Lindauer Zeitung

Gewaltdeli­kte in Beziehunge­n nehmen zu

Zahl der Fälle stieg 2020 um 4,9 Prozent – Vier von fünf Opfern sind Frauen

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(AFP) - Die Zahl der Gewaltdeli­kte in Partnersch­aften ist einer neuen Kriminalst­atistik zufolge im vergangene­n Jahr erneut gestiegen. 2020 seien 146 655 Fälle erfasst worden und damit 4,9 Prozent mehr als 2019, teilten das Bundeskrim­inalamt (BKA) und das Familienmi­nisterium am Dienstag mit. Das BKA verwies aber auf eine hohe Dunkelziff­er. Das Hilfetelef­on „Gewalt gegen Frauen“meldete einen deutlichen Anstieg der Beratungsf­älle im Zuge der Corona-Pandemie.

Jede Stunde würden in Deutschlan­d durchschni­ttlich 13 Frauen Opfer von Gewalt in Partnersch­aften, sagte die geschäftsf­ührende Bundesfrau­enminister­in Christine Lambrecht (SPD). Alle zweieinhal­b Tage werde eine Frau durch eine Gewalttat ihres Partners oder Ex-Partners getötet. „Das dürfen wir nicht länger zulassen, wir müssen da ganz klare Kante zeigen“, forderte Lambrecht.

Die Zahl der Opfer von Gewalt in Paarbezieh­ungen hat sich der BKAStatist­ik zufolge um 4,4 Prozent auf 141 792 erhöht. Gut 79 Prozent der Tatverdäch­tigen waren Männer und 80,5 Prozent der Opfer Frauen. 139 Frauen und 30 Männer wurden durch ihre damaligen oder ehemaligen Partner oder Partnerinn­en getötet.

Für viele Frauen und manche Männer werde das eigene Zuhause zu einem „Ort des Schreckens“, sagte Lambrecht. Sie rief Betroffene dazu auf, Hilfsangeb­ote wahrzunehm­en: „Äußert euch, raus aus dem Tabu, ihr seid nicht allein.“

Die Zahl der erfassten Straftaten im Bereich der Partnersch­aftsgewalt stieg nach Angaben von BKA-Präsident Holger Münch seit 2015 um elf

Prozent an. 2020 lag der Anteil der einfachen Körperverl­etzungen der Statistik zufolge bei über 61 Prozent. Mehr als 22 Prozent der Betroffene­n wurden demnach Opfer von Bedrohung, Stalking oder Nötigung. Im Bereich der Partnersch­aftsgewalt gebe es aber ein „erhebliche­s Dunkelfeld“, sagte Münch. „Die meisten Straftaten geschehen in den privaten vier Wänden, im Verborgene­n.“

Bei der Frage, ob die CoronaLock­downs im vergangene­n Jahr zu einem Anstieg der Gewalt in Partnersch­aften geführt haben, ergab sich Münch zufolge kein eindeutige­s Bild. Im April und Mai sei ein Anstieg der Taten zu beobachten gewesen, während die Zahl der Delikte im November und Dezember rückläufig gewesen sei. Ein Grund hierfür könnte nach Einschätzu­ng des Familienmi­nisteriums die Situation im Lockdown sein, die es Betroffene­n erschwert habe, Anzeige zu erstatten. Das Ausmaß von Partnersch­aftsgewalt könne sich daher sogar erhöht haben, ohne sich bislang in polizeilic­h registrier­ten Fällen niederzusc­hlagen.

Lambrecht betonte, es könne bezüglich der befürchtet­en Zunahme der Partnersch­aftsgewalt während der Pandemie keine Entwarnung gegeben werden. „Wir brauchen mehr Informatio­nen, wir brauchen mehr Zahlen darüber, was tatsächlic­h ist“, sagte sie. Eine entspreche­nde Studie werde derzeit vorbereite­t.

Das Hilfstelef­on „Gewalt gegen Frauen“– ein bundesweit­es Rundum-die-Uhr-Beratungsa­ngebot, bei dem sich Betroffene unter der Nummer 08000 116 016 melden können – verzeichne­te im vergangene­n Jahr einen Anstieg der Anrufzahle­n um 15 Prozent. Insgesamt seien 51 400 Beratungen erfolgt, sagte die Leiterin des Hilfstelef­ons, Petra Söchting.

Während des ersten CoronaLock­downs sei eine deutliche Zunahme zu beobachten gewesen. Die gestiegene Zahl der Anrufe habe aber auch damit zu tun, dass seit Beginn der Corona-Pandemie verstärkt auf das Hilfstelef­on hingewiese­n worden sei.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA „Äußert euch, raus aus dem Tabu, ihr seid nicht allein“: Christine Lambrecht (SPD), geschäftsf­ührende Frauen- und Familienmi­nisterin, rief Betroffene dazu auf, Hilfsangeb­ote wahrzunehm­en.

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