„Keine schwerwiegenden Nebenwirkungen dokumentiert“
Stiko will demnächst Empfehlung für Corona-Impfstoff für Fünf- bis Elfjährige abgeben
- Fallzahlen auf Rekordnivau, Intensivstationen an der Belastungsgrenze und lauter werdende Rufe nach einer Impfpflicht: Corona hat Deutschland weiter fest im Griff. Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommission, erklärt im Interview die Impfwirkung bei Fünf- bis Elfjährigen, Restrisiken und ob auch Kinder unter Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion leiden können.
Eine Entscheidung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA über die Zulassung des BiontechImpfstoffs für Fünf- bis Elfjährige wird in den nächsten Tagen erwartet. Ist die Datenlage inzwischen gut genug, dass in diesem Fall auch eine rasche Empfehlung der Stiko folgt?
Wir bereiten diese Entscheidung derzeit vor. In einer Phase 1 Studie wurden drei Dosierungen (zehn, 20 und 30 Mikrogramm mRNA) an jeweils 16 Kindern im Alter zwischen fünf und elf Jahren erprobt (zwei Impfungen im Abstand von 21 Tagen), um die geeignete Dosierung für die Kinder zu ermitteln. Die 30 Mikrogramm Dosierung entspricht der Biontech-Dosierung für Erwachsene. Nach Auswertung der Impfreaktionen und der Immunreaktionen im Vergleich zu einer früheren Studie mit älteren Jugendlichen wurde die Dosis von zehn Mikrogramm je Impfdosis gewählt. In der folgenden Zulassungsstudie der Firma Biontech/ Pfizer wurden 1517 Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren geimpft (Placebogruppe 751 Kinder). Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 2,3 Monaten wurden keine schwerwiegenden Impfreaktionen oder Nebenwirkungen dokumentiert.
Was ist über die Wirksamkeit des Impfstoffs bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen bekannt? Einen Monat nach der zweiten Impfung war die durchschnittliche Antikörperbildung bei den fünf- bis elfjährigen Kindern vergleichbar der Antikörperbildung bei 16- bis 25-Jährigen in einer früheren Impfstudie. Covid-19-Fälle traten im Beobachtungszeitraum bei 16 Kindern der Placebogruppe und drei geimpften Kindern auf. Aus diesen Zahlen errechnet sich auch für diese geringere Dosierung von zehn Mikrogramm eine Schutzwirkung vor Erkrankung von 90,7%, allerdings kamen bei allen
Kindern keine schweren Erkrankungen vor. Damit entspricht die Wirksamkeit des Impfstoffs nach der relativ kurzen Beobachtungszeit etwa der bei den Erwachsenen.
Wie weit sind die anderen Hersteller mit den Tests ihrer Impfstoffe für Kinder? Moderna befindet sich in einer Studie mit Kindern dieser Altersgruppe und sowohl AstraZeneca, als auch Janssen haben entsprechende Studien geplant. Daten sind noch keine bekannt.
Was weiß man über Long-Covid bei Kindern?
Es gibt mittlerweile eine Auswertung von Krankenkassendaten in Deutschland, bei der das Auftreten einer sehr großen Anzahl von 100 Symptomen mit dem Impfstatus der Kinder korreliert wurde. Aus dieser Studie ergeben sich Hinweise darauf, dass Long-Covid bei Kindern möglich sein kann. Fachleute üben allerdings methodische Kritik an dieser Studie, und so muss man zusammenfassend sagen, dass die Datenlage für Long-Covid bei Kindern immer noch sehr begrenzt ist. Wohlgemerkt ist klar, dass bei Kindern Symptome beobachtet werden, die auf Long-Covid hindeuten, aber es ist unklar, inwieweit hierfür eine SARS-CoV-2 Infektion verantwortlich ist oder die Isolierung der Kinder auch ohne SARS-CoV-2 Infektion.
Die meisten Kinder ohne Vorerkrankungen überstehen eine Covid-Infektion ohne größere Probleme. Verstehen Sie, wenn Eltern dann einer Impfung skeptisch gegenüberstehen?
Das kann ich sehr gut verstehen, und es entspricht im Grunde auch dem Problem, vor dem die Stiko mit ihrer Empfehlung steht – nämlich dem Abwägen von Nutzen und möglichen „Restrisiken“bei den Kindern in dieser Altersgruppe. Ich habe weiter oben deshalb die genauen Probandenzahlen genannt, um klar zu machen, dass diese Zahlen aus der Studie nicht ausreichen können, um seltene Nebenwirkungen auszuschließen. Man muss hier also auch die Ergebnisse früherer Studien und Anwendungsdaten einbeziehen.
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