Ihr Traum endet an den Grenzzäunen Europas
Im Nordirak sehen viele Menschen keinen anderen Ausweg aus ihrem Elend als die Flucht – Um nach Deutschland zu gelangen, opfern sie alles
- Menschen, die bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im Niemandsland zwischen Polen und Belarus ohne Perspektive im Freien ausharren. Menschen, die auf dem Flughafen der nordirakischen Kurdenhauptstadt Erbil nach missglückter Flucht und erzwungener Rückkehr stranden. Menschen, die von schlimmen Misshandlungen durch polnische und belarussische Polizisten berichten: „Klar, diese Bilder und diese Berichte sind hier bekannt“, sagt Shero Smo, „wer aber wirklich aus dem Irak fliehen will, der lässt sich davon nicht abhalten.“
Der 35-jährige Smo leitet das Flüchtlingscamp Mam Rashan im Nordirak. Er arbeitet seit vielen Jahren daran, die Fluchtursachen zu bekämpfen und benötigt dafür dringend die Spenden aus der Aktion „Helfen bringt Freude“. Wie die Geflüchteten gehört er der religiösen Minderheit der Jesiden an und wohnt im benachbarten Dorf Baadre: Von dort stammen viele der Tausenden Flüchtlinge, die jetzt über die EU-Außengrenzen nach Polen oder in die baltischen Staaten kommen wollen und zwischen die Fronten geraten. Daher weiß Smo ganz genau, welche Motive Menschen haben, die ihr Hab und Gut verkaufen, ihr Vermögen und häufig dazu noch geliehenes Geld zusammenkratzen und ihr Schicksal Menschenschmugglern anvertrauen: „Sie sind arbeitslos, hoffnungslos, perspektivlos. Sehen keine Zukunft hier in Kurdistan. Und haben dazu Angst vor einem neuen Völkermord: Sie leben für die Utopie, ein besseres Leben für sich oder wenigstens ihre
Kinder beginnen zu können – in Deutschland.“
Nach übereinstimmenden Berichten klagen in den politisch vergleichsweise stabilen Kurdengebieten im Irak vor allem junge Menschen, dass sie keine Arbeit finden. Die Region leide noch immer unter den Folgen des Kampfes gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS), die noch immer im Irak aktiv ist. Immer wieder ist von Korruption in einem Land die Rede, das wegen seines Ölreichtums wohlhabend sein müsste.
Die kurdische Nachrichtenseite Rudaw berichtet, viele Flüchtlinge stammten aus der Region an der Grenze zur Türkei, wo sich die türkische Armee und die kurdische Arbeiterpartei PKK bekämpfen.
Campleiter Smo nennt Beispiele, warum sich Menschen auf den Weg machen, der in ihren Träumen in Deutschland endet, in der Realität aber an den Grenzschützern scheitert. Er blickt nach Erbil: „Junge Muslime, die heiraten und eine Familie gründen wollen, müssen nach hiesigen Vorstellungen einen eigenen Hausstand gründen.“Auch die Kosten für die Hochzeitsfeier muss die Familie nach traditioneller Vorstellung aufbringen: „Und das können junge Männer, die trotz bester Ausbildung keinen Job finden, einfach nicht stemmen.“Der Staat zahle Gehälter nur unregelmäßig, die Wirtschaft liege am Boden. Ausländische Investoren? „Fehlanzeige.“
Hinzu kommt: „Das Misstrauen in die Institutionen ist mit Händen zu greifen“, sagt Smo, „die Menschen fragen sich: Wie können wir uns einer Regierung anvertrauen, die sich nicht einmal selbst schützen kann?“Denn Anfang November hatte der irakische Regierungschef Mustafa alKasimi einen Drohnenangriff auf seine Residenz in Bagdad zwar unbeschadet überstanden. Aber der Angriff war als eine weitere Eskalation in der politischen Krise, die Irak derzeit erlebt, gewertet worden. Smo blickt auf die von Jesiden bewohnten Regionen: „Vor allem die Jesiden trauen dieser Regierung nicht mehr zu, sie schützen zu können. Sie fliehen.“
Präsent im kollektiven Gedächtnis der Jesiden ist die Angst vor neuen Kriegen. Der bevorstehende Abzug der US-Kampftruppen könnte zur Destabilisierung der Region beitragen: „Meine Familie musste, seit ich auf der Welt bin, fünfmal fliehen“, sagt der 35-jährige Smo: „1988 und 1991 vor dem damaligen Diktator Saddam Hussein, 2003 beim Einmarsch der westlichen Bodentruppen und dann zweimal 2014 vor dem IS.“1991 hatte der damals Fünfjährige zwei Hosen und vier T-Shirts dabei, als sich die Kurden kurz nach dem Ende des Golfkriegs ein weiteres Mal erhoben. „Solche Erlebnisse prägen fürs Leben.“
Ein weiterer Fluchtgrund: An eine Rückkehr ins heimische Shingal-Gebirge können die Jesiden auf Jahre nicht denken. Dort haben iranisch gesteuerte Hashd-al-Shaabi-Milizen, Milizen der militant türkisch-kurdischen PKK und die syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten das Sagen. Smo sagt: „Wir haben eine Regierung, die die eigene Bevölkerung im eigenen Land nicht verteidigen kann.“300 000, vielleicht auch 350 000 Jesiden leben seit 2014 in insgesamt 21 Camps allein in der Provinz Dohuk, viele von ihnen in Zelten.
Die Suizidrate ist zehnmal höher als in den Ländern der arabischen Welt: „In dieser Situation ist der Gedanke an Flucht allgegenwärtig“, sagt Smo, „dann werden vor allem junge Männer auf den Weg geschickt.“Immer wieder tauchen in den Camps Bilder von Kurden auf, die es geschafft haben: „Und diese Bilder ermutigen natürlich zur Nachahmung.“
Fluchtursachen bekämpfen, menschenwürdiges Leben ermöglichen: Diesen Schwerpunkt setzen wir auch in diesem Jahr mit unserer Weihnachtsspendenaktion. Die Spenden kommen der Hilfe für Menschen im Nordirak, ehrenamtlichen Initiativen und Caritasprojekten in Württemberg sowie in Lindau zugute.
Ihre Spende hilft Menschen, in ihrer Heimat bleiben zu können und nicht fliehen zu müssen. Und sie hilft Geflüchteten hier bei uns in der Region.
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Doch wie ergeht es den ZwangsRückkehrern? Shero Smo wird traurig: „Eine Frau mit sechs Kindern, deren Mann die Familie verlassen hat, hatte alles, was sie besaß, verkauft, ihre Verwandtschaft hatte ihr Geld geliehen.“Das Ziel: Deutschland. Reisebüros verdienten prächtig. Das Ende: der Stacheldraht an der belarussischpolnischen Grenze, dann der Rückflug. Und jetzt? „Die siebenköpfige Familie ist wieder im Camp, ist völlig mittellos, weiß nicht mehr weiter“, sagt Smo. Er werde ihr helfen, das sei seine Aufgabe: „Um zu verhindern, dass die Frau sich prostituiert.“ erstellt. Geben Sie hierfür bitte Ihren Namen und Ihre Adresse an sowie das Stichwort „ZWB“im Verwendungszweck.
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Stichwort: „Helfen bringt Freude“
Im Internet: schwaebische.de/ weihnachtsspendenaktion
Bei Fragen oder Anregungen zur Aktion freuen wir uns über eine Mail an weihnachtsspendenaktion@schwaebische.de