Im Stich gelassen
Sportfreunde Friedrichshafen müssen wegen einer Platzsperre ausweichen
- Plötzlich wurde Anja Meissner ganz sentimental. „Ich hatte Tränen in den Augen“, sagt die Vorsitzende des Fußball-B-Ligisten Sportfreunde Friedrichshafen. Sie spürte „Hilflosigkeit, Wut, Enttäuschung und Angst“und fragte sich „Wie erklärst du das den Fußballern?“. So beschreibt die 45-Jährige den Moment, als sie am 14. Oktober von der Stadt Friedrichshafen über die neuerliche Verschiebung der Errichtung der fehlenden Ballfangzäune unterrichtet wurde. Für den Club hat das Folgen: Der Platz der Sportfreunde bleibt weiter gesperrt. Es droht nun eine komplette Saison ohne richtiges Heimspiel.
Die Problematik besteht seit der Fertigstellung des letzten Teilabschnitts auf der neuen Bundesstraße 31 im August 2021. Nur wenige Meter davon entfernt liegt nämlich der 2018 eröffnete Kunstrasenplatz an der Waggershauser Straße – ohne Ballfangzäune besteht das nicht verantwortbare Risiko, dass Bälle über das Seitenaus auf die Straße fliegen könnten. Genau darauf wies Meissner schon vor zwei Jahren hin. „Aber ich wurde nicht ernst genommen und habe kein Gehör gefunden“, meint die Vorsitzende der Sportfreunde im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Doch irgendwann haben auch die Bauverantwortlichen sowie die Vertreter von Stadt und Land bei den Begehungen vor Ort erkannt, dass Ballfangzäune zwingend notwendig sind. Eigentlich sollten diese dann auch schon im August 2021 stehen, dann hätten die Sportfreunde dort weiter trainieren und spielen können. Es ist aber ein Datum von vielen, die Planungen haben sich mehrmals geändert. „August, Oktober, November, dann April 2022 und Juli 2022 – mittlerweile hat man uns fünf Termine zugesagt. Ständig werden wir vertröstet“, berichtet Meissner.
Zwar werden die „250 000 bis 300 000 Euro“teuren Ballfangzäune vom Regierungspräsidium gezahlt, aber das sei für Meissner auch nur logisch. „Wir sind unverschuldet in die Situation reingerutscht“, so die Vorsitzende. Ansonsten ist der Club bislang so ziemlich auf sich alleine gestellt, muss selbst den Trainings- und Spielbetrieb am Laufen halten und erhält seitens der Stadt keine Unterstützung bei der Suche nach Ausweichplätzen. Glücklicherweise pflegt Meißner ein gutes Verhältnis zu anderen Clubs, sodass da Lösungen für die Hinrunde gefunden werden konnten. Die zweite Mannschaft spielt und trainiert in Fischbach, die erste Mannschaft kam meistens in Eriskirch unter, war aber auch schon auf den Plätzen in Meckenbeuren und Fischbach aktiv. „Ich bin den Häfler Vereinen unendlich dankbar.
Das ist nicht selbstverständlich“, sagt die Staffelleiterin der Kreisligen A2 und B4.
Bislang haben die Sportfreunde für die Nutzung nichts gezahlt, für die Rückrunde soll sich das nach der Verlängerung der Platzsperre nun aber ändern. Dafür hat Meissner einen Zuschuss bei der Stadt beantragt, allerdings noch keine Zusage bekommen. Bei Meissner, die seit zehn Jahren Vorsitzende der Sportfreunde ist, führt das zu Frust. „Das ist schon enttäuschend. Man wird allgemein im Stich gelassen. Ich wünsche mir, nicht um Hilfe rumbetteln zu müssen“, meint die 45-Jährige, die die Schwierigkeit verdeutlicht: „Für den Spiel- und Trainingsbetrieb rechnen wir circa mit 5000 Euro. Corona hat uns finanziell geschwächt, es ist die Frage, wie wir das finanziell stemmen sollen.“
Sie selbst weist darauf hin, dass der Club für die Stadt Friedrichshafen bedeutsam ist. „Wir haben drei Jugendteams und decken soziale Aspekte ab. Bei uns sind 17 Nationen im Verein, wir sind auch mit dem Integrationspreis ausgezeichnet worden“, so Meissner. Des Weiteren werde der Sportplatz auch von der
Ludwig-Dürr-Schule für Arbeitsgemeinschaften und für die Pausen genutzt – auch das sei wegen der Platzsperre aktuell nicht möglich.
Im kommenden Jahr feiert der Fußball-B-Ligist sein 60-jähriges Bestehen. Aber aktuell ruhen die Planungen dahingehend, schließlich gehöre dazu auch ein Fußballspiel. Die Schließung des Sportgeländes wirkt sich auch auf das Clubheim aus: Ohne richtige Heimspiele an der Waggershauser Straße steht der Betrieb dort ziemlich still, die Pacht muss aber weiterbezahlt werden. Meissner blickt jedoch positiv in die Zukunft. Sie sieht den Verein durchaus im Aufschwung, sportlich weiß das Team in der Kreisliga B3 auch zu überzeugen. In 13 Spielen haben die Fußballer Sportfreunde trotz der vielen Auswärtsspiele noch nicht verloren und stehen auf Platz drei. „Hut ab vor der Mannschaft und Trainern“, zeigt sich die 45-jährige Vorsitzende stolz und widmet sich wieder der belastenden Platzsperre. Im Juli 2022 soll das Problem mit den fehlenden Ballfangzäunen gelöst sein, aber nach so vielen Planungsänderungen glaubt es Meissner mittlerweile erst, wenn sie es sieht.