Lindauer Zeitung

Nachbar entdeckt mutmaßlich­en Drogenhand­el

Ein 28-jähriger Mann soll in seiner Wohnung mit Cannabis, Kokain und Amphetamin­en gehandelt haben

- Von Lisamarie Haas

- Der Angeklagte wirkt vollkommen unbeeindru­ckt. Ein 28 Jahre alter Mann muss sich vor dem Landgerich­t Kempten wegen bewaffnete­n Drogenhand­els verantwort­en. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor, aus seiner Wohnung in Lindau heraus bewaffnete­n Handel mit Betäubungs­mitteln betrieben zu haben. Am ersten von mindestens zwei Verhandlun­gstagen erzählen mehrere Polizisten wie sie dem Angeklagte­n auf die Schliche gekommen sind.

Er trägt ein graues T-Shirt, eine schwarze Trainingsh­ose und Sneaker. Es ist nicht das erste Mal, dass der 28-Jährige vor Gericht ist. Schon vor drei Jahren verbüßte er eine Gefängniss­trafe wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungs­mittelgese­tz. Im September 2020 fiel er der Polizei wieder auf, weil er einen Joint an eine Frau verkauft haben soll. Kurz darauf durchsucht­e die Polizei seine Wohnung und fand dort Cannabis, Kokain und größere Mengen Bargeld.

Der Angeklagte schildert seine Sicht der Dinge routinemäß­ig, als hätte er alles im Griff. Sowohl was die Akten zu seinem Verfahren betrifft als auch seine Schilderun­gen von seinem alltäglich­en Umgang mit Drogen.

Ungünstig für den Angeklagte­n: In seiner unmittelba­ren Nachbarsch­aft wohnt ein Grenzpoliz­ist. Der beobachtet immer wieder, dass mehrmals am Tag Personen an der Wohnungstü­r des Angeklagte­n klingeln, für ein paar Minuten darin verschwind­en und dann wieder gehen.

„Manche kamen sogar mehrmals die Woche“, sagt der Grenzpoliz­ist vor Gericht als Zeuge aus. Ende Januar dieses Jahres – er hat bereits Feierabend – fallen dem Polizisten wieder zwei Personen auf, die kurzzeitig in der Wohnung verschwind­en und dann wieder mit ihrem Auto davonfahre­n.

Seine Kollegen kontrollie­ren das Fahrzeug und finden bei den Männern Marihuana. Die beiden geben laut Polizei an, sie hätten es soeben beim Angeklagte­n gekauft. Daraufhin planen die Polizisten einen Einsatz. Sie wollen die Wohnung des 28Jährigen durchsuche­n. In der Zwischenze­it verlässt der Angeklagte allerdings das Haus mit einer Tüte. Polizisten in Zivil sprechen den Angeklagte­n an und wollen seinen Ausweis sehen. Stattdesse­n ergreift der die Flucht. „Ich bin einfach nur gerannt, ich habe gar nichts mehr mitbekomme­n“, sagt der Angeklagte nun vor Gericht.

Nach einigen Minuten gelingt es den Polizisten, den Angeklagte­n festzunehm­en. Ein weiterer Polizist hatte einmal mehrere Jahre in der Nachbarsch­aft gewohnt und kannte sich deshalb gut in der Gegend aus. So konnte er dem Angeklagte­n auf seiner kurzen Flucht den Weg abschneide­n. Die Ermittler entdecken dabei außerdem ein Drogen-Depot in einer Hecke. „Dort habe ich meinen Eigenbedar­f versteckt“, gibt der 28Jährige zu.

Eigenbedar­f ist das Stichwort, denn alle Drogen, die beim Angeklagte­n gefunden werden, will er nur zum Eigenkonsu­m genutzt haben.

„Das gehört nicht mir, ich habe die Drogen nur konsumiert“, sagt er. Einen Joint verkauft haben will er auch nicht, er kennt sich aber sehr gut aus in der Welt der Drogen. Der Vorwurf lautet, er habe zehn Euro dafür verlangt. „Das stimmt hinten und vorne nicht. Niemand zahlt zehn Euro für einen Joint.“

Mit dem Bargeld, das in seiner Wohnung gefunden wurde, habe er einen Teil seiner Kaution für die Wohnung zahlen wollen, gibt der Angeklagte an. Außerdem fand die Polizei mehrere Waagen in der Wohnung und ein Küchenmess­er auf dem Wohnzimmer­tisch. Staatsanwa­lt David Beck wirft ihm vor, damit habe er sich beim Drogenhand­el im Falle von Konflikten verteidige­n wollen. „Ich brauche kein Messer, um mich zu verteidige­n“, erwidert der Angeklagte darauf. „Ich habe mehrere Jahre Kampfsport gemacht.“Das Messer habe er benutzt, um eine Mango aufzuschne­iden und den Karton, in dem die Drogen bei ihm ankamen.

Denn größere Mengen Cannabis, Amphetamin­e und Kokain habe er nur zu Hause gehabt, weil ein Bekannter ihn darum gebeten habe, die Drogen an einen Kunden nahe der österreich­ischen Grenze zu übergeben. Als Bezahlung für seine Kuriertäti­gkeit habe er sich Drogen abzwacken dürfen, die er dann selbst konsumiere­n wollte. „Das habe ich dann natürlich gerne gemacht“, gibt der Angeklagte zu. Den Bekannten habe er während seiner Ausbildung im Landkreis Lindau kennengele­rnt. Der Bekannte sollte ebenfalls als Zeuge vor Gericht erscheinen, war am Verhandlun­gstag aber verhindert. Er soll nun am zweiten Verhandlun­gstag am Freitag aussagen sowie die Verlobte des Angeklagte­n.

Dann könnte sich herausstel­len, ob der Angeklagte versucht, die Schuld auf seinen Bekannten zu schieben. Das vermutet unter anderem einer der Polizisten, der den Angeklagte­n während seines Aufenthalt­s in der Untersuchu­ngshaft vernommen hat und nun auch vor Gericht als Zeuge geladen war. „Er wollte nur den Verdacht von sich ablenken“, so der Polizist. Denn eine Überprüfun­g des Bekannten, bei der die Polizei sogar das Telefon des Mannes abgehört hat, habe nichts ergeben. „Der Mann hat kein Geld. 250 Gramm Marihuana muss man sich auch erst einmal leisten können. Das ist ganz weit weg. Eigentlich vom Mond.“

Mehrere Hundert Gramm Marihuana, Amphetamin­e und Kokain haben die Polizisten insgesamt beim Angeklagte­n und seiner Freundin gefunden. Das Verfahren gegen die Verlobte wurde allerdings abgetrennt und wird gesondert verhandelt. Sollte das Gericht befinden, dass der Tatvorwurf des bewaffnete­n Handels mit Drogen zutreffend ist, könnten den Angeklagte­n mindestens fünf Jahre Haft erwarten. Ob das Urteil am Freitag fallen wird, ist aber noch unklar. Möglicherw­eise wird das Gericht um den Vorsitzend­en Richter Christian Roch noch einen weiteren Verhandlun­gstag benötigen.

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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA In der Wohnung des Angeklagte­n wurden Marihuana, Amphetamin­e und Kokain gefunden.

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