Warum ein vielfacher Exhibitionist vor Gericht freigesprochen wird
Ein 26-Jähriger soll sich immer wieder vor Frauen entblößt haben – Doch eine Strafe erhält er nicht
- Mehrfach soll sich ein 26-Jähriger vor Frauen seine Hose heruntergezogen haben, in einigen Fällen berührte er sich dabei auch im Schritt. Zweifel, dass die Vorfälle sich so zugetragen haben, kommen bei dem Prozess am Amtsgericht Memmingen nicht auf. Es stellt sich dennoch die Frage: Kann der 26-Jährige dafür verurteilt werden? Es ist ein Fall, bei dem der Staat an seine Grenzen kommt.
Verantworten muss sich der Mann in dieser Verhandlung wegen sechs Vorfällen, die sich zwischen dem 28. Oktober 2020 und dem 26. Juni 2021 zugetragen haben. In Senden hat er sich vor Verkäuferinnen eines Discounters entblößt. Die Zeugin berichtet vor Gericht, dass der Mann minutenlang nur gelacht hätte. Nachdem er des Ladens verwiesen wurde, wartete er draußen noch etwa eine halbe Stunde und verfolgte zwei Angestellte auf dem Nachhauseweg. Auch gegenüber der hinzugerufenen Polizei – zufällig auch Frauen – entblößte er sich. In Memmingen belästigte der Angeklagte mehrfach Passantinnen, einmal eine Gruppe von jugendlichen Mädchen und einmal eine 42-Jährige, die mit ihrer Mutter im Park war. Die Zeugen berichten jeweils, dass der Angeklagte sichtlich alkoholisiert war. Neben seinen Handlungen äußerte er sich meist auch verbal, indem er sexuelle Begriffe rief und Frauen zum Geschlechtsverkehr
aufforderte.
Der Mann leidet an einer schweren psychischen Erkrankung. Die Gutachterin, die für das Gericht die Schuldfähigkeit des Mannes beurteilen sollte, geht von einer paranoiden Schizophrenie aus. Er zeigt ihren Ausführungen zufolge mehrere Symptome. Auch eine Wahnsymptomatik sei vorhanden, so die Expertin. In der Verhandlung spricht der Angeklagte immer wieder von ominösen Feinden, die ihm etwas anhängen wollen. „Sie sind hinter mir, sie machen mir viele Probleme hier. Ich kann sie fühlen“, sagt er zum Beispiel. Sämtliche exhibitionistische Handlungen streitet er vehement ab. Zudem misstraut der Angeklagte seinem Pflichtverteidiger, der seiner
Aussage zufolge gar nicht sein Anwalt sei. Auch der Betreuer, der ihm zur Seite gestellt ist, ist in den Augen des 26-Jährigen gar nicht sein Betreuer. Die Gutachterin hingegen kennt den Mann und versichert vor Gericht, dass dieser sich für gewöhnlich sehr für seine Schützlinge einsetze.
Sie kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte nicht schuldfähig sei. Dem Gericht bleibt am Ende nichts anderes übrig, als den Angeklagten von den Vorwürfen, die seine exhibitionistischen Handlungen betreffen, freizusprechen. Verurteilt wird er nur zu einer Geldstrafe wegen Schwarzfahrens. Diese Taten räumt er ein und erklärt, dass ihm nichts anderes übrig blieb, da er kein Geld hatte. Das mache laut Gutachterin deutlich, dass er wissentlich ohne Ticket gefahren und daher zumindest in diesen Fällen schuldfähig sei.
Der Freispruch bedeutet für den Mann auch, dass er nun aus der Untersuchungshaft entlassen wird. Seit dem 8. Juli war er in der Justizvollzugsanstalt Memmingen untergebracht, wo er zumindest in akuten Phasen Medikamente bekam, die seine Wahnvorstellungen unterdrücken – was zu einer sichtlichen Verbesserung seines Gesamtzustandes geführt hatte, wie die Gutachterin ebenso feststellt wie die Richterin, die den Angeklagten schon länger kennt. Wie es für ihn jetzt weitergeht, ist zum Prozessende unklar.
Angehörige, die sich um ihn kümmern, scheint er nicht zu haben. Vor seinem Gefängnisaufenthalt lebte er in einer Unterkunft in Senden, dann in Memmingen.
Die Richterin appelliert an den Angeklagten, sich freiwillig in Behandlung zu begeben. Aktuell verweigert er dies jedoch. Eine gerichtlich angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist durch seine bisherigen Vergehen noch nicht gerechtfertigt. Der 26Jährige ist sozusagen zu krank für eine Verurteilung, aber noch zu gesund, als dass man ihm helfen könnte. Dass es ohne Behandlung künftig wohl zu weiteren Delikten kommen wird, ist allen Anwesenden im Gerichtssaal klar.