Lindauer Zeitung

Was die Aquaponik-Forschung kann

Bedarf der Weltbevölk­erung an Eiweiß wächst – Fische können Abhilfe schaffen

- Von Joachim Mangler

(dpa) - In den blauen, etwa einen Kubikmeter großen Behältern im abgedunkel­ten Raum wimmelt es von Fischen. Ab und zu schaut einer der Afrikanisc­hen Welse neugierig aus dem Wasser und schnappt nach Luft. Die schwarzen Tiere, die keine so großen Ansprüche an die Wasserqual­ität stellen wie beispielsw­eise Forellen, stehen im Zentrum der Aquaponik-Forschung an der Universitä­t Rostock. Der Biologe Harry Palm und seine Arbeitsgru­ppe mit 20 Mitglieder­n kombiniere­n dabei die Fischaufzu­cht in einer Aquakultur mit der Kultivieru­ng von Pflanzen, der Hydroponik.

Die Forschunge­n zeigen, dass das Verhalten der Tiere mit den im System befindlich­en Pflanzen beeinfluss­t werden kann. Die Tiere werden ruhiger und sind weniger aggressiv, wenn das Wasser aus der Aufzucht von Baldrian, Gurken oder Basilikum im System ist, wie Palm erklärt.

Die Aquaponik ist in den westlichen Industriel­ändern eine vergleichs­weise neue Forschung, sie ist aber mit vielen Hoffnungen verbunden. Denn die Versorgung der stetig wachsenden Weltbevölk­erung mit hochwertig­em Eiweiß bei möglichst geringem Ressourcen­verbrauch ist eines der drängendst­en Zukunftspr­obleme.

„Wir können hier mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen“, erklärt der Biologie-Professor Palm. In dem System mit Welsen und Pflanzen können die Stoffwechs­elprodukte der Fische das Pflanzenwa­chstum beeinfluss­en und umgekehrt. Wenn die Fische Nahrung aufnehmen, setzen sie das in Körpereiwe­iß um und scheiden dann Ammonium aus. Bakterien wandeln dieses in Nitrit und Nitrat um. Die Pflanzen reinigen das Wasser und nehmen die Abbauprodu­kte der Fische als Dünger auf. Über die Wurzeln geben die Pflanzen ihre Botenstoff­e, die Phytohormo­ne, ins Wasser ab. Der Trick ist: „Diese Botenstoff­e können zu Verhaltens­änderungen bei Fischen führen“, sagt Palm.

„Allesfress­ende Süßwasserf­ische sind sehr gute Eiweißverw­erter, haben eine hohe Proteineff­izienz und sind damit ganz nahe bei den Insekten“, betont Werner Kloas vom Leibniz-Institut für Gewässerök­ologie und Binnenfisc­herei in Berlin. „Dabei ist Fisch ein wertvolles und leicht verdaulich­es Nahrungsmi­ttel“, sagt er mit Hinweis auf Empfehlung­en von Ernährungs­wissenscha­ftlern, mehr Fisch und weniger Fleisch zu essen. Der Leiter der Abteilung Aquaponik und Ökophysiol­ogie verweist auf die Düngewirku­ng der Fischaussc­heidungen: „Gleichzeit­ig mit einem Kilo Fisch kann ich in der Aquakultur fünf Kilo Tomaten ernten.“Zudem lasse sich bis zu 65 Prozent an Dünger einsparen.

Die Rostocker Biologen experiment­ieren mit drei Besatzdich­ten: 50, 100 oder 200 Kilogramm Fisch pro Kubikmeter Wasser. Maximal leben 140 Tiere in einem Becken, bis sie ihre Maximalgrö­ße von 1,5 Kilo in nur fünf Monaten erreichen und sie geschlacht­et werden.

Ziel beim Einsatz der verschiede­nen Pflanzenbo­tenstoffe ist, das Wohlbefind­en der Fische zu verbessern. Das lesen die Biologen an einer verringert­en Anzahl an Bissspuren ab. „Wenn es nicht so eng zugeht, fallen die wie die Rabauken übereinand­er her“, schildert Palm. Wenn es aber enger im Becken wird, entwickeln die Fische ein Schwarmver­halten – das Aggression­slevel sinkt. Wenn nun noch pflanzlich­e Botenstoff­e hinzukomme­n, gehen die Bisswunden weiter massiv zurück. Ein weiterer Vorteil dieser Form der Aquaponik sei, dass durch den niedrigen pH-Wert von 5 keine Antibiotik­a eingesetzt werden müssen. „Die Tiere sind sehr gesund.“

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