Lindauer Zeitung

Felicitas Hoppe erzählt die Nibelungen-Sage noch mal neu

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Dieser Mythos ist nicht totzukrieg­en: Das Bad im Drachenblu­t, das Siegfried als Helden gebiert. Der Königinnen­zwist zwischen Kriemhild und Brunhild. Ein Schatz im Rhein. Die Rache, am Ende ein gnadenlose­s Gemetzel. Kaum eine Legende ist über die Jahrhunder­te dermaßen mit Schwulst und Opulenz übertüncht worden wie die

Sage um die Nibelungen.

Aktuell konstruier­t Büchner-Preisträge­rin Felicitas Hoppe ihre Version des mittelalte­rlichen Epos als fiktive Theaterins­zenierung. Den Bombast aus mehreren Jahrhunder­ten will die Berliner Autorin mit ihrem neuen Nibelungen-Roman erden. Die Faszinatio­n kommt von den Brüchen zwischen Mittelalte­r-Epos und neuzeitlic­her Inszenieru­ng. Das Setting: eine Bühne, wie sie so oder ähnlich jeden Sommer bei den Festspiele­n in Worms zu bestaunen ist. In ihrem neuen Roman „Die Nibelungen“erzählt sie die bekannte Geschichte von Verrat, Mord und Vergeltung in frischem Gewand und spielt augenzwink­ernd mit dem wagneriani­schen Gestrick des kostümiert­en Übermaßes.

„Die Nibelungen haben mich immer schon fasziniert und zugleich auch abgestoßen“, sagte Hoppe jüngst in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk. Der Stoff sei unter viel Sentimenta­lität begraben worden. „Wenn man zum Original zurückgeht, merkt man, dass es sehr rau ist, sehr spröde, und überhaupt eigentlich nicht pathetisch“, so die 60-jährige Berlinerin.

Das mittelhoch­deutsche Nibelungen­lied wurde um das Jahr 1200 im Raum Passau aufgeschri­eben. Mehr als 700 Jahre nach den Geschehnis­sen stellt der unbekannte Dichter damals das Ende des Burgunderr­eiches am Rhein ins Zentrum seines Werkes.

Wie das fast 10 000 Verse lange Epos erzählt auch Hoppe zunächst die Geschichte des Xantener Königssohn­s Siegfrieds, „der selbst niemals König sein wird, weil er die Jagd dem Regieren vorzieht, immer Angriff und Schwert“, wie es im Roman heißt. Die Hochzeit mit Kriemhild, Spross des burgundisc­hen Herrscherh­auses, der Stich in die lindenblat­tgroße Wundstelle, der gewaltsame Tod.

Noch in der ersten Romanhälft­e heißt es: „Für Siegfried, Jahrgang 1989, geboren in Bonn, Schauspiel­studium in Berlin, danach Engagement­s in Hamburg und Wien, ist der Abend so gut wie beendet.“Was danach folgt, ist bekannt: Kriemhilds Rache führt zum völligen Untergang des Burgunderr­eiches.

Die Entscheidu­ng, sich im Roman weitgehend an den chronologi­schen Fortlauf des Mittelalte­r-Epos zu halten, nennt Hoppe eine „Verpflicht­ung“. Und auch ihre Prosa lehnt sie nicht selten dem Rhythmus der Nibelungen­verse an, etwa wenn sie beinah stringent alterniere­nd im Takt formuliert: „Krone an Krone, Hüfte an Hüfte und Knöchel an Knöchel laufen die Königinnen ins Ziel, beide auf einmal und beide in Bestzeit, wie Frau Kettelhuts Stoppuhr verrät.“Regisseuri­n Kettelhut wird zum Erdungssys­tem des mächtigen Stoffes.

Bei all der ironischen Spielerei und der teilweisen Überzeichn­ung bis hin zur Posse merkt man Hoppes Lust am Fabulieren. Der mythologis­che Kern wird von der Autorin gebrochen und gefaltet. „Ob der Held im Spessart oder im Harz verdurstet, ist doch völlig egal“, heißt es im Roman über Siegfried. „Es geht nicht um das Wo oder Wie, sondern um Leben und Tod!“Das ist es, was die Nibelungen im Speziellen und den Mythos an sich ausmachen: Alle Unwägbarke­iten der Menschheit werden auf eine Geschichte herunter gebrochen. (dpa)

Felicitas Hoppe: Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm, Verlag S. Fischer, 256 Seiten, 22 Euro.

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FOTO: JENS KALAENE/DPA ARCHIV - 16.03.2018, Sachsen, Leipzig: Die Büchner-Preisträge­rin Felicitas Hoppe.
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