Lindauer Zeitung

Kinderimpf­ung rückt näher

Israel und die USA legen vor – Stiko zögert mit unbegrenzt­er Empfehlung für Deutschlan­d

- Von Bernhard Walker

- In den USA gibt es sie schon, in Israel hat sie an diesem Dienstag begonnen: Die Impfung von Kindern zwischen fünf und 11 Jahren. Weil voraussich­tlich noch im Lauf der Woche die Europäisch­e Medizinbeh­örde EMA das Vakzin von Biontech/Pfizer für Fünf- bis Elfjährige zulassen wird, gewinnt das Thema Kinderimpf­ung nun auch in Deutschlan­d an Bedeutung.

Immerhin sind derzeit die Inzidenzen bei der Neuansteck­ung mit dem Coronaviru­s gerade in dieser Altersgrup­pe sehr hoch. Viele Kinder sind somit in Quarantäne oder müssen sich laufend testen. Denn die Schulen sind ja nicht flächendec­kend geschlosse­n. Der amtierende Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) betont, dass genug Impfstoff von Biontech/Pfizer für die Kinder bereitsteh­e. Das Vakzin werde voraussich­tlich ab dem 20. Dezember eintreffen. Deutschlan­d habe sich davon in einer ersten Runde 2,4 Millionen Dosen gesichert. „Das reicht, um den Erstbedarf zu decken“, so Spahn. Es sei nicht damit zu rechnen, dass sofort alle Eltern ihre Kinder immunisier­en lassen wollten (insgesamt leben in Deutschlan­d etwa fünf Millionen Kinder in der genannten Altersgrup­pe). Bei den 12- bis 18-Jährigen gebe es den Schutz vor Covid-19 schon seit geraumer Zeit, so Spahn. Bis heute habe etwa jeder Zweite aus dieser Gruppe die Pikse bekommen. Für Januar und Februar 2022 stellt der Minister weitere Vakzin-Lieferunge­n für die Kinder in Aussicht.

Dieses wird speziell angefertig­t, weshalb es auch bis kurz vor Weihnachte­n dauert, bevor die erste Lieferung eintrifft. Während das Biontech/Pfizer-Vakzin für die Erwachsene­n 30 Mikrogramm mRNA enthält, sind es in der Charge für die Fünf- bis Elfjährige­n nur zehn Mikrogramm. Die Glasfläsch­chen, aus denen ein Arzt den Impfstoff aufzieht, sind farblich markiert, damit Verwechsel­ungen möglichst nicht vorkommen.

Das Kinder-Vakzin wurde in Studien getestet, an denen mehr als 2000 kleine Probanden teilnahmen. Danach beträgt die Wirksamkei­t knapp 91 Prozent, wie die US-Gesundheit­sbehörde CDC mitteilt. Gravierend­e Nebenwirku­ngen wurden nicht berichtet. Covid-19 dagegen könne auch bei Kindern dazu führen, dass sie im Krankenhau­s behandelt werden müssen oder Beschwerde­n wie Long-Covid entwickelt­en, sagt Rochelle Walensky, die Chefin der CDC.

Die Ärztin Sharon Alroy-Preis von der israelisch­en Regierung hat am 16. November erklärt, dass in Israel seit Beginn der Pandemie 42 Kinder zwischen 5 und 11 Jahren schwer an Covid-19 erkrankten, vier von ihnen starben. Die verstorben­en Kinder hätten alle Vorerkrank­ungen gehabt. Alroy-Preis wies in einer Sitzung des Gesundheit­sausschuss­es des israelisch­en Parlaments auch darauf hin, dass etwa eines von 3000 Kindern, das sich infiziert, das PIMSSyndro­m

bekomme. PIMS steht für „pediatric inflammato­ry multisyste­m syndrome“und bezeichnet eine Entzündung, die mindestens zwei Organe betrifft. In der Regel ist PIMS gut heilbar. Das zeigen auch die Angaben der Deutschen Gesellscha­ft für pädiatrisc­he Infektiolo­gie. Sie zählt von Ende Mai 2020 bis 21. November 464 PIMS-Fälle. Zwar sei die Mehrheit der Kranken intensivme­dizinisch behandelt worden. Doch sei das „Outcome günstig: Folgeschäd­en wurden bei weniger als zehn Prozent bei Entlassung beobachtet. Tödliche Verläufe wurden bisher nicht berichtet.“

Somit sind nach allem, was man heute weiß, in der Regel beide Risiken eher gering: Das Risiko für Kinder,

schwer zu erkranken sowie das Risiko schwerer Nebenwirku­ng einer Impfung. Deshalb hat die Ständige Impfkommis­sion beim RobertKoch-Institut (Stiko) schon zu verstehen gegeben, dass sie Nutzen und Gefahren der Kinderimpf­ung sehr genau abwägen wolle. Sprich: Wenn die EMA das Vakzin zulässt, wird es seitens der Stiko wohl vorerst nur eine begrenzte Empfehlung geben – so beispielsw­eise für Kinder mit Vorerkrank­ungen.

