Was die Aquaponik-Forschung kann
Bedarf der Weltbevölkerung an Eiweiß wächst – Fische können Abhilfe schaffen
(dpa) - In den blauen, etwa einen Kubikmeter großen Behältern im abgedunkelten Raum wimmelt es von Fischen. Ab und zu schaut einer der Afrikanischen Welse neugierig aus dem Wasser und schnappt nach Luft. Die schwarzen Tiere, die keine so großen Ansprüche an die Wasserqualität stellen wie beispielsweise Forellen, stehen im Zentrum der Aquaponik-Forschung an der Universität Rostock. Der Biologe Harry Palm und seine Arbeitsgruppe mit 20 Mitgliedern kombinieren dabei die Fischaufzucht in einer Aquakultur mit der Kultivierung von Pflanzen, der Hydroponik.
Die Forschungen zeigen, dass das Verhalten der Tiere mit den im System befindlichen Pflanzen beeinflusst werden kann. Die Tiere werden ruhiger und sind weniger aggressiv, wenn das Wasser aus der Aufzucht von Baldrian, Gurken oder Basilikum im System ist, wie Palm erklärt.
Die Aquaponik ist in den westlichen Industrieländern eine vergleichsweise neue Forschung, sie ist aber mit vielen Hoffnungen verbunden. Denn die Versorgung der stetig wachsenden Weltbevölkerung mit hochwertigem Eiweiß bei möglichst geringem Ressourcenverbrauch ist eines der drängendsten Zukunftsprobleme.
„Wir können hier mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen“, erklärt der Biologie-Professor Palm. In dem System mit Welsen und Pflanzen können die Stoffwechselprodukte der Fische das Pflanzenwachstum beeinflussen und umgekehrt. Wenn die Fische Nahrung aufnehmen, setzen sie das in Körpereiweiß um und scheiden dann Ammonium aus. Bakterien wandeln dieses in Nitrit und Nitrat um. Die Pflanzen reinigen das Wasser und nehmen die Abbauprodukte der Fische als Dünger auf. Über die Wurzeln geben die Pflanzen ihre Botenstoffe, die Phytohormone, ins Wasser ab. Der Trick ist: „Diese Botenstoffe können zu Verhaltensänderungen bei Fischen führen“, sagt Palm.
„Allesfressende Süßwasserfische sind sehr gute Eiweißverwerter, haben eine hohe Proteineffizienz und sind damit ganz nahe bei den Insekten“, betont Werner Kloas vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin. „Dabei ist Fisch ein wertvolles und leicht verdauliches Nahrungsmittel“, sagt er mit Hinweis auf Empfehlungen von Ernährungswissenschaftlern, mehr Fisch und weniger Fleisch zu essen. Der Leiter der Abteilung Aquaponik und Ökophysiologie verweist auf die Düngewirkung der Fischausscheidungen: „Gleichzeitig mit einem Kilo Fisch kann ich in der Aquakultur fünf Kilo Tomaten ernten.“Zudem lasse sich bis zu 65 Prozent an Dünger einsparen.
Die Rostocker Biologen experimentieren mit drei Besatzdichten: 50, 100 oder 200 Kilogramm Fisch pro Kubikmeter Wasser. Maximal leben 140 Tiere in einem Becken, bis sie ihre Maximalgröße von 1,5 Kilo in nur fünf Monaten erreichen und sie geschlachtet werden.
Ziel beim Einsatz der verschiedenen Pflanzenbotenstoffe ist, das Wohlbefinden der Fische zu verbessern. Das lesen die Biologen an einer verringerten Anzahl an Bissspuren ab. „Wenn es nicht so eng zugeht, fallen die wie die Rabauken übereinander her“, schildert Palm. Wenn es aber enger im Becken wird, entwickeln die Fische ein Schwarmverhalten – das Aggressionslevel sinkt. Wenn nun noch pflanzliche Botenstoffe hinzukommen, gehen die Bisswunden weiter massiv zurück. Ein weiterer Vorteil dieser Form der Aquaponik sei, dass durch den niedrigen pH-Wert von 5 keine Antibiotika eingesetzt werden müssen. „Die Tiere sind sehr gesund.“