Lindauer Zeitung

Viele Namen für das Kabinett Scholz I

Lindner, Habeck und Baerbock gelten als gesetzt – Spekulatio­n um Brugger und Theurer

- Von André Bochow und Igor Steinle

- Über die politische­n Ziele der möglichen Ampel-Koalition ist, obwohl die Verhandler tapfer stillhalte­n, einiges bekannt. Noch weniger lassen sich Grüne, SPD und FDP aber über die personelle Besetzung der Ämter in einer möglichen neuen Regierung entlocken, ihre Bedeutung wird herunterge­spielt. Dabei sind die Personalen­tscheidung­en für die Ausrichtun­g und die Politik der potenziell­en Ampel mitentsche­idend.

Das fängt schon mit der zahlenmäßi­gen Verteilung der Ressorts entspreche­nd dem Wahlergebn­is an. Wie die einzelnen Ministerie­n dann zugeschnit­ten sind, hängt auch davon ab, wer für sie als Ministerin oder Minister vorgesehen ist. Ein Beispiel: Sollte die Grüne Steffi Lemke tatsächlic­h Umwelt- und Agrarminis­terin werden, dann ginge der Bereich Klima an das Ministeriu­m, das Robert Habeck leiten soll. Würde man Habeck zum Umweltmini­ster machen, wäre der Bereich Klima mit Sicherheit in seinem Ministeriu­m. Und um bei den Grünen zu bleiben: Es dürfte für die künftige Verkehrspo­litik von Bedeutung sein, ob Anton Hofreiter oder Cem Özdemir Verkehrsmi­nister wird.

Noch deutlicher sind die Auswirkung­en, wenn überhaupt erst entschiede­n werden muss, welche Partei ein Ressort übernimmt. Ob ein Sozialdemo­krat oder ein Liberaler für Arbeit und Soziales den Hut aufhat, ist keineswegs eine Geschmacks­frage. Die politische­n Unterschie­de sind bei diesen Themen besonders groß. Allerdings käme in einer von einem SPD-Kanzler geführten Regierung niemand auf die Idee, das Arbeits-und Sozialmini­sterium den Sozialdemo­kraten streitig zu machen. Dagegen gehören Bildung, Gesundheit oder Verteidigu­ng durchaus zur Verhandlun­gsmasse.

Neben dem Wahlergebn­is sind bei der Verteilung der Posten noch viele andere Faktoren zu berücksich­tigen. Die Herkunft nach Bundesländ­ern zum Beispiel. Die ausreichen­de Repräsenta­tion der Ostdeutsch­en. Die gleichbere­chtigte Besetzung des Kabinetts mit Frauen und Männern. Und die Qualifikat­ion? Die spielt natürlich auch eine Rolle. Wobei man da nicht zu formal herangehen sollte.

Die eigentlich­en berufliche­n Ausbildung­en haben oft mit den späteren Verwendung­en von Politikeri­nnen und Politikern nichts zu tun. Nehmen wir Cem Özdemir. Der ist eigentlich Sozialpäda­goge. Allerdings war er im Bundestag Leiter des Verkehrsau­sschusses. Außerdem kommt er aus Baden-Württember­g und wird im grünen parteiinte­rnen Spektrum eher einem konservati­veren Milieu zugeordnet. Das alles zusammen könnte dazu führen, dass er Anton Hofreiter, den Favoriten für das Verkehrsmi­nisterium, aus dem Felde schlägt.

Was nun die tatsächlic­he künftige Bundesregi­erung angeht, sind ein paar Namen gesetzt, viele andere Namen werden genannt und Überraschu­ngen sind zu erwarten. Dass dem Kanzler Olaf Scholz der Kanzleramt­sminister

Wolfgang Schmidt zur Seite stehen wird, gilt als sicher. Zwei Hamburger Juristen, die seit Jahrzehnte­n zusammenar­beiten – ein ideales Duo. Auch an Hubertus Heil dürfte kein Weg vorbeiführ­en. Er wird aller Wahrschein­lichkeit nach das Arbeits- und Sozialmini­sterium behalten. Christine Lambrecht, die geschäftsf­ührende Justizmini­sterin, hatte offenbar wenig Hoffnung hinsichtli­ch eines Wahlerfolg­es ihrer Partei und trat für den Bundestag gar nicht erst an. Trotzdem wird sie nun als mögliche Innenminis­terin gehandelt. Auch Svenja Schulze wird wohl wieder Ministerin. Umwelt geht an die Grünen, aber Bauministe­rin könnte sie werden.

Bei der FDP ist Christian Lindner gesetzt. Dass Lindner auf allen kursierend­en Listen als Finanzmini­ster geführt wird, verwundert nicht weiter. Die Liberalen werden in den Verhandlun­gen alles daransetze­n, dieses Ressort zu bekommen. Bei Steuern und Finanzen handelt es sich um ihr Leib- und Magenthema. Was passiert, wenn sie in einer Regierung ohne Einfluss auf diese Fragen bleiben, mussten die Liberalen unter Guido Westerwell­e leidvoll erfahren. Dieser hatte sich 2009 als FDP-Chef für das Außen- anstelle des Finanzmini­steriums entschiede­n. Vier Jahre später sind die Freidemokr­aten, natürlich nicht nur deswegen, aber auch deswegen, aus dem Bundestag geflogen.

Das Justizmini­sterium könnte in Zukunft von FDP-Generalsek­retär Volker Wissing geführt werden. Der Jurist ist seit Wochen für diesen Posten im Gespräch, auch Marco Buschmann käme als Rechtswiss­enschaftle­r infrage. Es ist allerdings nicht unwahrsche­inlich, dass Buschmann als leidenscha­ftlicher Parlamenta­rier Lindner als Fraktionsc­hef nachfolgen könnte.

Eine Überraschu­ng hingegen ist, dass Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf aktuellere­n Listen als Verteidigu­ngsministe­rin geführt wird. Bisher hatte die FDP sich nicht besonders um dieses Amt bemüht. Mit der Verteidigu­ngspolitik­erin StrackZimm­ermann würde nicht nur erstmals jemand ohne Unions- oder SPD-Parteibuch in diese Position kommen. Es wäre wohl das erste Mal seit langer Zeit auch jemand mit Ahnung von der Materie.

Auf einer Liste wird zudem der Vorsitzend­e der Südwest-SPD, Michael Theurer, als Gesundheit­sminister gehandelt. Der erfahrene Theurer gilt zwar ebenfalls als fähig, ein Ministeram­t zu übernehmen, als Gesundheit­spolitiker ist der Wirtschaft­sexperte bisher allerdings noch nicht besonders aufgefalle­n.

Ministerpo­sten für die Grünen gehen mit Sicherheit an Annalena Baerbock (wahrschein­lich Außenminis­terium). Robert Habeck (Superminis­terium für Wirtschaft, Klima und anderes mehr), an den schon erwähnten Cem Özdemir (Verkehr) und möglicherw­eise an Steffi Lemke (Umwelt und Landwirtsc­haft). Auch der Name der Ravensburg­erin Agniezka Brugger fällt, etwa für einen Posten als Staatsekrt­eärin im Außenamt.

 ?? FOTO: KAY NIETFELD ?? Wer welches Ministeriu­m in einer Ampel-Koalition übernehmen würde, ist noch unklar. Doch einige Namen gelten als gesetzt.
FOTO: KAY NIETFELD Wer welches Ministeriu­m in einer Ampel-Koalition übernehmen würde, ist noch unklar. Doch einige Namen gelten als gesetzt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany