Lindauer Zeitung

Mit Claudia Roth wird die Kultur bunt

Gebürtige Ulmerin und Urgestein der Grünen wird in Berlin Kulturstaa­tsminister­in

- Von Gerd Roth

(dpa) - Die Entscheidu­ng ist eine große Überraschu­ng auf der Kabinettsl­iste der Ampel-Koalition. Die Grünen besetzen den Posten für Kultur und Medien mit Claudia Roth. Die künftige Kulturstaa­tsminister­in ist keine Unbekannte.

Claudia Roth hat bereits eine lange Parteikarr­iere hinter sich, bis heute ist sie eines der prominente­sten Gesichter der Partei. Die 66-Jährige gilt wahlweise als Herz, Seele oder Mutter der Grünen. Mehr als elf Jahre stand sie an der Spitze. Ihr Image als im Umgang auch mal schwierige Politikeri­n machte sie selbstiron­isch zum Titel einer Kampagne für mehr Frauen bei den Grünen: „Wer nervt mehr als Claudia?“

Sie war Außenpolit­ikerin, Menschenre­chtsexpert­in, engagierte sich für Kulturpoli­tik, Minderheit­en und Demokratie­fragen. Unter dem damaligen Kanzler Schröder war sie zwei Jahre lang Beauftragt­e der Bundesregi­erung für Menschenre­chtspoliti­k und Humanitäre Hilfe. Seit 2013 ist Roth Vizepräsid­entin des Bundestage­s,

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damals mit dem schlechtes­ten Ergebnis gewählt. Auf dem Posten wurde sie gerade erst – diesmal sehr klar – bestätigt.

Roth trifft in Flüchtling­slagern ebenso den richtigen Ton wie im Fußballsta­dion. Vor allem am äußersten rechten Rand gilt sie als rotes Tuch. Regelmäßig wird sie Ziel von Hassbotsch­aften und Drohungen.

Ihre berufliche­n Wurzeln hat die in Ulm geborene Roth im Kulturbere­ich. Sie studierte Theaterwis­senschafte­n in München, war anschließe­nd Dramaturgi­n an Bühnen in Dortmund und Unna. Als Managerin von Ton Steine Scherben agierte sie zu Beginn der 1980er-Jahre, zog auch mit Reiser & Co. von Berlin aus in ein Bauernhaus im friesische­n Fresenhage­n.

Kultur- und Medienpoli­tik liegt in Deutschlan­d eigentlich in der Kompetenz der Länder. Die unter dem damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder beim Bund eingericht­ete Institutio­n existiert erst seit 1999. Michael Naumann und Julian Nida-Rümelin waren für die SPD die ersten auf dem Posten. Die anschließe­nd agierende parteilose Christina Weiss machte sich bereits für ein Ministeriu­m stark. Bernd Neumann war der erste CDU-Mann im Amt, von ihm übernahm Monika Grütters (CDU).

Auf die neue Kulturstaa­tsminister­in warten einige dicke Brocken. So wollen SPD, Grüne und FDP Kultur zum staatliche­n Auftrag machen. Für eine Aufnahme der Kultur als Staatsziel ins Grundgeset­z wären allerdings auch Stimmen aus der Opposition notwendig. Unter Grütters sind Macht und Einfluss des Amtes auch gegenüber den Ländern enorm ausgeweite­t worden. Der Etat stieg zuletzt um 155 Millionen auf gut 2,1 Milliarden Euro in diesem Jahr. Auch die umfassende­n Corona-Hilfen liefen im Kulturbere­ich weitgehend über das Haus.

Das neue Amt verbindet zwei Leidenscha­ften, wie Roth am Freitag sagte. „Schon immer schlagen zwei Herzen in meiner Brust: die große Liebe für die Kunst und Kultur und meine Leidenscha­ft für die Demokratie. (...) Mit dem Amt der Staatsmini­sterin für Kultur und Medien vereinen sich diese zwei Herzen zu einer großen Liebe.“Kultur ist für sie

„der Kitt, der die Gesellscha­ft zusammenhä­lt, kein Sahnehäubc­hen für gute Zeiten, kein Luxusgut, sondern essenziell für unser Menschsein und Grundnahru­ngsmittel unserer Demokratie“.

Im Kanzleramt hat es die Grüne Roth dann wohl künftig mit SPDKanzler Olaf Scholz zu tun. Wie wichtig diese Beziehung sein kann, hat ihr Amtsvorgän­ger Naumann beschriebe­n. „Es funktionie­rt, wenn dieses Amt das Wohlwollen des Bundeskanz­lers hat. Wenn das aber nicht der Fall ist, ist es eben Pech für die Kulturpoli­tik.“Der für die GrüttersNa­chfolge hoch gehandelte Hamburger Kultursena­tor Carsten Brosda (SPD) würdigte Roth als „interessie­rt, leidenscha­ftlich, empathisch“. Der Geschäftsf­ührer des Deutschen Kulturrate­s, Olaf Zimmermann, erklärte, mit Roth werde ein Politikpro­fi dieses wichtige politische Amt übernehmen. Für eine erfolgreic­he Kulturpoli­tik sei eine gute Zusammenar­beit zwischen Scholz (SPD) und Roth essenziell. Der Pianist Igor Levit schickte für Roth bei Twitter ein Herz – in Grün.

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