Lindauer Zeitung

Verwirrung bei einzelnen Corona-Tests

Im Schnelltes­t positiv, beim anschließe­nden PCR-Test negativ, nur um am Ende doch PCR-positiv zu sein

- Von Emil Nefzger

- Eigentlich sollte der Selbsttest nur der Sicherheit dienen, bevor es nach einigen Tagen Homeoffice wieder ins Büro geht. Also am Morgen daheim noch das Stäbchen in die Nase schieben, was soll schon passieren. Das dachte sich ein 30Jähriger aus Kempten, der einige Tage zuvor als vollständi­g geimpfter Teil einer Kontaktket­te war, aber keine Symptome verspürte. Ein positives Ergebnis schien unwahrsche­inlich, schließlic­h waren alle Schnelltes­ts und ein PCR-Test bis dahin negativ ausgefalle­n. Trotzdem zeichneten sich auf dem Selbsttest zwei kräftige Striche ab: positiv.

Statt zurück ins Büro ging es also erneut zum PCR-Test – der negativ blieb. Soweit, so normal. „Dass ein Schnelltes­t positiv ist und ein PCRTest negativ, gibt es relativ oft“, sagt Virologe Dr. Matthias Lapatschek vom Medizinisc­h-Diagnostis­chen Labor Kempten. So könnten sich die Antikörper, die man in einem Schnelltes­t künstlich hinzugibt, auch falsch an einem anderen Erreger anbinden. Das könne bei etwa drei Prozent der Getesteten der Fall sein, sagt Lapatschek. Bei der Polymerase-Kettenreak­tion, auf Englisch als PCR abgekürzt, seien Fehler nur bei 0,03 Prozent der Fall.

Wegen einer anstehende­n privaten Feier entschied der Kemptener jedoch einige Tage später auf eigene Rechnung nochmal einen PCR-Test zu machen – sicher ist sicher. Das Ergebnis fiel anders als erwartet aus, nämlich positiv. Ein weiterer PCRTest auf Anordnung des Gesundheit­samts bestätigte dies. Und auf ein positives Ergebnis kann man sich in diesem Fall offenbar verlassen. „Falsch-positive PCR-Befunde gibt es fast nicht“, sagt Virologe Lapatschek. Doch welcher Test hatte zu Beginn nun recht – und warum zeigte der Selbsttest die Infektion offenbar vor dem PCR-Test an?

Fälle, in denen der Schnelltes­t zuerst positiv ist, der PCR-Test dann aber negativ, habe man etwa ein, zwei Mal pro Monat, erklärt Lapatschek. Beide Test-Varianten arbeiten komplett unterschie­dlich. „Der Schnelltes­t weist die Proteine des Virus nach, der PCR-Test die Nukleinsäu­re“, erklärt der Mediziner. Die PCRMethode ist jedoch deutlich genauer als die Antigen-Variante. Bei dieser liege die Nachweisgr­enze bei einer Million Viren pro Milliliter – bei der PCR dagegen bei hundert bis tausend Viren pro Milliliter, „sie ist also um den Faktor 1000 bis 10 000 genauer“. Bei einem Infizierte­n müsse aber eigentlich beides vorhanden sein, die

Proteine und die Nukleinsäu­re. Woher kam also das negative PCR-Resultat?

Das könnte offenbar daran liegen, wie die Probe entnommen wurde: der Selbsttest durch die Nase, der negative PCR-Test dagegen durch den Mund. So ist es nach den Empfehlung­en des Robert-Koch-Instituts möglich, PCR-Rachenabst­riche entweder durch den Mund oder die Nase zu nehmen. Viren seien aber nicht immer an der gleichen Stelle, wendet Lapatschek ein. „Am Anfang vermehren sie sich meist in der Nasenschle­imhaut und wandern später in den Rachen.“Zu Beginn einer Infektion könne es hier eine diagnostis­che Lücke geben. „Da der Schnelltes­t in diesem Fall in der Nase, der PCR-Abstrich

aber durch den Mund gemacht wurde, halte ich das für die wahrschein­lichste Erklärung“, sagt Lapatschek. Der PCR-Test habe einige Tage später die Infektion dann ja auch bestätigt.

Trotz dieses Grenzfalls bietet der Rachenabst­rich durch den Mund auch Vorteile. Er ist Lapatschek zufolge simpler durchzufüh­ren, da man sehen kann, ob man wirklich an der Rachenhint­erwand abstreicht. „Und der Patient hat weniger das Gefühl, ihm wird gleich ins Gehirn gebohrt.“Er hat dennoch eine Empfehlung für den Abstrich durch den Mund: „Um die Sensitivit­ät zu erhöhen, ist es sinnvoll, mit dem gleichen Stäbchen auch noch die Nasenlöche­r abzustreic­hen.“

Dr. Matthias Lapatschek, Virologe vom Medizinisc­h-Diagnostis­chen

Labor Kempten

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SYMBOLFOTO: KAY NIETFELD/DPA Für PCR-Tests nehmen die medizinisc­hen Helfer Rachenabst­riche. Das kann zu Verwirrung führen, wie ein Beispiel aus Kempten zeigt.
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FOTO: RALF LIENERT Matthias Lapatschek untersucht Corona-Tests in seinem Labor.

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