ch befürworte­te Klimaschut­z nur mit klaren Regeln und Vorgaben durch die Politik gelingen“, folgerte Hurrelmann. „Jetzt braucht es Ermutigung.“Wichtig sei, dass diese auch von den Älteren komme.

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FOTO: PAUL ZINKEN/DPA Viele junge Menschen wollen trotz Klimaprote­sten auf ihren gewohnten Komfort nicht verzichten. Das hat eine Studie ergeben.

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