Eine Mischung aus Merkel und Thatcher
Frankreichs Republikaner schicken Valérie Pécresse in Präsidentenwahl
- Die Inszenierung ist sorgfältig gewählt: Inmitten einer Reihe von Männern in dunklen Anzügen steht eine Frau im leuchtend roten Blazer auf der Bühne. Mit Valérie Pécresse schicken die konservativen Republikaner zum ersten Mal eine Kandidatin ins Rennen um das Präsidentenamt. Und die 54-Jährige will daraus einen Trumpf machen. „Danke, dass Sie diesen Wagemut hatten“, sagt sie am Wochenende vor Anhängerinnen und Anhängern in der Pariser Parteizentrale.
Die frühere Ministerin galt lange als Außenseiterin im internen Vorwahlkampf der Republikaner. Überraschend kam sie zusammen mit dem Rechtsaußen Éric Ciotti in die Stichwahl, die sie mit 61 Prozent gewann. Der frühere Brexit-Unterhändler Michel Barnier und der Präsident der nordfranzösischen Region Hauts-deFrance, Xavier Bertrand, waren ebenso ausgeschieden wie der ohnehin chancenlose Arzt Philippe Juvin.
2017 war der durch eine Affäre um Scheinbeschäftigung angeschlagene republikanische Kandidat François Fillon bereits in der ersten Runde der Präsidentenwahl ausgeschieden. Das Fiasko hatte die Partei in eine Identitätskrise gestürzt, von der sie sich nur mühsam erholte. Auch Pécresse verließ die Republikaner und gründete ihre eigene Bewegung. Die Vorwahlen brachten die Präsidentin der Hauptstadtregion Île de France, die im Sommer mit einem guten Ergebnis wiedergewählt worden war, wieder in ihre politische Heimat zurück.
In den Umfragen für das Präsidentenamt liegt die wenig mitreißende
Rednerin allerdings mit zehn Prozent deutlich hinter Amtsinhaber Emmanuel Macron, der Rechtspopulistin Marine Le Pen und dem Rechtsextremisten Éric Zemmour. Vor allem Macron und Zemmour will die Mutter von drei Kindern nun angreifen. Allen, die ihr vorwerfen, auf derselben Linie wie der Staatschef zu liegen, kontert sie: „Zwischen dem Präsidenten und mir gibt es einen Unterschied: Emmanuel Macron hat die Obsession zu gefallen, ich habe die Leidenschaft, die Dinge anzupacken.“Die frühere Haushaltsministerin unter Nicolas Sarkozy kritisiert, dass Macron „die Kasse sprenge“, wenn er zur Bewältigung der CoronaKrise praktisch unbegrenzte Mittel zur Verfügung stelle.
Das Umfeld des Präsidenten fürchtet die Kandidatin Pécresse. Zum einen, weil sie eine Frau ist, während der Staatschef alle wichtigen Posten mit Männern besetzte. Zum anderen, weil sie ernsthafte Reformen ankündigt, während der Staatschef bisher nur halbherzig reformierte. So will sie 150 000 Beamtenstellen streichen und mit der „Axt“an die Bürokratieexzesse gehen. In Einwanderungsund Sicherheitsfragen fährt die Politikerin, die als „Baby“des früheren Präsidenten Jacques Chirac gilt, einen harten Kurs.
Pécresse schärfte ihren Diskurs unter dem Druck des Vorwahlkampfes, der sich praktisch nur um einen Immigrationsstopp drehte. Im Gegensatz zu ihrem Rivalen Ciotti, der bereits ankündigte, in einer Stichwahl zwischen Macron und Zemmour für den Rechtsextremisten zu stimmen, grenzt Pécresse sich nach Rechtsaußen ab. „Man muss nicht Extremist sein, um offensiv zu sein“, sagt sie an die Adresse Zemmours.
Der Rechtsextremist umwirbt den rechten Flügel der Republikaner. Nach der Niederlage seines „Freundes“Ciotti schrieb er in einem offenen Brief an dessen Anhänger: „Ich glaube, dass wir bald vereint sein werden.“Ciotti kündigte allerdings an, dass er den Wahlkampf „Seite an Seite“mit Pécresse führen werde. Auch die anderen unterlegenen Bewerber wollen sich einbringen. Sie sei zwei Drittel Merkel und ein Drittel Thatcher, sagte Pécresse einmal von sich selbst. Wenn das stimmt, müssen ihre Gegner sich vor ihr in Acht nehmen.