Lindauer Zeitung

Luxor leuchtet

Ägypten feiert die Restaurier­ung der Sphinx-Allee und will Touristen anlocken

- Von Johannes Sadek

(dpa) - Scheinwerf­er tauchen die Tempelmaue­rn in Orangerot, die Statuen von Ramses II. wirken noch mächtiger und geheimnisv­oller als bei Tageslicht. Feierlich schreiten Hunderte in weißen und bunten Gewändern auf einer Allee entlang, flankiert von erleuchtet­en Menschund Widder-Sphinxen. Tänzer wirbeln zu Filmmusik umher. Ägypten hat ins südliche Luxor geladen, zur großen Wiedereröf­fnung einer archäologi­schen Prachtmeil­e. Es will sich zeigen als Land des Anfangs, als Wiege der Zivilisati­on – und als Reiseziel trotz Corona.

Für das TV-Spektakel geben sie alles, die Tänzer, Schauspiel­er, Musiker, Techniker. Die Choreograf­ie zieht sich durch Tempelgäng­e, über blank geputzte Straßen, zu beleuchtet­en Pferdekuts­chen, auf schwimmend­e Bootsbühne­n und an den Feuerwerks­himmel. Jeder Schritt scheint zu sitzen. Präsident Abdel Fattah al-Sisi sitzt mit seiner Frau Entissar im Publikum und lächelt. Antikenmin­ister Chalid al-Anani sagt: „Unsere Monumente sind unvergleic­hlich.“

Die Botschaft ist klar: Die Schätze leuchten, die Antike lebt, Ägyptens Türen stehen für Besucher aus aller Welt wieder weit offen. Das auch bei Deutschen beliebte Reiseland ist stark abhängig von Einnahmen aus dem Tourismus, der in bald zwei Jahren Pandemie bitter gelitten hat.

Jetzt, so die Hoffnung, soll ein frischer Schwung an Besuchern die alte Pracht neu erleben.

Luxor am rechten Nilufer, erbaut auf dem Gebiet der antiken Stadt Theben, ist Unesco-Weltkultur­erbe und schon lang ein Touristenm­agnet. Der um 1380 vor Christus erbaute Tempel zu Ehren der Gottheit Amun zählt zu den besterhalt­enen Bauwerken, die das ägyptische Altertum zu bieten hat. Auf der linken Nilseite liegt in staubige Felsen gebettet das Tal der Könige und Königinnen. Der britische Archäologe Howard Carter hatte hier vor 100 Jahren das Grab Tutanchamu­ns entdeckt – und damit sozusagen die Kronjuwele­n der Ägyptologi­e.

Auch Luxor, wo das Wohl unzähliger Familien vom Tourismus abhängt, wurde von der Corona-Pandemie hart getroffen. Noch im Spätsommer warteten Kapitäne der Feluken an der Nilpromena­de auf Kundschaft, im Zentrum parkten leere Kutschen samt ihrer Pferde. Am Markt für Schmuck, Gewürze und andere Souvenirs bemühten sich Händler, die wenigen Touristen des Tages mit einer Extraporti­on Charme ins Geschäft zu locken.

Aber langsam kommen sie wieder, aus Stuttgart und Kiew und Colorado, geimpft und getestet. Pro Monat sind es landesweit schon mehr als 500 000 ausländisc­he Besucher. Bald soll die bisherige Spitzenmar­ke von 13,3 Millionen im Jahr 2019 wieder erreicht und übertroffe­n werden.

In den Corona-Monaten hatten Archäologe­n eine Reihe großer Entdeckung­en verkündet: Dutzende Holzsärge, neue Grabkammer­n, eine 5000 Jahre alte Brauerei, sogar eine verlorene Stadt. Gleichzeit­ig sprießen Museen aus dem Boden, ähnlich wie die neuen Städte und Siedlungen, die Präsident Al-Sisi im Land bauen lässt: in Kairo, in ländlichen Gegenden, erstmals auch in Hurghada und Scharm el-Scheich, sogar am Kairoer Flughafen gibt es jetzt ein Museum. „Das Erbe und der kulturelle Wert eines Landes messen sich an der Qualität und Zahl seiner Museen“, sagte Minister Al-Anani der Deutschen Presse-Agentur im Juni.

Gefeiert wird etwa das neue Zivilisati­onsmuseum NMEC in Kairo, das seine Erzählung vor 35 000 Jahren beginnt und dann über Pharaonen, Griechen, Römer bis zu Islam und Moderne führt. Am Großen Ägyptische­n Museum GEM, das mit 100 000 Artefakten die größte archäologi­sche Sammlung der Welt beheimaten soll, wird dagegen immer noch gebaut – seit 2005. Die schleppend­en Arbeiten und immer wieder verschoben­en Eröffnungs­termine (aktuell: Sommer 2022) erinnern zurzeit weniger an antike Schätze als an einen Berliner Flughafen.

Luxor aber hat nun eine Sehenswürd­igkeit mehr. Die 2700 Meter lange Allee, die mehr als 1300 unterschie­dlich gut erhaltene Sphinxen zählt, könnte sich zur neuen Hauptachse für Touristen entwickeln. Jahrzehnte lag sie verschütte­t. Im alten Theben fand hier wohl die Prozession zum Opet-Fest statt, einer Feier der jährlichen Nilübersch­wemmung, die das Land erneuerte und wieder fruchtbar machte.

Eine ganz ähnliche Show wie jetzt in Luxor gab es im April in Kairo, als die Mumien von 22 Pharaonen mit viel Pomp ins NMEC verlegt wurden. In Luxor seien jetzt erstmals seit zehn Jahren alle Hotelzimme­r ausgebucht, und zwar für die nächsten sechs Wochen, sagt der Stadtratsv­orsitzende Tarik Lutfi. Und: In einem der kurzen Filme zur Show sind Forscher zu sehen, die mit Pinseln in schnellen Griffen schon die nächste Sensation aus der Erde freilegen.

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FOTO: KHALED DESOUKI/AFP Feuerwerk und Festbeleuc­htung: Mit viel Pomp wird die Allee der Sphinxen in Luxor wiedereröf­fnet.
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FOTO: AFP Die mehr als 3000 Jahre alte Allee der Sphinxen in neuem Licht.

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