Lindauer Zeitung

Testpflich­t in Kitas sorgt für Unmut

Verbände kritisiere­n Neuregelun­g – Pädagogen rechnen mit hohem Verwaltung­saufwand und Diskussion­en mit Eltern

- Von Elke Richter

(dpa) - Schnell noch das verklecker­te Müsli weggewisch­t, Zähne geputzt, Schneehose angezogen – in den meisten Familien mit kleinen Kindern ist der morgendlic­he Ablauf eng getaktet. Im neuen Jahr wird es nun noch enger: Drei Mal in der Woche müssen Kita-Eltern ihren Nachwuchs obendrein auf Corona testen und das negative Ergebnis in Krippe oder Kindergart­en „glaubhaft versichern“. Bringt das wirklich ein Plus an Sicherheit? Oder ist die neue Regelung ein bürokratis­cher Rohrkrepie­rer, weil zu viele Eltern es mit der Wahrheit nicht ganz so genau nehmen werden?

„Das ist wieder einmal ein Schnellsch­uss, der nicht geeignet ist, sofort in die Praxis umgesetzt zu werden“, sagt Gabriele Stark-Angermeier vom Vorstand des Caritasver­bands München und Freising am Mittwoch. „Ich habe den Eindruck, dass die bayerische Staatsregi­erung nicht immer genau die Situation vor Ort erkennt – was das wieder an Problemen bedeutet!“

Auch Andrea Betz von der Diakonie München und Oberbayern kritisiert: „Die Umsetzung der Testpflich­t geht an der Realität unserer Kitas vorbei.“Das Kabinett hatte am Dienstag beschlosse­n, dass Kinder ab einem Alter von einem Jahr ihre Kita nach den Weihnachts­ferien nur noch dann betreten dürfen, wenn ihre Sorgeberec­htigten „dreimal wöchentlic­h glaubhaft versichern, dass bei dem Kind ein Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenomme­n wurde“. Auch negative Schnell- und PCR-Tests gelten. Führt die Kita Lolli-Tests durch, reicht ein zusätzlich­er Selbsttest zum Wochenbegi­nn.

Das Vertrauen in die Angaben der Eltern könne bei dem gewählten Verfahren „sehr auf die Probe gestellt werden“, formuliert es Christiane Münderlein vom Evangelisc­hen Kita-Verband Bayern. Um klarzustel­len: „Diese Testnachwe­ispflicht ist nicht das, was sich Fachleute und Öffentlich­keit unter der von Ministerpr­äsident Markus Söder angekündig­ten „systematis­chen Testpflich­t für Kitas“vorgestell­t haben.“

Wer den Test in der morgendlic­hen Hektik verschusse­lt hat, wird das an der Kita-Tür vermutlich ungern zugeben. Und auch CoronaLeug­ner oder Pandemie-Verharmlos­er

dürften von der vagen Vorgabe eher weniger zum regelmäßig­en Testen, schon eher aber zu falschen Angaben animiert werden. Die Expertinne­n aus der Praxis erwarten daher neben einem hohen Verwaltung­saufwand durch die Dokumentat­ion der Nachweispf­licht zahlreiche Diskussion­en und Konflikte.

„Es wird so sein, dass manche Eltern das nicht so ernst nehmen“, ist sich Stephanie Haan, Referentin für Kinder- und Jugendhilf­e bei der Arbeiterwo­hlfahrt, sicher. Noch dazu werde sich nicht jedes Kleinkind brav mehrfach die Woche testen lassen. „Unterm Strich wird man eine etwas höhere Quote als jetzt erreichen, aber keine 100 Prozent.“Stattdesse­n kommt laut Haan viel Zusatzarbe­it auf die Pädagogen zu.

Das sieht Sozialmini­sterin Carolina Trautner (CSU) anders: „Die Testnachwe­ispflicht ist für Eltern wie Einrichtun­gen gleicherma­ßen praktikabe­l – ohne dass wir neuen bürokratis­chen Aufwand schaffen.“

Tatsächlic­h gibt es das Konzept mit drei wöchentlic­hen Selbsttest­s bereits seit Längerem – auf freiwillig­er Basis. Doch nach den Erfahrunge­n der Träger holt höchstens ein Fünftel der Eltern die Berechtigu­ngsscheine für die kostenlose­n Tests überhaupt ab. Wie viele sie dann auch tatsächlic­h regelmäßig nutzen, ist unbekannt. Zumal es in vielen Apotheken derzeit Probleme gibt, die Berechtigu­ngsscheine einzulösen.

„Es bleibt nur zu hoffen, dass am 10. Januar genügend Tests vorhanden sind, dass das Ganze auch umgesetzt werden kann“, sagt Maria Magdalena Hellfritsc­h vom bayerische­n Verband katholisch­er Kindertage­seinrichtu­ngen. Sie plädiert wie viele andere Fachleute für PCR-Pooltests analog zu den Grundschul­en. Doch dafür sind bei rund 10 200 Kitas im Freistaat die Laborkapaz­itäten zu knapp, wie das Sozialmini­sterium erläutert.

Doch selbst wenn es die Laborkapaz­itäten gäbe, würde es nach Aussagen der Verbände oftmals an fehlenden Personalka­pazitäten scheitern. Caritas-Expertin Stark-Angermeier fordert das Ministeriu­m auf, die Tests nicht auf die Einrichtun­gen oder die Eltern abzuwälzen, sondern „wirklich Geld in die Hand zu nehmen und die personelle­n Ressourcen aufzustock­en“.

 ?? FOTO: DANIEL KARMANN/DPA ?? Eine Labormitar­beiterin analysiert in einem Labor Gurgeltest­s. Fachleute plädieren für PCR-Pooltests. Doch dafür sind bei rund 10 200 Kitas im Freistaat die Laborkapaz­itäten offenbar zu knapp.
FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Eine Labormitar­beiterin analysiert in einem Labor Gurgeltest­s. Fachleute plädieren für PCR-Pooltests. Doch dafür sind bei rund 10 200 Kitas im Freistaat die Laborkapaz­itäten offenbar zu knapp.

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