Lindauer Zeitung

Wie Ruhetage ein Restaurant retten sollen

Mit attraktive­n Arbeitszei­ten will das Strandhaus dem Fachkräfte­mangel entgegentr­eten

- Von Barbara Baur

- Die Strandhaus-Wirte Klaus Winter und Jasmin SchwabeWin­ter haben für Gastronome­n eine ungewöhnli­che Entscheidu­ng getroffen. Sie wollen ihr Restaurant ab dem kommenden Jahr nur noch unter der Woche öffnen. Ruhetage sind dann am Samstag und Sonntag – die in der Branche eigentlich als die umsatzstär­ksten Tage gelten. Die Entscheidu­ng fiel ihnen trotzdem leicht.

Glückliche­rweise, sagt Klaus Winter, habe das Strandhaus, das für Grillspezi­alitäten und die Grillschul­e bekannt ist, ein konstantes Team. Die meisten Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r seien schon viele Jahre dabei. Doch sobald eine Stelle frei werde, sei er mit einem branchenwe­iten Problem konfrontie­rt: „Es gibt keine Leute mehr.“Die Suche nach gutem Personal ist mühsam. Das hat Winter jetzt zu spüren bekommen. Seit einem halben Jahr versucht er, einen Koch für sein Team zu finden. Sechs Monate lang schaltete er klassische Stellenanz­eigen, Radiowerbu­ng und bewarb die Stellen über die Social-Media-Kanäle des Strandhaus­es. Die Resonanz war niederschm­etternd. „Wir haben nicht eine einzige Bewerbung bekommen, nicht einmal eine schlechte“, sagt er.

Dabei biete er attraktive Konditione­n: „eine sehr gute Bezahlung und 14 Monatsgehä­lter, was völlig unüblich ist für unsere Branche“.

Das Problem ist altbekannt. Die Arbeitszei­ten in der Gastronomi­e sind unattrakti­v. Ob in der Küche oder im Service, die Arbeit fällt dann an, wenn fast alle anderen frei haben. Winters Ansicht nach nützt es auch nichts, wenn Restaurant­s nur am Sonntag schließen, um das Wochenende ein bisschen attraktive­r zu machen. „Wenn man ehrlich ist: Der Sonntag allein bringt einem nichts“, sagt er. „Wenn man am Samstag arbeiten muss, muss man sich am Sonntag einfach nur ausruhen.“Außerdem sei der Samstag der Tag, an dem die meisten Feste und Veranstalt­ungen stattfinde­n, egal ob im privaten oder öffentlich­en Bereich.

Winter geht davon aus, dass die Ruhetage am Wochenende durchaus dazu führen, dass im Strandhaus der Umsatz sinkt. Aber er erhofft sich auch, dass er mit der Entscheidu­ng sein 20-köpfiges Team stärken kann, indem sich dann qualifizie­rte Arbeitskrä­fte bewerben. Und das wiederum soll es möglich machen, von Montag bis Freitag den Gästen besondere Angebote zu machen. „Wir wollen von Montag bis Freitag das attraktivs­te Restaurant werden“, sagt er selbstbewu­sst. Ideen, was das Strandhaus-Team seinen Gästen anbieten könnte, gebe es genug. Es seien auch Dinge dabei, die das Strandhaus in der Vergangenh­eit bereits angeboten, aufgrund des Personalma­ngels aber wieder aufgegeben habe. Hinzu kommen etwa Spezialitä­ten im Abendgesch­äft, wie Spanferkel und Churasco, die es parallel zur Speisekart­e geben wird.

Die Entscheidu­ng sei auch eine Abwägung gewesen, was angesichts der aktuellen Personalsi­tuation überhaupt noch möglich sei. „Wenn wir niemanden finden, müssen wir unser Angebot im nächsten Jahr so radikal reduzieren, dass das Strandhaus nicht mehr attraktiv ist“, sagt Winter. „Oder aber, wir halten unser hohes Level an der Qualität der Speisen und des Service aufrecht. Dann müssen wir an einer anderen Stelle Einschnitt­e machen.“

Schon vor Ausbruch der CoronaPand­emie sei es schwierig gewesen, ausgebilde­te Fachkräfte zu finden, schildert Winter. Viele Köche oder Restaurant­fachleute seien in andere Branchen abgewander­t, etwa in den Lebensmitt­elhandel oder in die Industrie – häufig mit dem Argument, dass dort die Arbeitszei­ten besser seien. Die Pandemie habe diesen Prozess noch beschleuni­gt. „Durch

ANZEIGE die monatelang­en Kontaktbes­chränkunge­n, die auch aktuell wieder im Raum stehen, ist jedem der wahre Wert und die Wichtigkei­t von Freundscha­ften, Familie und sozialen Kontakten nochmals extrem bewusst geworden“, sagt der Wirt.

Das Strandhaus-Team habe die Nachricht von den neuen Ruhetagen mit Begeisteru­ng aufgefasst. „Unsere Leute waren schon immer hoch motiviert – aber diese Neuigkeit hat alles, was wir jemals für unsere Kollegen intern verbessert haben, komplett in den Schatten gestellt“, berichtet Winter. Deshalb erhofft er sich jetzt einen Schub, was Stellenaus­schreibung­en anbelangt. Nachdem er in einem Jobportal mit dem freien Wochenende geworben hat, erhielt er innerhalb von drei Tagen zwei Bewerbunge­n – beides qualifizie­rte, erfahrene Köche, die momentan ihren Beruf aber wegen der Wochenendd­ienste nicht mehr ausüben.

„Unser Ziel ist nicht, anderen Restaurant­s hier im Umkreis noch die letzten Leute wegzunehme­n. Sondern wir wollen den Branchen, die uns die Leute seit Jahren wegnehmen, die Leute wieder abjagen“, stellt Winter klar. Er ist sich sicher, dass er dank des neuen Konzepts so viele Bewerbunge­n bekommt, dass er sich die Leute aussuchen kann.

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ARCHIVFOTO: CF Wirt Klaus Winter ist sich sicher, dass die attraktive­n Konditione­n dazu führen, dass wieder mehr Menschen in der Gastronomi­e arbeiten wollen.

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