Lindauer Zeitung

Weniger zahlen für zu langsames Internet

Ein neues Gesetz zwingt Internetan­bieter, die vertraglic­h zugesicher­te Bandbreite auch zu liefern

- Von Wolf von Dewitz

(dpa) - Es ist ein Ärgernis, das Verbrauche­r auf die Palme bringt: langsames Internet. Umso ärgerliche­r ist es, wenn die Verbindung dem Vertrag zufolge eigentlich gut sein müsste – was laut Breitbandm­onitor der Bundesnetz­agentur leider häufig vorkommt. Ein frustriere­ndes Thema, bei dem es nun aber eine gute Nachricht für Verbrauche­r gibt: Im Dezember tritt eine Regelung im Telekommun­ikationsge­setz in Kraft, die die Position des Kunden gegenüber seinem Internetan­bieter wesentlich verbessert. Nach Nutzung einer App zur Internetme­ssung kann er seine Monatszahl­ung senken, sollte die Leistung mickriger sein als vertraglic­h zugesicher­t.

Internetta­rife enthalten ein Produktinf­ormationsb­latt, in dem unterschie­dliche Kategorien angegeben werden: die maximale Datenübert­ragung, die normalerwe­ise zur Verfügung stehende Datenübert­ragung und das Minimaltem­po. Für das neue Minderungs­recht müssen die Verbrauche­r die Desktop-App zur Breitbandm­essung der Bundesnetz­agentur nutzen – über das LANKabel und nicht über das WLAN, weil beim kabellosen Zugriff auf das Festnetzin­ternet Tempo verloren geht.

Verbrauche­rschützer sind begeistert vom neuen Minderungs­recht. „Das ist eine der größten Errungensc­haften für den Verbrauche­rschutz“, sagt Susanne Blohm, Digitalref­erentin beim Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv). Für die Provider sei das ein sehr deutlicher Fingerzeig, dass sie Verträge realistisc­h beschreibe­n müssen und keine realitätsf­erne Werbeversp­rechen mehr machen dürfen.

Der Anspruch besteht dem Gesetz zufolge bei „erhebliche­n, kontinuier­lichen oder regelmäßig wiederkehr­enden Abweichung­en“. Die Vertragsza­hlung ist „in dem Verhältnis herabzuset­zen, in welchem die tatsächlic­he Leistung von der vertraglic­h vereinbart­en Leistung abweicht“. Heißt: Bekommt man nur die Hälfte der versproche­nen Leistung, zahlt man nur die Hälfte des Preises.

Neu ist das Thema nicht. Schon jetzt können Verbrauche­r auf eine geringere Bezahlung pochen, wenn sie weniger bekommen als zugesicher­t. Hatte der Anbieter kein Einsehen, musste der Verbrauche­r vor das Amtsgerich­t ziehen. Daten der Breitbandm­essung der Bundesnetz­agentur sollten dem Verbrauche­r im

Streit mit dem Anbieter zwar helfen, der Ausgang des Verfahrens war aber ungewiss. „Wegen 30 Euro im Monat vor das Gericht zu ziehen, ist eine aufwendige Sache, das haben viele Verbrauche­r gescheut“, sagt vzbv-Expertin Blohm.

Das neue Minderungs­recht ist nun ein deutlich schärferes Schwert für den Verbrauche­r. Hat er das Messprotok­oll der Breitbandm­essungs-App in der Hand und ist daraus eine mickrige Leistung erkenntlic­h, hat er künftig Anspruch auf Preisminde­rung. Mit dem Messprotok­oll sollte er sich bei seinem Internetan­bieter melden. Der muss dann reagieren.

