Wie eine Lindauerin ihr Leben den Igeln gewidmet hat
Monika Neumeier ist seit 48 Jahren Igelschützerin – Dafür erhielt sie jetzt die Medaille für Verdienste um die Umwelt
- Fast ihr ganzes Leben lang kümmert sich Monika Neumeier schon um Igel. Die 78-Jährige ist mit Leib und Seele Igelschützerin. Wie sie vor 48 Jahren zu dieser Rolle kam und warum sie jetzt für ihr Lebenswerk geehrt wurde.
Unzählige Igel hat Monika Neumeier über den Winter gebracht. Nachts musste sie sich zum Teil Wecker stellen, um alle paar Stunden Igelsäuglinge zu füttern. „Mit Hängen und Würgen habe ich sie über den Winter gebracht“, erzählt Monika Neumeier von den ersten Igeln, die sie vor vielen Jahren gepflegt hat.
Seit 1988 lebt Monika Neumeier in Lindau. Doch ihre Leidenschaft für den Igelschutz hat sich schon viele Jahre vorher in Wettstetten bei Ingolstadt entwickelt. 1973 lebte sie in einem gemieteten Haus und durfte dort keine Haustiere halten. „Aber von Igeln stand nichts im Mietvertrag“, erzählt die heute 78-Jährige. Das dortige Tierheim suchte nach Menschen, die über den Winter Igel aufnehmen und pflegen wollten.
Monika Neumeier pflegte in jenem Winter drei Igel. Mit nicht mehr als einem knappen Merkblatt ausgestattet, dessen Inhalt – wie sie schnell bemerkte – viele Fehler enthielt.
Laien auf dem Gebiet der Igel nehmen häufig an, dass die Wildtiere mit Kuhmilch und Katzenfutter gefüttert werden sollten. Doch Monika Neumeier hat es sich zur Aufgabe gemacht, genau mit solchen Mythen aufzuräumen. Kuhmilch vertragen die Tiere wegen des Laktosegehalts nicht, und im Katzenfutter stecke viel zu wenig Energie, sagt sie. „Besser Rinderhackfleisch beim Metzger kaufen oder ein Rührei braten.“
Später zieht die Tierfreundin in ein Eigenheim um und kann sich deshalb um ein richtiges Haustier kümmern: einen Hund. Der findet bei einem Spaziergang im Spätherbst sieben sehr kleine, hilflose Igel, die sie bei sich aufnimmt. Dieses Mal ist sie es, die sich Hilfe sucht: „Wenn die Igel älter werden, dann gibt es Beißereien.“Deshalb bat sie einige Nachbarinnen, ihr jeweils einen Igel abzunehmen.
Um besser Bescheid zu wissen und auch den fragenden Helferinnen Antworten geben zu können, reiste Monika Neumeier mit dem Zug nach München in die Bayerische Staatsbibliothek. Einfach im Internet nachschauen, ging damals noch nicht. Mit 143 kopierten Seiten wissenschaftlicher Igel-Literatur in der Tasche trat sie die Heimreise an, um die Igel künftig professioneller betreuen zu können.
Über die folgenden Jahre erweiterte sie ihr Wissen über die Igel stetig, kam in Kontakt mit Igel-Experten und Wissenschaftlern, und auch die lokalen Medien in Ingolstadt berichten über sie. „Immer mehr Leute wollten etwas zur Igelpflege wissen“, erzählt Monika Neumeier. Deshalb schrieb sie ihr erstes Merkblatt, das sie damals bei der Gemeindeverwaltung kopieren ließ und ratsuchenden Igelfindern in die Hand drückte.
Nicht immer ist mit den stacheligen Vierbeinern alles glatt gelaufen. „Es sind auch Igel gestorben, ohne dass ich wusste, warum.“Tierärzte gaben ihr Tipps, und sie untersuchte mit einem Mikroskop, dass ihr Schwiegervater einmal im Krieg gegen eine Schweinehälfte eingetauscht hatte, den Kot der Igel. „Dadurch habe ich viel dazugelernt.“
1978 zieht sie auf einen Bauernhof in Oberreute. „Ich habe mir damals überlegt, ob ich sagen soll, dass ich mich gut mit Igeln auskenne“, erzählt sie. Aber die Verantwortung, die sie gegenüber den kleinen Tieren empfindet, bringt sie dann doch dazu, eine Igelstation einzurichten. Gleich im ersten Jahr nimmt sie 47 Igel in ihre Obhut, die im Frühjahr von den Igelfindern wieder ausgewildert werden.