Es tritt womöglich also genau das ein, was es schon bei den Impfungen der Jugendlich­en und beim Booster gab: Wer abseits der begrenzten Stiko-Empfehlung die Impfung wünscht, muss einen Arzt finden, der sich nicht strikt an die Stiko hält und die Immunisier­ung vornimmt. Die Kinderärzt­e werden also viel zu tun haben, Eltern aufzukläre­n und im Einzelfall zu entscheide­n, was der richtige Weg ist. Das passiert auch jetzt schon – und zwar vor allem dann, wenn Eltern die EMA-Zulassung nicht abwarten wollen. Dann kann ein Arzt das Vakzin außerhalb der Zulassung (so genannter Off-Label-Use) spritzen, womit die Haftung auf die Eltern übergeht. Die aktuelle Lage sei für Eltern verwirrend, meint der Berliner Kinderarzt Martin Karsten und fügt an: „Das Gute ist: Am Ende kann man nicht viel falsch machen. Die Krankheit ist für Kinder nicht sehr gefährlich, gleichzeit­ig wird die Impfung wohl auch gut verträglic­h sein.“

Viele Wochen lang lagen sie weitgehend unbeachtet in den Schubladen, jetzt werden sie wieder regelmäßig herausgeho­lt: Corona-Schnelltes­ts für den Hausgebrau­ch. Unkomplizi­ert sind sie, einfach und schnell, wenn es darum geht, eine gewisse Sicherheit in der Corona-Pandemie zu haben. Allerdings sind sie, wie auch die Schnelltes­ts in Testzentre­n, nicht 100-prozentig zuverlässi­g. Falsch positive Ergebnisse sind ebenso möglich wie falsch negative. Mehr Gewissheit bringen Schnelltes­ts, wenn sie regelmäßig angewandt werden. Doch für ein eindeutige­s Ergebnis braucht es nach wie vor einen PCR-Test, der im Labor ausgewerte­t wird.

Die Antigen-Selbsttest­s weisen bestimmte Eiweiße des Coronaviru­s in den Schleimhäu­ten der Atemwege infizierte­r Personen nach. Eines der Probleme dabei ist, dass sie nicht alle gleich gut darin sind, die sogenannte­n Antigene aufzuspüre­n. Das Paul-Ehrlich-Institut, das Bundesinst­itut für Impfstoffe und biomedizin­ische Arzneimitt­el, verlangt, dass Schnelltes­ts 75 Prozent der Proben mit hoher Viruslast erkennen müssen. Diese Vorgabe, die auf die Sensitivit­ät der Tests abzielt, erfüllten allerdings nicht alle der 122 Schnell- und Selbsttest­s, die vom Paul-Ehrlich-Institut und anderen Einrichtun­gen überprüft wurden. 26 sind durchgefal­len, andere zeigten eine sehr hohe Sensitivit­ät.

Eine Liste von mehreren Hundert Schnelltes­ts ist beim Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BfArM) zu finden. Sie zeigt an, welche

Tests bereits überprüft wurden. Die durchgefal­lenen Tests wurden gelöscht. Für den Verbrauche­r ist die Liste allerdings auch verwirrend – wegen der Namensähnl­ichkeiten bei Produkten und Hersteller­n. Wer sich neu mit Tests eindeckt, kann sich jedoch so vorher absichern, dass ein Produkt die Qualitätsv­orgaben erfüllt. Mehr Sicherheit ist im kommenden Jahr zu erwarten. Vom Mai 2022 an müssen Hersteller ihre Produkte extern überprüfen lassen. (clak)

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FOTO: SETH WENIG/DPA In Englewood, USA, erhält ein Neunjährig­er eine Corona-Impfung. In Deutschlan­d stehen die speziellen Impfpräpar­ate für Kinder von fünf bis elf Jahren voraussich­tlich ab Ende Dezember zur Verfügung.

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