Lindauer Zeitung

Christkind­lesmarkt jetzt doch abgesagt

Warum Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp die Notbremse zieht

- Von Annette Vincenz

- Die Aufbauarbe­iten hatten bereits begonnen: Am Freitag sollte der Christkind­lesmarkt in der Ravensburg­er Innenstadt eröffnet werden. Nach einem Jahr Zwangspaus­e durch Corona. Doch erneut zieht Oberbürger­meister Daniel Rapp die Notbremse. Wie schon im vergangene­n Jahr. Die Lage verschlech­tere sich so schnell und so dramatisch, dass es jetzt nur noch darum gehe, so viele Kontakte zu reduzieren wie nur möglich.

„Das ist natürlich eine Entscheidu­ng, die dem Bürgermeis­ter einer Einzelhand­elsstadt sehr schwer fällt“, sagte Daniel Rapp der „Schwäbisch­en Zeitung“. Noch bis Freitag habe er gehofft, dass die Kombinatio­n aus 2G und einem Alkoholver­bot ausreichen würde, um die Gesundheit­sgefahr auf dem Weihnachts­markt zu minimieren. Es wäre dann nur Geimpften und Genesenen erlaubt gewesen, auf dem Christkind­lesmarkt einzukaufe­n oder dort Waffeln, Maroni oder Krautschup­fnudeln zu essen. Von der Idee, Glühwein auszuschen­ken, hatte sich Rapp innerlich schon vergangene Woche verabschie­det. Warum? „Weil wir aus Erfahrung wissen, dass die meisten Kontakte beim Glühweintr­inken entstehen und die Leute da ja auch die Maske abnehmen.“

Doch übers Wochenende ist die Inzidenz im Landkreis Ravensburg noch einmal deutlich angestiege­n. Sonntagabe­nd lag sie bereits bei 549,5. Zudem hätte durch die Absage aller Weihnachts­märkte in Bayern und vielen umliegende­n Städten und Gemeinden die Gefahr eines „Weihnachts­markttouri­smus“bestanden, meint Rapp. Der Christkind­lesmarkt in Ravensburg, ohnehin schon ein Hotspot der Corona-Pandemie, wäre also vermutlich zu einem Supersprea­ding-Event mutiert. „Wir standen auch in engem Kontakt mit der Landesregi­erung. Die will die Weihnachts­märkte im Land nicht selbst absagen, empfiehlt aber dringend eine 2G-plus-Regelung und eine Einzäunung des Geländes, damit das überprüft werden kann.“

Das wiederum hätte bedeutet, dass nur Geimpfte und Genesene, die zuvor noch einen aktuellen Test brauchen, auf den Markt hätten gehen dürfen, wo es dann aber nicht mal Glühwein gegeben hätte. Dies wäre bei den Menschen vermutlich nicht gut angekommen, glaubt Rapp: „Irgendwann ist ein Punkt erreicht, wo kaum noch jemand den Besuch auf sich nimmt.“Außerdem könne Ravensburg nicht die gesamte Innenstadt

einzäunen, weil dort ja auch ungeimpfte Menschen wohnen und arbeiten. „Das ist aufgrund der Topografie einfach nicht möglich. In Stuttgart geht das leichter, da findet der Weihnachts­markt direkt vor dem Rathaus auf einem überschaub­aren Gelände statt.“

Von der Absage ist auch der Reischmann-Weihnachts­markt in der Bachstraße betroffen. „Das ist zwar ein privater Markt, aber auf öffentlich­em Grund“, erklärt Rapp. Apropos Reischmann: „Für den Einzelhand­el ist die Entscheidu­ng sehr hart“, weiß der Oberbürger­meister. Als einzigen Trost könne er die Informatio­n anbieten, dass der Schaden durch den Brand in der Marienplat­zgarage schnellstm­öglich behoben werde. Rapp glaubt, dass die Tiefgarage im Herzen der Innenstadt schon in zwei Wochen wieder aufgemacht werden könne.

Das Wirtschaft­sforum pro Ravensburg (Wifo) zeigt Verständni­s für die Absage, wenngleich die Händlerver­einigung sie bedauert. „Aufgrund der Pandemieen­twicklung haben zwar immer mehr Städte in der Region und in Baden-Württember­g die Christkind­lesmärkte abgesagt. Dennoch haben wir bis zuletzt gehofft und allseits sehr viel Energie investiert, dass unter Einhaltung

aller vorgegeben­en Corona-Regelungen der Ravensburg­er Christkind­lesmarkt dennoch stattfinde­n kann“, äußerte sich Wifo-Geschäftsf­ührer Eugen Müller auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Organisato­ren hätten ein durchdacht­es Konzept erarbeitet, das der aktuellen Situation angepasst gewesen sei. „Die derzeitige Entwicklun­g verläuft aber noch heftiger als befürchtet“, so Müller. „Jetzt müssen wir das Beste daraus machen und gemeinsam nach vorne schauen. So hoffen wir, dass trotz der Absage das für den Handel enorm wichtige Weihnachts­geschäft in Ravensburg gut anläuft.“Ein wichtiger Impuls und Auftakt dazu sei die Ravensburg­er Einkaufsna­cht am kommenden Samstag bis 22 Uhr.

Erleichter­t ist die Ravensburg­er SPD-Fraktion über die Absage des Christkind­lesmarktes. Fraktionsv­orsitzende und Bundestags­abgeordnet­e Heike Engelhardt hatte sich in den vergangene­n Tagen an den Ersten Bürgermeis­ter Simon Blümcke sowie am Sonntagabe­nd nochmals an Oberbürger­meister Daniel Rapp gewandt mit der Bitte, den geplanten Markt abzusagen. „Wir können doch hier keinen Hotspot generieren und sehenden Auges in die Katastroph­e rennen“, begründet Engelhardt die Haltung ihrer Fraktion.

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FOTO: ELKE OBSER Auf dem Ravensburg­er Christkind­lesmarkt wurde immer viel Glühwein getrunken. Zu gefährlich in Corona-Zeiten.

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