Zwischen Basketball und Bürgerkrieg
John Grisham erzählt in „Das Talent“die Geschichte eines jungen sudanesischen Sportlers
Wenn John Grisham genug vom Gerichtssaal hat, schreibt er am liebsten über Sport. Football und Baseball waren bereits Themen seiner Bücher und im 36. Roman seiner Karriere, Jugendbücher nicht mitgerechnet, ist nun Basketball an der Reihe. Wer damit eher weniger anfangen kann, sollte „Das Talent“allerdings nicht von vornherein abschreiben. Zwar dürften an der Sportart – oder Sport im Allgemeinen – nicht interessierte Leser über die teils recht detaillierten Spielbeschreibungen eher zügig drüberlesen. Hier könnte man meinen, der Autor erfülle sich den späten Traum als Sportredakteur einer College-Zeitung. Aber natürlich geht es ihm auch bei diesem Roman um mehr als nur Sport, so wie seine Gerichtsthriller auch meist weiter reichende gesellschaftliche Fragen verhandeln.
Dabei ist neben dem eigentlichen Spiel das große Geschäft des CollegeSports faszinierend: Die Teams sind eine wichtige Prestige- und Einnahmequelle, das Studium meist eher zweitrangig und zu Testspielen werden schon mal schwächere Teams mit großzügigen Summen als Gegner gelockt, um der heimischen Mannschaft einen glorreichen Sieg zu bescheren. Dazu ist eine Armada von Rekrutierern immer auf der Suche nach neuen Talenten – im heimischen Markt, aber immer mehr auch global, selbst in aus amerikanischer Sicht entlegeneren Gegenden wie dem Südsudan.
Hier setzt der Roman dann auch ein, denn ein aus dem Sudan stammender Basketballer kehrt in seine Heimat zurück, um junge Spieler zu finden, die er in Amerika präsentieren kann. Dazu gibt es eine erste Vorauswahl vor Ort in einer größeren Stadt und die besten können sich dann in den Vereinigten Staaten in einer Art Showturnier gegen Teams aus anderen Nationen messen.
Auch Samuel Sooleymon setzt große Hoffnungen in die Turnierteilnahme. Er macht sich aus seinem kleinen Dorf auf den Weg zur Ausscheidung und schafft es trotz einiger Schwächen in die engere Auswahl. Begleitet von den Hoffnungen seiner Familie und des ganzen Dorfes darf er in die USA fliegen, doch während das Turnier läuft, geschieht in der Heimat Schreckliches: Rebellen brennen das Dorf nieder, töten die meisten Männer, die Verbliebenen sind auf einer verzweifelten Flucht. Ab diesem Moment wechselt das Buch zwischen zwei Ebenen. Sooley, so sein neuer Spitzname und der Originaltitel des Buches, erhält viel Unterstützung in den Staaten und kann dank eines Stipendiums an einem kleineren College studieren – und vor allem spielen. Während er über den Wohlstand vieler seiner neuen Freunde staunt, schlägt sich seine Mutter mit zwei seiner kleinen Geschwister bis in ein Flüchtlingslager in Uganda durch.
Grisham gelingt es, die dortige Situation sehr eindringlich zu schildern und der Kontrast zum Leben am College ist natürlich offenkundig, zumal sich dort für Sooley nach anfänglichen Hindernissen eine kleine Heldengeschichte zu entfalten beginnt. Währenddessen versucht der Teenager verzweifelt etwas über den Verbleib seiner Familie zu erfahren – doch obwohl diese zumindest in Teilen am Leben ist, sind die Hürden für eine Zusammenführung groß …
Sport und Flucht, das ist eine recht ungewöhnliche Kombination, die Grisham aber mit seinem gewohnt gut lesbaren Stil solide zusammenführt: In erster Linie wird die Handlung vorangetrieben, es gibt kleine lebensnahe Details, richtig tief in seine Charaktere hinein blickt der Autor aber auch hier selten. Im letzten Drittel des Romans gibt es dann einige Wendungen, die die Leserschaft sicher spalten dürften, dafür die Vorhersehbarkeit einiger früherer Romane umschifft. Wer von Grisham auch mal etwas außerhalb des Gerichtssaals erzählt bekommen möchte, kann dem „Talent“daher eine Chance geben; zumindest ein kleines Glossar der wichtigsten Basketballbegriffe wäre für die internationale Zielgruppe aber doch hilfreich gewesen.
John Grisham: Das Talent, Heyne Verlag, 400 Seiten, 22 Euro.