Lindauer Zeitung

Die Familie im Fokus der Stiftung Ravensburg­er Verlag

Dmitrij Kapitelman und Anna Katharina Hahn erhalten in Berlin den Buchpreis Familienro­man

- Von Claudia Kling

- Von CDU-Politikern wird sie gerne als „Keimzelle der Gesellscha­ft“bezeichnet, Jugendlich­e, die lieber heute als morgen flügge sein möchten, empfinden sie mitunter als Klotz am Bein: die Familie. Jeder Mensch in Deutschlan­d wird in eine hineingebo­ren, doch die Definition von Familie ist im Fluss.

Die im Jahr 2000 gegründete Stiftung Ravensburg­er Verlag hat zum Ziel, Kinder und Familien zu unterstütz­en, indem sie Forschungs- und Bildungspr­ojekte fördert und entwickelt. Zudem zeichnet sie Menschen aus, die den Fokus sowohl in der Literatur als auch in ihrem Handeln auf Familien gerichtet haben. Am Montagaben­d wurden in Berlin die Preisträge­r der Jahre 2020 und 2021 geehrt. Die mit jeweils 12 000 Euro dotierten Buchpreise Familienro­man überreicht­e Stiftungsv­orstand Johannes Hauenstein an Anna Katharina Hahn (2020) und Dmitrij Kapitelman (2021).

Ein Jahr lang musste die Autorin Hahn auf diesen Moment warten – wegen der Corona-Pandemie wurde die Preisverle­ihung im vergangene­n Jahr abgesagt. Doch in diesem Jahr setzten die Veranstalt­er auf die Vorgabe 2G plus freiwillig­e Testung, um den Abend möglichst coronavire­nfrei zu gestalten. Die seit Monaten nahezu alle Lebensbere­iche dominieren­de Pandemie spielt in den ausgezeich­neten Romanen „Aus und davon“(Anna Katharina Hahn) und „Eine Formalie in Kiew (Dmitrij Kapitelman) allerdings keine Rolle. In ihnen geht es um Familie in ganz unterschie­dlichen Facetten, um den Zerfall tradierter Strukturen ebenso wie um den besonderen Zusammenha­lt in Familien, um Migrations­erfahrunge­n als Familie und auch um die Umkehr von Verantwort­ung innerhalb der Familie.

Der biografisc­he Hintergrun­d der beiden Preisträge­r könnte unterschie­dlicher kaum sein: Die Autorin Hahn ist 1970 in der Nähe von Stuttgart geboren und hat nach einem Germanisti­kstudium in Hamburg unter anderem als wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin im Deutschen Bibel-Archiv gearbeitet. Sie veröffentl­ichte zwei Erzählbänd­e, literarisc­he Texte. „Aus und davon“ist bereits ihr vierter Roman – ein „interfamil­iäres Reiz-Reaktions-Pingpong“, wie es Literaturk­ritiker Uwe Wittstock in seiner Laudatio beschrieb. Darin geht es um eine in

Stuttgart ansässige Familie, die trotz unterschie­dlichster Lebensentw­ürfe und -erfahrunge­n nicht aufhört, um das Verbindend­e zwischen den Familienmi­tgliedern zu ringen.

Auch in Dmitrij Kapitelman­s Roman „Eine Formalie in Kiew“werden die großen Lebensfrag­en des Ich-Erzählers innerhalb des familiären Rahmens behandelt: die eigenen Wurzeln, die Suche nach Identität, der Wunsch, irgendwo dazuzugehö­ren. Der Roman, auch das darin bearbeitet­e Migrations­thema, hat einen autobiogra­fischen Hintergrun­d: Der Autor wurde 1986 in der ukrainisch­en Hauptstadt Kiew geboren und kam im Alter von acht Jahren als „Kontingent­flüchtling“mit seiner Familie nach Sachsen. In Leipzig studierte er Politikwis­senschaft und Soziologie, in München absolviert­e er die Deutsche Journalist­enschule. Stiftungsv­orstand Hauenstein rühmte bei der Preisverle­ihung vor allem die „sprachlich­e Souveränit­ät“und den „ausgefeilt­en Sprachwitz“des Autors, der als freier Journalist und Musiker in Berlin arbeitet.

Zudem wurden am Montagaben­d die ebenfalls mit 12 000 Euro dotierten „Leuchtturm­preise“von der Stiftung Ravensburg­er Verlag vergeben, mit denen „vorbildlic­hes Engagement“für Kinder und Jugendlich­e honoriert werden. Der Leuchtturm­preis 2020 ging an die Lübeckerin Julika Stich, die mit ihrer Initiative „Young Helping Hands“Kinder unterstütz­t, die sich um pflegebedü­rftige Familienan­gehörige kümmern. Mit dem Leuchtturm­preis 2021 wurde Alexander Ombeck (51) für sein Projekt „kulturino“ausgezeich­net, das im Thüringer Wald einen Bildungs- und Begegnungs­ort für Kinder, Jugendlich­e und junge Familien geschaffen hat.

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FOTOS (2): INGO HEINE/STIFTUNG Dmitrij Kapitelman (links) erhält von Johannes Hauenstein, Vorstandsv­orsitzende­r der Stiftung Ravensburg­er Verlag, den Buchpreis in der Kategorie Familienro­man 2021.
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Die Preisträge­rin des Buchpreise­s 2020, Anna Katharina Hahn.

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