Viele Namen für das Kabinett Scholz I
Lindner, Habeck und Baerbock gelten als gesetzt – Spekulation um Brugger und Theurer
- Über die politischen Ziele der möglichen Ampel-Koalition ist, obwohl die Verhandler tapfer stillhalten, einiges bekannt. Noch weniger lassen sich Grüne, SPD und FDP aber über die personelle Besetzung der Ämter in einer möglichen neuen Regierung entlocken, ihre Bedeutung wird heruntergespielt. Dabei sind die Personalentscheidungen für die Ausrichtung und die Politik der potenziellen Ampel mitentscheidend.
Das fängt schon mit der zahlenmäßigen Verteilung der Ressorts entsprechend dem Wahlergebnis an. Wie die einzelnen Ministerien dann zugeschnitten sind, hängt auch davon ab, wer für sie als Ministerin oder Minister vorgesehen ist. Ein Beispiel: Sollte die Grüne Steffi Lemke tatsächlich Umwelt- und Agrarministerin werden, dann ginge der Bereich Klima an das Ministerium, das Robert Habeck leiten soll. Würde man Habeck zum Umweltminister machen, wäre der Bereich Klima mit Sicherheit in seinem Ministerium. Und um bei den Grünen zu bleiben: Es dürfte für die künftige Verkehrspolitik von Bedeutung sein, ob Anton Hofreiter oder Cem Özdemir Verkehrsminister wird.
Noch deutlicher sind die Auswirkungen, wenn überhaupt erst entschieden werden muss, welche Partei ein Ressort übernimmt. Ob ein Sozialdemokrat oder ein Liberaler für Arbeit und Soziales den Hut aufhat, ist keineswegs eine Geschmacksfrage. Die politischen Unterschiede sind bei diesen Themen besonders groß. Allerdings käme in einer von einem SPD-Kanzler geführten Regierung niemand auf die Idee, das Arbeits-und Sozialministerium den Sozialdemokraten streitig zu machen. Dagegen gehören Bildung, Gesundheit oder Verteidigung durchaus zur Verhandlungsmasse.
Neben dem Wahlergebnis sind bei der Verteilung der Posten noch viele andere Faktoren zu berücksichtigen. Die Herkunft nach Bundesländern zum Beispiel. Die ausreichende Repräsentation der Ostdeutschen. Die gleichberechtigte Besetzung des Kabinetts mit Frauen und Männern. Und die Qualifikation? Die spielt natürlich auch eine Rolle. Wobei man da nicht zu formal herangehen sollte.
Die eigentlichen beruflichen Ausbildungen haben oft mit den späteren Verwendungen von Politikerinnen und Politikern nichts zu tun. Nehmen wir Cem Özdemir. Der ist eigentlich Sozialpädagoge. Allerdings war er im Bundestag Leiter des Verkehrsausschusses. Außerdem kommt er aus Baden-Württemberg und wird im grünen parteiinternen Spektrum eher einem konservativeren Milieu zugeordnet. Das alles zusammen könnte dazu führen, dass er Anton Hofreiter, den Favoriten für das Verkehrsministerium, aus dem Felde schlägt.
Was nun die tatsächliche künftige Bundesregierung angeht, sind ein paar Namen gesetzt, viele andere Namen werden genannt und Überraschungen sind zu erwarten. Dass dem Kanzler Olaf Scholz der Kanzleramtsminister
Wolfgang Schmidt zur Seite stehen wird, gilt als sicher. Zwei Hamburger Juristen, die seit Jahrzehnten zusammenarbeiten – ein ideales Duo. Auch an Hubertus Heil dürfte kein Weg vorbeiführen. Er wird aller Wahrscheinlichkeit nach das Arbeits- und Sozialministerium behalten. Christine Lambrecht, die geschäftsführende Justizministerin, hatte offenbar wenig Hoffnung hinsichtlich eines Wahlerfolges ihrer Partei und trat für den Bundestag gar nicht erst an. Trotzdem wird sie nun als mögliche Innenministerin gehandelt. Auch Svenja Schulze wird wohl wieder Ministerin. Umwelt geht an die Grünen, aber Bauministerin könnte sie werden.
Bei der FDP ist Christian Lindner gesetzt. Dass Lindner auf allen kursierenden Listen als Finanzminister geführt wird, verwundert nicht weiter. Die Liberalen werden in den Verhandlungen alles daransetzen, dieses Ressort zu bekommen. Bei Steuern und Finanzen handelt es sich um ihr Leib- und Magenthema. Was passiert, wenn sie in einer Regierung ohne Einfluss auf diese Fragen bleiben, mussten die Liberalen unter Guido Westerwelle leidvoll erfahren. Dieser hatte sich 2009 als FDP-Chef für das Außen- anstelle des Finanzministeriums entschieden. Vier Jahre später sind die Freidemokraten, natürlich nicht nur deswegen, aber auch deswegen, aus dem Bundestag geflogen.
Das Justizministerium könnte in Zukunft von FDP-Generalsekretär Volker Wissing geführt werden. Der Jurist ist seit Wochen für diesen Posten im Gespräch, auch Marco Buschmann käme als Rechtswissenschaftler infrage. Es ist allerdings nicht unwahrscheinlich, dass Buschmann als leidenschaftlicher Parlamentarier Lindner als Fraktionschef nachfolgen könnte.
Eine Überraschung hingegen ist, dass Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf aktuelleren Listen als Verteidigungsministerin geführt wird. Bisher hatte die FDP sich nicht besonders um dieses Amt bemüht. Mit der Verteidigungspolitikerin StrackZimmermann würde nicht nur erstmals jemand ohne Unions- oder SPD-Parteibuch in diese Position kommen. Es wäre wohl das erste Mal seit langer Zeit auch jemand mit Ahnung von der Materie.
Auf einer Liste wird zudem der Vorsitzende der Südwest-SPD, Michael Theurer, als Gesundheitsminister gehandelt. Der erfahrene Theurer gilt zwar ebenfalls als fähig, ein Ministeramt zu übernehmen, als Gesundheitspolitiker ist der Wirtschaftsexperte bisher allerdings noch nicht besonders aufgefallen.
Ministerposten für die Grünen gehen mit Sicherheit an Annalena Baerbock (wahrscheinlich Außenministerium). Robert Habeck (Superministerium für Wirtschaft, Klima und anderes mehr), an den schon erwähnten Cem Özdemir (Verkehr) und möglicherweise an Steffi Lemke (Umwelt und Landwirtschaft). Auch der Name der Ravensburgerin Agniezka Brugger fällt, etwa für einen Posten als Staatsekrteärin im Außenamt.