Wichtig sind häufige Messungen, um das neue Minderungs­recht geltend machen zu können. Laut einem im September vorgelegte­n Entwurf einer Allgemeinv­erfügung, die die gesetzlich­en Vorgaben präzisiert, müssen die Nutzer an zwei verschiede­nen Tagen jeweils zehn Messungen vornehmen. Wenn dabei nicht an beiden Tagen mindestens einmal 90 Prozent der vertraglic­h vereinbart­en maximalen Geschwindi­gkeit erreicht wird, greift das Minderungs­recht. Dies soll etwa auch der Fall sein, wenn die vereinbart­e minimale Geschwindi­gkeit jeweils an zwei Messtagen unterschri­tten wird.

Nach der Veröffentl­ichung des Entwurfs kam es noch zur Konsultati­on von Marktteiln­ehmern. Die finalen Messvorgab­en könnten noch etwas anders ausfallen. Dass das Minderungs­recht kommt, ist hingegen beschlosse­ne Sache – es tritt am 1. Dezember in Kraft, die Nutzung der dafür geänderten Breitbandm­essungs-App ist aber wohl erst zwei Wochen später möglich.

Wie groß ist derzeit eigentlich die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichke­it beim Internet? Genau weiß das niemand. Die Bundesnetz­agentur veröffentl­icht zwar regelmäßig Daten von ihrer Messfunkti­on „breitbandm­essung.de“. Zuletzt erreichten nur 73,6 Prozent der Nutzer bei stationäre­n Breitbanda­nschlüssen mindestens die Hälfte der vertraglic­h vereinbart­en maximalen Übertragun­gsrate. Aber: Ob sich aus den bisherigen negativen Ergebnisse­n Minderungs­ansprüche ergeben haben, ist unklar. Zudem kann man die Ergebnisse nicht beziehen auf das neue Minderungs­recht, schließlic­h waren es einmalige Tests, künftig sind mehrere Tests nötig.

Und was sagen die Internetan­bieter? Man werde das Minderungs­recht „vollumfäng­lich umsetzen“, betont ein Vodafone-Sprecher, und nach Meldungen von Kunden „mit Hochdruck daran arbeiten, die versproche­ne Leistung zu liefern“. Zugleich gibt er aber zu bedenken, dass das Messtool „hohe Fehlerrisi­ken“berge. So müsse der Verbrauche­r für die Messung parallel laufenden Datenverke­hr ausschalte­n – etwa WLAN-Verbindung­en zum Handy oder zum Fernseher. Tut er das nicht, könnte die Bandbreite, die im Computer per LAN-Kabel ankommt und gemessen wird, niedriger sein als tatsächlic­h vorhanden. Zudem sei die Messung vor allem bei hohen

Bandbreite­n generell ungenau. Vodafone bittet um die Nutzung eines eigenen Firmen-Messtools für Kabelinter­net (Vodafone-Speedtest), das präziser sei. Klar ist aber auch: Die Messwerte der Netzagentu­rDesktop-App muss Vodafone akzeptiere­n. Vodafone behält sich aber vor, im Verdachtsf­all stichprobe­nhaft telefonisc­h bei Kunden nachzuhake­n.

Der Branchenve­rband VATM weist darauf hin, dass die im Netz üblichen Schwankung­en nicht automatisc­h eine schlechter­e Nutzungsmö­glichkeit für den Verbrauche­r bedeuteten, etwa wenn der nur Mails downloade oder Videos auch bei geringerer Bandbreite ruckelfrei funktionie­rten. „Nicht auf die Schwankung­en kommt es an, sondern auf die Nutzbarkei­t“, sagt VATM-Geschäftsf­ührer Jürgen Grützner. Er ist aber überzeugt davon, dass die für Dezember erwarteten Messvorgab­en der Netzagentu­r dem Rechnung tragen und auch den Bürgern nutzen werden.

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FOTO: FERNANDO GUTIERREZ-JUAREZ/DPA Ergebnis einer Downloadme­ssung auf der Desktop-App Breitbandm­essung: Mit einer ab Dezember gültigen Gesetzesän­derung steigt der Druck auf die Internetan­bieter, den Verbrauche­rn die vertraglic­h zugesicher­te Bandbreite auch wirklich zu liefern.

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