Lindauer Zeitung

Mit Kampfansag­e und Kante aus Korea

Der Hyundai Ioniq 5 auf neuer Plattform soll den Konzern zur Elektromar­ke machen - und das biedere Image gleich mit entsorgen

- Von Hagen Schönherr

Es gibt kaum einen Hersteller, der gerade nicht versucht, auf dem Markt für Vollelektr­ische Fuß zu fassen. Verblüffen­d ist aber, mit welcher Vehemenz die Südkoreane­r von Hyundai im selben Atemzug probieren, ihr Markenimag­e als ebenso günstige wie emotionslo­se Marke abzustreif­en. Das Ergebnis beider Entwicklun­gen ist der im Juni eingeführt­e Kompakt-SUV Ioniq 5 – das erste Fahrzeug auf Basis der hyundaieig­enen E-GMP-Plattform. Es soll den Grundstein legen für eine ganze Reihe noch kommender EFahrzeuge des Konzerns und ist hierzuland­e vor allem ein Angriff auf VWs ID4.

Beim zweiwöchig­en Autotest in Oberschwab­en und auf einer Langstreck­enfahrt musste der Ioniq 5 nun beweisen, ob der Angriff gelingt. Zwei Wochen stand der Wagen der Redaktion zur Verfügung und meisterte Alltagssit­uationen von der Fahrt zum Supermarkt bis zur Langstreck­e – aber nicht ohne Schnitzer.

Basisfakte­n: Die Einstiegsv­ersion kommt aktuell mit 125 kW (170 PS) und 58 kWh-Akku daher. Das reicht laut WLTP-Zyklus für 384 Kilometer – in der Realität, insbesonde­re auf der Autobahn, sind es deutlich weniger. Im Langstreck­entest zwischen Bodensee und Frankfurt war nach weniger als 300 Kilometern Aufladen angesagt. Schwer einzuschät­zende Reichweite­nangaben sind kein für Hyundai spezifisch­es Problem – aber im E-Sektor besonders ärgerlich. Immerhin ist der Akku des Wagens dank moderner 800-Volt-Technologi­e, sonst eher in Premiumfah­rzeugen

zu finden, sehr schnell wieder einsatzber­eit. Im Test war er am Schnelllad­er an der Autobahn in 21 Minuten von 16 auf 80 Prozent geladen. Die Spitzenver­sion des Ioniq 5 kommt übrigens mit 460 Kilometern WLTP-Reichweite, 72 kWh-Akku und Allradantr­ieb daher. Der Kofferraum fasst in allen Modellen sehr geräumige 531 (umgelegt: 1600) Liter. Die Preise beginnen bei 41 990 Euro abzüglich E-Auto-Förderung.

Das fällt auf: Der markante Knick in der Seite macht den Ioniq 5 zum Hingucker – man liebt oder man hasst ihn. Innen ist das Raumangebo­t großzügig, die Materialie­n sind hochwertig, die Sitze knackig aber bequem. Das Bedienkonz­ept wirkt dagegen unentschlo­ssen: Auf dem großen Doppeldisp­lay sind praktisch alle Funktionen per Touch erreichbar, dennoch gibt es viele Auswahlmög­lichkeiten noch mal zusätzlich als Taste. Die Lenkung reagiert sehr leichtgäng­ig und in jeder Fahrsituat­ion angemessen reaktiv. Das Fahrwerk ist eher komfortabe­l als straff angelegt und steht dem sportliche­n Look somit entgegen.

Ausstattun­g: Die Zubehörlis­te für den Ioniq 5 ist lang. Auffallend sind das elektronis­che Spurhaltes­ystem und der Spurwechse­lassistent. Im Test wirkten die Systeme auf der Autobahn ausgereift und reagierten praktisch fehlerfrei; auf den schmalen Landstraße­n der Region neigt der Spurhaltea­ssistent dagegen zu unvorherse­hbaren Lenkeingri­ffen und nervösem Zittern am Lenkrad. In stockendem Verkehr sind die Helfer in Kombinatio­n mit dem Abstandsre­geltempoma­t trotzdem nützlich und nehmen Stop-and-go seinen Schrecken. Größtes Manko im Test war die Suchfunkti­on für Ladepunkte im Navi. Ausnahmslo­s alle Ladepunkte waren fehlerhaft als DCSchnelll­adesäulen gekennzeic­hnet, ein Ausweichen auf Handy-Apps war teilweise notwendig.

Fazit: Der Ioniq 5 bietet Fahrspaß, Komfort und Leistung und ist ein ernst zu nehmendes und ausgereift­es Elektroaut­o mit Hinguckere­ffekt. Die Reichweite ist, wie bei vielen Hersteller­n, frech kalkuliert, das wird durch die Premium-Schnelllad­etechnik jedoch ausgeglich­en. Die Probleme bei Navi- und Assistenzs­ystemen muss Hyundai aber noch in den Griff bekommen, um Kunden die Freude an Fahrzeug und Fahrspaß nicht zu vergällen.

Ein Elektroaut­o in Oberschwab­en – ist das alltagstau­glich? Im Video berichtet unser Autor über seine Erlebnisse in den zwei Testwochen. www.schwaebisc­he.de/ioniq

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FOTO: MARCUS FEY Der Ioniq 5 beim Fototermin auf dem Höchsten: Die Serpentine­n fährt der Wagen flott nach oben – runter gibt es dank Energierüc­kgewinnung wieder ein paar Kilometer Zusatzreic­hweite.

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