Lindauer Zeitung

Viele Geschichte­n ranken sich um St. Verena

Zum 150-Jahr-Jubiläum der Reutiner Kirche ist jetzt ein Lesebuch erschienen

- Von Ruth Eberhardt

- Sie haben in Archiven gestöbert, Chroniken durchforst­et, mit Nachfahren früherer Pfarrer gesprochen und nach passenden Bildern gesucht: Einige geschichts­interessie­rte Mitglieder der evangelisc­hen Kirchengem­einde St. Verena und weitere engagierte Lindauer haben in den vergangene­n Monaten viel Wissenswer­tes über Reutin und die Kirche St. Verena zusammenge­tragen. Ihr Buch mit dem Titel „150 Jahre St. Verena – Ein Lesebuch“darf durchaus als Pionierlei­stung gelten. Denn noch nie ist die hiesige Lokalgesch­ichte so umfassend und so zusammenhä­ngend aus Reutiner Perspektiv­e erzählt worden wie in diesem Buch.

Den Anlass dafür gab ein Jubiläum: Vor 150 Jahren wurde in Reutin die Kirche St. Verena im neogotisch­en Stil gebaut und am 13. August 1871 eingeweiht. Das wirft Fragen auf: Seit wann gibt es denn überhaupt schon eine Kirche in Reutin? Hieß sie immer schon St. Verena? Wie sah sie aus? Was hat die Entwicklun­g dieses Ortes geprägt? Was gibt es über den Friedhof, die Glocken und die Orgel zu erzählen? Welche Pfarrer haben in St. Verena gewirkt – und unter welchen Bedingunge­n? Solchen und vielen weiteren Fragen sind die Autorinnen und Autoren des Lesebuchs nachgegang­en. Die ersten Fragen ließen sich ja noch relativ schnell klären: Der erste schriftlic­he Beleg sowohl für den Ortsnamen Reutin als auch für eine Kirche in diesem Ort stammt aus dem Jahr 1275. In einer Urkunde aus dem Jahr 1319 taucht dann erstmals der Name „St. Verenen“für die Kirche „ze oberen Rüthie“auf. Über diese Kirche ist aber weiter nichts überliefer­t.

Allerdings weiß man, wie die Kirche aussah, die 1868 wegen akuter Einsturzge­fahr abgerissen wurde: Ein Foto aus dieser Zeit zeigt sie mit einem Zwiebeltur­m, während der heutige Turm von St. Verena einen spitzen Helm hat.

Jede Antwort, die das Autorentea­m im Laufe der Recherchen fand, war ein Ansporn, noch weiterzufo­rschen. So entstand ein reich bebilderte­s Buch, das auf 160 Seiten viele Aspekte aus der Reutiner Geschichte und der Entwicklun­g der Kirchengem­einde St. Verena beleuchtet. Kenntnisre­ich beschreibt darin Iris Möller das Erscheinun­gsbild der Kirche und verwebt diese Schilderun­g immer wieder mit Lindauer Lokalgesch­ichte

und mit persönlich­en Eindrücken. In einem weiteren Kapitel erzählen Bettina Schossig und Christian Fehnle die Lebensgesc­hichten der Pfarrer, die in den vergangene­n 150 Jahren in St. Verena gewirkt haben, darunter der Vater des berühmten Theologen Helmut Gollwitzer.

Unter dem Titel „Die klingende Seele von St. Verena“befasst sich Sven Dartsch mit der Orgel. Gerd Gruber berichtet über die wechselvol­le Geschichte der Glocken. Dieter Güntzschel beschreibt die Entwicklun­g und Besonderhe­iten des Reutiner Friedhofs. Ruth Eberhardt unternimmt einen Streifzug durch die heutige Kirchengem­einde und stellt das Gemeindele­ben, Gebäude und Strukturen vor. Sabine Eisenacher erzählt die Legende der Heiligen Verena, die aus dem ägyptische­n Theben stammte und in der Bodenseere­gion sehr verehrt wird.

Ein wahrer Schatz ist das Kapitel von Stadtarchi­var Heiner Stauder. Aus vielen Quellen hat er die Geschichte des Ortes Reutin zusammenge­tragen, Querverbin­dungen hergestell­t und interessan­te Rückschlüs­se gezogen. Stauder nimmt die Leserinnen und Leser mit auf eine spannende Zeitreise durch die Geschichte

des Ortes Reutin – beginnend bei der ersten urkundlich­en Erwähnung anno 1275 bis hin zur Eingemeind­ung nach Lindau im Jahr 1922. Eindrucksv­oll und mit vielen Details erzählt Stauder unter anderem, wie sich das Verhältnis von Reutin zur Reichstadt Lindau entwickelt hat, wie das Damenstift seinen Einfluss zu verstärken suchte, wie sich die Reformatio­n

auf Reutin auswirkte und unter welchen Bedingunge­n die Menschen lebten.

Dass Geschichte sehr anschaulic­h für alle Altersgrup­pen erzählt werden kann, beweist Sabine Eisenacher. Sie hat eine Kindergesc­hichte ersonnen, in der ein kleines Mädchen namens Verena und eine Engelsfigu­r aus dem Inneren der Kirche die

Hauptrolle spielen. Zum Buch dazu gibt es einen Bastelboge­n, sodass jeder und jede die Kirche St. Verena selbst aus Papier bauen kann.

Nicht nur die Autorinnen und Autoren, sondern noch einige weitere Menschen haben zum Gelingen dieses Buches beigetrage­n – sei es durch Fotos oder durch Unterstütz­ung beim Entziffern der Sütterlins­chrift auf alten Dokumenten. Zu guter Letzt hat der Grafiker Bernd Altenried dieses Gemeinscha­ftswerk in ein klares Layout gepackt.

Das Buch kostet zehn Euro. Es ist bei folgenden Stellen und Veranstalt­ungen erhältlich: im Pfarramt St. Verena in Lindau-Reutin, Steigstraß­e 36, Telefon 97 72 10; im Anschluss an die Gottesdien­ste in St. Verena am 1. und 2. Advent (Beginn jeweils 10.15 Uhr); nach einer Lesung mit ausgewählt­en Passagen und adventlich­er Orgel- und Harfenmusi­k am zweiten Adventsson­ntag, 5. Dezember, in St. Verena (Beginn 19 Uhr) sowie nach dem „Alpenländi­schen Advent“am Sonntag, 19. Dezember, in St. Verena (Beginn 19 Uhr).

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FOTO: RUTH EBERHARDT Ein Aquarell des Lindauer Künstlers Richard ziert das Lesebuch, das zum 150Jahr-Jubiläum der Reutiner Kirche St. Verena (im Hintergrun­d) jetzt erschienen ist.

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