Kirchen ringen um Corona-Regeln zum Fest
Verschärfte Maßnahmen bei Alarmstufe II treffen besonders ungeimpfte Protestanten hart
(dpa) - Einen Weihnachtsgottesdienst nur mit Geimpften und Genesenen hätte sich Michael Schindler eigentlich vorstellen können. „Die Kirchengemeinderäte sind da aber eher zurückhaltend“, sagt der Pastoralreferent der Katholischen Gesamtkirchengemeinde Ravensburg. „Wir müssten dann natürlich auch Ordner finden, die die Einhaltung der Regeln kontrollieren. Und wer will sich an Heiligabend in solche Konflikte begeben?“
Fragen wie diese stellen sich derzeit viele Kirchengemeinden in Baden-Württemberg. Denn die CoronaInfektionszahlen im Land steigen weiter, die Lage in den Kliniken ist dramatisch. Gleichzeitig sind viele Gottesdienste in der Advents- und Weihnachtszeit normalerweise deutlich besser besucht als sonst. „Viele fragen sich aber: Will ich jetzt überhaupt mit Hunderten von Menschen in einer Kirche sein?“, sagt Pastoralreferent Schindler. Abgesehen von einem Mindestabstand von eineinhalb Metern macht das Land kaum Vorgaben zu Gottesdiensten. Viele Kirchen haben die Regeln darüber hinaus aber verschärft.
In extremen Hotspots in Württemberg dürfen bald nur noch Geimpfte und Genesene Präsenzgottesdienste in evangelischen Kirchen besuchen. Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 800 und höher fänden dort keine regelmäßigen Gottesdienste mehr statt, teilte die Evangelische Landeskirche in Württemberg mit. Als Ausnahmen erlaubt bleiben 2G-Gottesdienste mit einem Viertel der zulässigen Besucherzahl, Gottesdienste zur Übertragung in Internet, Radio und Fernsehen sowie im Freien. Diese Regelung sei ab dem zweiten Adventssonntag gültig, solange auf Landesebene die Alarmstufe II gelte. „Welche Regelungen
zu Weihnachten gelten, hängt von der jeweils gültigen Stufe ab“, sagte ein Sprecher.
In Baden hat die Evangelische Landeskirche nach der Ausrufung der Alarmstufe II ebenfalls schärfere Regeln angeordnet. In vielen Kirchen gilt: Wer einen Gottesdienst besuchen will, muss geimpft oder genesen sein und ein negatives Testergebnis vorzeigen (2G plus). Selbst unter diesen Bedingungen darf nur die Hälfte der Sitzplätze genutzt werden. Ungeimpfte dürfen demnach nur noch an Gottesdiensten „in besonders geeigneten Kirchen“teilnehmen, die etwa besonders groß oder gut belüftbar sind.
Die katholischen Kirchen im Land sind bei solchen Einschränkungen zurückhaltender. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart lässt zwar in ihren Richtlinien die Möglichkeit, Gottesdienste nur für Geimpfte und Genesene zu veranstalten (2G). Man rechne aber damit, „dass es nur sehr wenige Gemeinden geben wird, die sich für die 2G-Option entscheiden“, sagte ein Sprecher der Diözese. Wer 2GGottesdienste feiern will, muss nämlich zusätzlich auch Gottesdienste für alle anbieten – damit niemand wegen seines Impfstatus ausgeschlossen wird.
In der Liebfrauenkirche in Ravensburg haben sich die Gläubigen für einen Mittelweg entschieden. Zugangsbeschränkungen solle es an Weihnachten nicht geben, sagt Pastoralreferent Schindler. „Aber wir werden das Weihnachtsspiel am Pfarrhaus aus den Fenstern heraus machen.“Zweimal sei es an Heiligabend geplant, im Freien gebe es genügend Platz für jeweils 400 bis 500 Menschen. „Das“, sagt Michael Schindler, „ist eine wunderbare Alternative, um das Evangelium zu erzählen. Und die Mehrheit sagt, das ist eine super Idee.“