Im Machtkampf mit der Männerwelt
Autor Hansjörg Straßer beschreibt den Lebensweg zweier Fürstäbtissinnen des Lindauer Damenstifts
- Erneut nimmt der in Kempten lebende Autor Hansjörg Straßer das Mosaik der Allgäuer Heimatgeschichte unter die Lupe. In seinem neuen Buch sind es die „Scherenschnitte zweier Fürstäbtissinnen des Damenstifts Lindau“, beide aus dem Geschlecht der Hundbiß von Waltrams stammend, zu dem es nach mündlichen Familienüberlieferung Querverbindungen bis zum Autor selbst gibt.
Der poetische Titel „Scherenschnitte“weist hin auf den typischen Straßer-Stil, Historie und Fiktion zu mischen. Der 74-jährige Kemptener erlaubt sich bewusst Passagen, wie es gewesen sein könnte, lässt seine Gestalten auftreten wie in einem Roman.
Beschrieben wird der Lebensweg von Marianne Franziska Hundbiß von Waltrams zu Siggen (1654 - 1730) und Anna Christina Hundbiß von Waltrams zu Schomburg (1600 1676), von der Kindheit an über die Aufnahme ins freiweltlich adelige Damenstift bis zur Erlangung ihrer kirchlichen und weltlichen Führungsmacht, die sie über den Status der Frau ihrer Zeit weit hinaus hob. Straßer skizziert die Fürstäbtissinnen in ihren Epochen samt Irrungen und Wirrungen: Hexenwahn, Pest, Dreißigjähriger Krieg. Sie befinden sich im Machtkampf mit der damaligen Männerwelt. Berührt wird die Geschichte des Stifts und der Reichsstadt Lindau sowie die Familiengeschichte derer von Hundbiß. Das Buch bewältigt den vom Autor weit gesteckten Themenbereich mit charakteristischen Umrissen, wie eben „Scherenschnitte“; die Formulierung im Titel ist trefflich gewählt.
Ob es die Flüchtlingsströme waren zu Kriegsbeginn, die Lindau überfluteten und Schutz in seinen Mauern suchten, die makabren Absurditäten des Prozesses der letzten in Lindau gerichteten „Hexe“oder die Beschreibung des klösterlichen Innenlebens samt christlicher Kontemplationsund Meditationstechniken. Auch mit diesem nur auf den ersten Blick etwas weltabgewandten Thema entwirft Straßer ein spannendes Porträt der damaligen Gesellschaft. Einmal mehr gelingt es ihm, Menschen in ihrer Zeit lebendig werden zu lassen.
Hansjörg Straßer: „Hundbiß von Waltrams – Die Scherenschnitte zweier Fürstäbtissinnen des Damenstifts Lindau“; Edition Allgäu; 216 Seiten, 12,80 Euro.