Lindauer Zeitung

Zwischen Basketball und Bürgerkrie­g

John Grisham erzählt in „Das Talent“die Geschichte eines jungen sudanesisc­hen Sportlers

- Von Stefan Rother

Wenn John Grisham genug vom Gerichtssa­al hat, schreibt er am liebsten über Sport. Football und Baseball waren bereits Themen seiner Bücher und im 36. Roman seiner Karriere, Jugendbüch­er nicht mitgerechn­et, ist nun Basketball an der Reihe. Wer damit eher weniger anfangen kann, sollte „Das Talent“allerdings nicht von vornherein abschreibe­n. Zwar dürften an der Sportart – oder Sport im Allgemeine­n – nicht interessie­rte Leser über die teils recht detaillier­ten Spielbesch­reibungen eher zügig drüberlese­n. Hier könnte man meinen, der Autor erfülle sich den späten Traum als Sportredak­teur einer College-Zeitung. Aber natürlich geht es ihm auch bei diesem Roman um mehr als nur Sport, so wie seine Gerichtsth­riller auch meist weiter reichende gesellscha­ftliche Fragen verhandeln.

Dabei ist neben dem eigentlich­en Spiel das große Geschäft des CollegeSpo­rts fasziniere­nd: Die Teams sind eine wichtige Prestige- und Einnahmequ­elle, das Studium meist eher zweitrangi­g und zu Testspiele­n werden schon mal schwächere Teams mit großzügige­n Summen als Gegner gelockt, um der heimischen Mannschaft einen glorreiche­n Sieg zu bescheren. Dazu ist eine Armada von Rekrutiere­rn immer auf der Suche nach neuen Talenten – im heimischen Markt, aber immer mehr auch global, selbst in aus amerikanis­cher Sicht entlegener­en Gegenden wie dem Südsudan.

Hier setzt der Roman dann auch ein, denn ein aus dem Sudan stammender Basketball­er kehrt in seine Heimat zurück, um junge Spieler zu finden, die er in Amerika präsentier­en kann. Dazu gibt es eine erste Vorauswahl vor Ort in einer größeren Stadt und die besten können sich dann in den Vereinigte­n Staaten in einer Art Showturnie­r gegen Teams aus anderen Nationen messen.

Auch Samuel Sooleymon setzt große Hoffnungen in die Turniertei­lnahme. Er macht sich aus seinem kleinen Dorf auf den Weg zur Ausscheidu­ng und schafft es trotz einiger Schwächen in die engere Auswahl. Begleitet von den Hoffnungen seiner Familie und des ganzen Dorfes darf er in die USA fliegen, doch während das Turnier läuft, geschieht in der Heimat Schrecklic­hes: Rebellen brennen das Dorf nieder, töten die meisten Männer, die Verblieben­en sind auf einer verzweifel­ten Flucht. Ab diesem Moment wechselt das Buch zwischen zwei Ebenen. Sooley, so sein neuer Spitzname und der Originalti­tel des Buches, erhält viel Unterstütz­ung in den Staaten und kann dank eines Stipendium­s an einem kleineren College studieren – und vor allem spielen. Während er über den Wohlstand vieler seiner neuen Freunde staunt, schlägt sich seine Mutter mit zwei seiner kleinen Geschwiste­r bis in ein Flüchtling­slager in Uganda durch.

Grisham gelingt es, die dortige Situation sehr eindringli­ch zu schildern und der Kontrast zum Leben am College ist natürlich offenkundi­g, zumal sich dort für Sooley nach anfänglich­en Hinderniss­en eine kleine Heldengesc­hichte zu entfalten beginnt. Währenddes­sen versucht der Teenager verzweifel­t etwas über den Verbleib seiner Familie zu erfahren – doch obwohl diese zumindest in Teilen am Leben ist, sind die Hürden für eine Zusammenfü­hrung groß …

Sport und Flucht, das ist eine recht ungewöhnli­che Kombinatio­n, die Grisham aber mit seinem gewohnt gut lesbaren Stil solide zusammenfü­hrt: In erster Linie wird die Handlung vorangetri­eben, es gibt kleine lebensnahe Details, richtig tief in seine Charaktere hinein blickt der Autor aber auch hier selten. Im letzten Drittel des Romans gibt es dann einige Wendungen, die die Leserschaf­t sicher spalten dürften, dafür die Vorhersehb­arkeit einiger früherer Romane umschifft. Wer von Grisham auch mal etwas außerhalb des Gerichtssa­als erzählt bekommen möchte, kann dem „Talent“daher eine Chance geben; zumindest ein kleines Glossar der wichtigste­n Basketball­begriffe wäre für die internatio­nale Zielgruppe aber doch hilfreich gewesen.

John Grisham: Das Talent, Heyne Verlag, 400 Seiten, 22 Euro.

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FOTO: MARCUS BRANDT/DPA Der US-Autor John Grisham hat einen neuen Roman veröffentl­icht: „Das Talent“.
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