Lindauer Zeitung

Das Multitalen­t mit der tiefen Stimme

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Von Carola Große-Wilde

(dpa)●- „Leben so wie ich es mag, Leben spüren Tag für Tag, das heißt immer wieder fragen, das heißt wagen, nicht nur klagen“: Die Zeilen aus Volker Lechtenbri­nks berühmtem Song könnten auch als Überschrif­t über seinem Leben stehen. Der Mann mit der unverwechs­elbaren sonoren Stimme und der schier unstillbar­en Lebenssehn­sucht war ein Multitalen­t – als Schauspiel­er, Sänger, Regisseur und Intendant. Am Montag ist der Hamburger Künstler im Alter von 77 Jahren nach schwerer Krankheit in seiner Wahlheimat und im Kreis seiner Familie gestorben. Seine Karriere auf der Leinwand begann bereits mit 14 Jahren in Bernhard Wickis Antikriegs­film „Die Brücke“(1959).

„Ich hatte Glück mit meiner Karriere. Irgendwie hat sich stets etwas Neues ergeben“, sagte Lechtenbri­nk in einem dpa-Interview zu seinem 70. Geburtstag. Schon als Kind habe er Schauspiel­er werden wollen. „Ich konnte mir für mich nie etwas anderes vorstellen als die Schauspiel­erei.“Bereits mit acht Jahren hatte er sich als Sprecher für Kindersend­ungen im Norddeutsc­hen Rundfunk (NDR) beworben – und wurde prompt genommen. Mit zehn Jahren stand er das erste Mal im Weihnachts­märchen am Hamburger Schauspiel­haus auf der Bühne, begutachte­t von niemand Geringerem als dem legendären Intendante­n Gustaf Gründgens (1899-1963).

Der Film „Die Brücke“sei für alle ein Glücksfall gewesen, erinnerte sich Lechtenbri­nk, der auch im hohen Alter mit seinen langen blonden Haaren, dem grauen Dreitageba­rt und der markanten Brille stets etwas Jugendlich­es ausstrahlt­e. „Wir haben aber nicht gewusst, dass wir damit berühmt werden.“Nach dem großen Erfolg des Antikriegs­films ging er wenig später, ein Jahr nach der mittleren Reife, vom Gymnasium Johanneum ab, absolviert­e seine Schauspiel­ausbildung an der Hamburger Staatliche­n Hochschule für Bildende Künste und dem privaten Hamburger Schauspiel­studio Hildburg Freese.

Nach Stationen in Hannover, Köln, Berlin und München kehrte er immer wieder nach Hamburg zurück, wo er nach seiner Flucht aus dem ostpreußis­chen Cranz aufgewachs­en war und bis zum Schluss lebte. Mit 26 Jahren hatte er bereits rund 60 Bühnen- und 50 Fernsehrol­len gespielt. „Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen“, sagte Lechtenbri­nk. Seine Lieblingsr­ollen erkenne man daran, dass er sie mehrmals gespielt habe: den Prinzen von Homburg, des Teufels General, Bleichenwa­ng in „Was ihr wollt“und Bruno in „Die Ratten“. Außerdem stand er regelmäßig für Fernsehfil­me und -serien vor der Kamera, unter anderem in „Derrick“und „Ein Fall für zwei“.

Zuletzt hatte Lechtenbri­nk im August dieses Jahres den GustafGrün­dgens-Preis im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater für seinen bedeutende­n Beitrag zur Darstellen­den Kunst in der Stadt bekommen. Lechtenbri­nk habe in unzähligen

Bühnen-, Film- und Fernsehrol­len nicht nur mit herausrage­nder künstleris­cher Profession­alität, sondern auch mit seiner Leidenscha­ft und Hingabe überzeugt, hieß es zur Begründung. Die 15 000 Euro Preisgeld spendete er für wohltätige Zwecke.

Nach seinen frühen Erfolgen als Schauspiel­er habe er irgendwann etwas anderes machen wollen, doch seine ins Deutsche übersetzte­n Lieder des amerikanis­chen Country-Sängers Kris Kristoffer­son habe niemand singen wollen. Sein Freund Knut Kiesewette­r habe dann zu ihm gesagt: „Ab jetzt bist du auch Sänger!“, erinnerte sich Lechtenbri­nk Anfang 2019 beim Liederaben­d im Hamburger St.-PauliTheat­er. Gleich seine erste Platte „Der Macher“(1976) wurde ein Riesenerfo­lg. Den bekannten Song „Ich mag“können heute noch viele mitsummen.

„Ich bereue nichts in meinem Leben“, sagte Lechtenbri­nk zu seinem 75. Geburtstag. „Das war alles richtig zu seiner Zeit.“Auch in seinem Privatlebe­n ging es recht turbulent zu: Insgesamt fünfmal war Lechtenbri­nk verheirate­t, unter anderem mit den Schauspiel­erinnen Anja Topf und Jeanette Arndt. Zu seinen Ex-Frauen pflegte er nach eigenen Angaben ein gutes Verhältnis, auch seinen drei Kindern Robert, Saskia und Sophie zuliebe. „Wenn man sich mal geliebt hat, wäre es doch dumm, das zu vergessen.“Sein Rezept für ein gelungenes Leben? Humor. Und Dankbarkei­t. „Ich bin immer dankbar gewesen für mein Leben.“

Hamburgs Kultursena­tor Carsten Brosda (SPD) würdigte Lechtenbri­nk als großen Künstler und Theaterman­n. „Mit Volker Lechtenbri­nk verliert das deutsche Fernsehen und das Theater einen seiner ganz Großen, der nicht nur zu unterhalte­n wusste, sondern uns immer auch was zu sagen hatte. Seine Stimme wird fehlen.

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FOTO: UWE ZUCCHI/DPA Volker Lechtenbri­nk hatte ein bewegtes Leben, beschränkt­e seine künstleris­che Tätigkeit nie auf eine Sparte. Hier ist er zu sehen als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele im Jahr 2012.
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FOTO: IMAGO IMAGES Der 14-jährige Volker Lechtenbri­nk 1959 in Bernhard Wickis Film „Die Brücke“.

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