Einige Jahre später, 1986, kommt Gunter Steinbach auf Monika Neumeier zu. Der Sachbuchautor und Herausgeber von Naturführern fragt sie, ob sie nicht Lust hätte, ein Buch über Igel zu schreiben. „Ich hatte ja noch nie ein Buch geschrieben, aber ich sagte, ich kann es ja mal probieren“erzählt sie. Das war der Startschuss für eine ganze Reihe an Publikationen, die Monika Neumeier seitdem über die Igel, ihre Pflege, die verschiedenen Arten, die Aufzucht von Igelsäuglingen und viele weitere Themen geschrieben hat. „Mir war es ein Anliegen, die Kluft zwischen Laien und der Wissenschaft zu überwinden.“Seit über 30 Jahren ist immer eines ihrer Bücher im Buchhandel erhältlich.
Heute pflegt Monika Neumeier keine Igel mehr, sondern schreibt Bücher, Aufsätze für Zeitschriften und Merkblätter über sie. „Ich habe mir gedacht, viele könnten Igel pflegen, aber nicht ganz so viele können über Igel schreiben“, meint sie. Vieles wurde über den ursprünglich schweizer Verein Pro Igel veröffentlicht, dessen deutschen Ableger Monika Neumeier mitgegründet hat und dessen Vorsitzende sie anfangs war. In verständlicher Sprache wird auf der Website des Vereins so ziemlich alles erklärt, was man über Igel und ihre Pflege wissen muss.
Für diese Aufklärungsarbeit wurde Monika Neumeier mit der bayerischen Medaille für Verdienste um die Umwelt ausgezeichnet. Das ist die höchste Auszeichnung im Umweltschutz in Bayern. „Diese Ehrung bedeutet mir viel, sie ist eine Anerkennung für mein Lebenswerk“, sagt Monika Neumann, die eigentlich ganz bescheiden ist. „Und es ist eine ehrenamtliche Arbeit.“
Die Hoffnung der Lindauerin ist, dass sie andere Menschen auf das Thema aufmerksam machen kann. „Ich fand immer, man muss auf diese kleinen Tiere ein Auge haben.“Dieses Gefühl der Verantwortung für die Igel sei auch aus der Verwunderung darüber entstanden, dass viele so wenig über die hierzulande weit verbreiteten Tiere wissen. „Ich habe es als Aufforderung empfunden, diese Lücke zu füllen.“
Der Verein Pro Igel stellt unter
www.pro-igel.de Informationen für den Igelschutz zur Verfügung.
Der Mensch ist der größte Feind der Igel. Der Straßenverkehr, die Zerstörung von Lebensräumen und der Nahrungsmangel, verursacht unter anderem durch Insektizide und Monokulturen, sind für die Igel eine große Bedrohung.
Auch falsche oder zu viel Pflege können den Tieren schaden. „Es bräuchte nicht so viel Hilfe, wenn nicht so viel falsch liefe“, sagt Igel-Expertin Monika Neumeier. Oft seien Igel gar nicht hilflos, würden aber ganzjährig gefüttert, sozusagen als Ausgleich für eine wenig naturnahe Gartenbewirtschaftung.
Igel sind Einzelgänger. Sie legen pro Nacht auf der Suche nach Käfern und Larven oft mehrere hundert Meter zurück. Ihre Lebensräume sind bis zu 50 Hektar groß.
Eine Dauerfutterstelle im Garten bewirkt, dass oft mehrere Igel zusammenkommen und sich so gegenseitig mit Krankheiten anstecken. Bei Jungigeln im Herbst könne man dagegen durchaus zufüttern. „Man muss nicht gleich jeden Igel in den Keller in eine Kiste sperren“, sagt die 78-Jährige. Oft genüge es schon, gesunden Igeln draußen zu helfen. (liha)