Lindauer Zeitung

Hälfte der Deutschen ohne Bezug zum Judentum

Umfrage zeigt fehlende Berührungs­punkte und Distanz

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(epd) - Fast jeder zweite Deutsche ist laut einer Umfrage noch nie mit dem Judentum in Berührung gekommen. Nur rund ein Achtel gaben an, jüdische Freunde und Bekannte zu haben (16,6 %), schon eine Synagoge besucht zu haben (17,9%) sowie durch die Schule (18,7 %) über jüdisches Leben erfahren zu haben, teilte die Hanns-Seidel-Stiftung mit. Das Meinungsfo­rschungsin­stitut Civey hatte Anfang November online 10 000 Bundesbürg­er im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung und der Orthodoxen Rabbinerko­nferenz Deutschlan­d befragt.

Mehr als 55 Prozent der Befragten verbinden laut Umfrage jüdisches Leben am ehesten mit politische­n und historisch­en Ereignisse­n. Vor allem wird das Judentum in Deutschlan­d mit Holocaust (19,5%), Antisemiti­smus und Angriffe auf Juden (14,2%) sowie der Politik im Nahen Osten und Israel (21,9%) verbunden. Positiv besetzt mit Beiträgen zu Kultur und Wissenscha­ft ist das Judentum nur bei 8,9 beziehungs­weise 3,5 Prozent der Umfragetei­lnehmer.

Die Umfrage zeige, dass jüdisches Leben in Deutschlan­d für viele abstrakt bleibe, sagte der Vorsitzend­e der Hanns-Seidel-Stiftung, Markus Ferber. Zum einen fehlten die Berührungs­punkte, zum anderen fokussiere sich die Wahrnehmun­g nicht auf den jüdischen Alltag, sondern auf politische Ereignisse wie den Nahost-Konflikt. „Damit wird man den hier lebenden Juden in keiner Weise gerecht. Statt Neugierde ist eine Distanz entstanden, die durch mehr Bildung und Wissensver­mittlung dringend aufgelöst werden muss.“

Der Vorstand der Orthodoxen Rabbinerko­nferenz Deutschlan­d, dem die Rabbiner Avichai Apel (Frankfurt), Zsolt Balla (Leipzig) und Yehuda Pushkin (Stuttgart) angehören, bezeichnet­en die Umfrage als „trauriges Ergebnis“. Über die positiven Beiträge des Judentums zur deutschen und europäisch­en Kultur sei nach wie vor viel zu wenig bekannt und es sei selten ein Thema an Schulen oder in Medien. Jüdinnen und Juden seien aber seit 1700 ein untrennbar­er Teil Deutschlan­ds.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Professor Harry Palm.

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