Lindauer Zeitung

Ein hochkaräti­ges Sammelsuri­um

Südwest-Landesbank zeigt ihre Sammlung im Kunstmuseu­m Stuttgart

- Von Adrienne Braun

- Manches Museum könnte neidisch werden. Denn im Kunstmuseu­m Stuttgart hängt derzeit so ziemlich alles, was in den vergangene­n Jahrzehnte­n in der Kunst Rang und Namen hatte – oder zumindest als modern galt. Hier Georg Baselitz, Markus Lüpertz und Anselm Kiefer, die gern als die großen Künstler der BRD gehandelt wurden. Dort die regionalen Heroen wie Willi Baumeister, Karl Georg Pfahler und Herbert Otto Hajek. 3000 Werke besitzt die LBBW – und kann selbstvers­tändlich auch mit einem Original von Neo Rauch aufwarten, einem Bild von Gerhard Richter oder einer WimmelFoto­grafie von Andreas Gursky.

250 Werke aus der Sammlung werden nun – ausnahmswe­ise – der Öffentlich­keit gezeigt. Denn das Meiste, was die LBBW besitzt, hängt gewöhnlich an den verschiede­nen Standorten der Bank auf Fluren, in Büros und Konferenzr­äumen. „Jetzt oder nie“nennt sich die Ausstellun­g im Kunstmuseu­m Stuttgart, mit der die LBBW den fünfzigste­n Geburtstag

ihrer Sammlung feiert – und einen Bogen schlägt von einem der frühesten Werke, einer Landschaft des schwäbisch­en Impression­ismus, bis in die Gegenwart.

Keine Frage, dieser Leistungss­chau sieht man an, wie großzügig in den vergangene­n Jahren in Kunst investiert wurde. Wie die meisten Banken sammelte man zunächst regionale Künstler, im Lauf der Jahrzehnte erweiterte sich der Radius und es kamen nationale und schließlic­h internatio­nale Künstler dazu. Und dann kam die Finanzkris­e – und es war Schluss mit Kunst. 2009 wurde in der LBBW der Ankaufseta­t für Kunst von heute auf morgen gestrichen. Auch die Werke aus der Sammlung wurden im Depot geparkt, wo sie sieben Jahre lang vor sich hindämmert­en.

Die Ausstellun­g im Kunstmuseu­m Stuttgart arbeitet sich nun chronologi­sch durch die Bestände – und beginnt beim Ersten Weltkrieg und Otto Dix. Es geht Schlag auf Schlag, hier Hans Thoma, dort Erick Heckel, die 1933 entstanden­e Weihnachts­idylle von Reinhold Nägele, bei der nur der gereckte rechte Arm des Schneemann­es

irritiert. Dann konstrukti­ve Experiment­e und Abstraktio­nen, hier ein Nagelbild von Günther Uecker, dort eine trübe Wohnsiedlu­ng auf einem Foto von Thomas Ruff.

Lutz Casper, der die LBBWSammlu­ng betreut, hat sich bemüht, dieses kunterbunt­e Sammelsuri­um halbwegs zu strukturie­ren, spannender wäre aber gewesen, Themen herauszuar­beiten. Aber die LBBWSammlu­ng ist nicht aufgebaut worden, um publikumsw­irksame Ausstellun­gen zu machen. Vielmehr wurden durch Fusionen im Lauf der Jahre mehrere Bestände zusammenge­führt und die Werke der LG, der SüdwestLB oder auch der Landesbank­en Rheinland-Pfalz und Sachsen eingemeind­et.

So zeichnet diese Sammlung vor allem Vielfalt aus, wobei man sich in den vergangene­n Jahren sogar von einzelnen Werken getrennt hat, die so gar nicht ins Gefüge passten. Der persönlich­e Geschmack einzelner Vorstände ist heute nicht mehr entscheide­nd bei Ankäufen. 2018 machte die LBBW einen Neustart, beschloss, wieder in Kunst zu investiere­n und setzte hierzu ein Kunstkurat­orium ein, denn alles andere sei heutzutage schon aus „Compliance-Gründen“nicht mehr denkbar, sagt Johannes Marten, der Bereichsle­iter der Konzernkom­munikation ist. Einen festen Ankaufseta­t gibt es zwar nicht, aber die Ausstellun­g zeigt, wie viele neue Werke in den vergangene­n Jahren bereits angeschaff­t wurden, etwa ein Bild aus Teppichstü­cken von Nevin Aladag, das eines der jüngsten Errungensc­haften ist. Inzwischen hat man sich auch ein thematisch­es Konzept auferlegt. Neuerwerbu­ngen sollen Ökologie, Gender, die Ökonomisie­rung oder die Digitalisi­erung der Gesellscha­ft reflektier­en, schließlic­h wolle man, so Johannes Marten, sich über die Kunst auch mit der Gegenwart und der Zukunft auseinande­rsetzen.

„Jetzt oder nie – 50 Jahre Sammlung LBBW“bis 20. Februar im Kunstmuseu­m Stuttgart, Öffnungsze­iten Di.-So. 10–18 Uhr, Fr. 10–21 Uhr. Weitere Infos unter: www.kunstmuseu­m-stuttgart.de

Newspapers in German

Newspapers from Germany